Fußball Trabzonspor träumt von der Renaissance in der Süper Lig

Stand: 21.04.2022 09:13 Uhr

Trabzonspor schickt sich an, in der türkischen Süper Lig die Vormachtstellung der großen Klubs aus Istanbul zu unterbrechen. Das Team vom Schwarzen Meer steht kurz vor der Meisterschaft - und träumt von alten Zeiten.

Besiktas, Galatasaray, Fenerbahçe und seit neuestem auch Başakşehir: Seit 1985 kommt der Meister der türkischen Süper Lig aus Istanbul. Nur Bursaspor gelang es einmal, diese Vormachtstellung kurz zu unterbrechen. Doch das ist jetzt auch schon wieder zwölf Jahre her.

Jetzt schickt sich Trabzonspor an, den großen Klubs aus der türkischen Metropole Paroli zu bieten. Fünf Spieltage vor Schluss liegt der Verein aus der Hafenstadt am Schwarzen Meer an der Tabellenspitze – satte elf Punkte beträgt das Polster auf den ärgsten Verfolger Fenerbahçe. Wenn der Konkurrent aus Istanbul nicht patzt, braucht Trabzonspor noch vier Punkte aus den letzten Partien.

Ergebniskrise zur Unzeit

Eigentlich hätten die "Bordeaux-Blauen" die Meisterschaft längst schon eintüten können. In den jüngsten vier Spielen gab es aber keinen Sieg und zuletzt drei Unentschieden in Serie. Cheftrainer Abdullah Avci bleibt dennoch gelassen. "Die Meisterschaft benötigt Geduld.  Wir nähern uns jedoch dem Ende. Für uns läuft alles sehr gut", sagte er zuletzt.

Mit Geduld kennen sie sich bei Trabzonspor ohnehin aus. Seit 1984 und damit seit 38 Jahren warten der Klub uns seine Fans auf die Meisterschaft. Die Sehnsucht ist riesig. Jahr für Jahr gilt der Verein als Mitfavorit um die Meisterschaft, doch scheiterte immer wieder.

Am Samstag (23.04.2022) will das Team zurück in die Erfolgsspur und den nächsten Schritt machen. Gegner Adana Demirspor belegt allerdings aktuell Tabellenplatz fünf und kämpft noch um die Europapokal-Teilnahme.

Trainer und Klubchef harmonieren

Der Star ist wie so oft der Trainer. Abdullah Avci übernahm das Amt im November 2020. Was die Kaderplanung angeht, harmoniert der 58-Jährige prächtig mit Klubchef Ahmet Agaoglu. Der machte im Juni 2021 den Schuldenstand des Vereins öffentlich. Demnach betrugen die Vereinsverbindlichkeiten vor rund zehn Monaten 1,192 Milliarden türkische Lira (circa 114,84 Millionen Euro). Wegen der anhaltenden Corona-Pandemie dürfte sich daran auch nicht allzu viel geändert haben. Für Trabzonspor spricht, dass die großen Istanbuler Klubs weitaus höhere Schulden angehäuft haben.

Zugänge schlagen ein

Wenn es so um die Finanzen steht, bedarf es auf dem Transfermarkt Fingerspitzengefühl und Phantasie sowie einer guten Nachwuchsarbeit. Und das alles haben Avci und Agaoglu offenbar.

Die beiden Vorzeigespieler sind Nationaltorwart Ugurcan Cakir (26) und Mittelfeldspieler Abdülkadir Ömür (22). Beide kommen aus der eigenen Jugend. Eingeschlagen haben vor allem zwei der zahlreichen Zugänge, die vor der Saison zum Team stießen. Da ist zum einen Marek Hamsik (34). Der Slowake spielte viele Jahre für den SSC Neapel in der italienischen Serie A, ist bekannt wegen seines Irokesen-Schnitts und kam ablösefrei von IFK Göteborg. Er hat sich schnell zur zentralen Figur im Mittelfeld und zum Anführer entwickelt.

Toptorschütze ist der Däne Andreas Cornelius mit 13 Ligatreffern. Er kam von Parma Calcio aus der italienischen Serie B. Insgesamt gab der Klub für 35 neue Spieler rund 14,4 Millionen Euro aus.

Disziplin und Effizienz statt Spektakel

Trabzonspor  stellt die beste Offensive und die beste Defensive der Liga und hat erst zwei Saisonniederlagen kassiert. Doch Avcis Team steht nicht unbedingt für Spektakel. Vielmehr machen Disziplin und Effizienz den Tabellenführer aus. Avcı lässt meist aus einer geordneten Defensive spielen.

Die Offensive ist nur schwer auszurechnen. Die Torschützen sind gut verteilt. Neben Hamsik ist nur noch der mittlerweile 34-jährige Gervinho international bekannt. Der Mann von der Elfenbeinküste spielte früher für den FC Arsenal und die AS Rom. Deutsche Fans kennen den ehemaligen Mainzer Yunus Malli und Tymoteusz Puchacz, einen Leihspieler von Union Berlin. So mag Trabzonspor ein Gemisch aus Namenlosen, Alt-Internationalen und einigen Talenten sein. Doch das Kollektiv funktioniert.

Start einer neuen Ära?

Dass es schwerer ist, oben zu bleiben als nach oben zu kommen, wissen sie auch am Schwarzen Meer. Und doch träumt ganz Trabzon von einer Art Renaissance. Denn schon früher schickte sich der Klub an, die Teams aus Istanbul zu ärgern - mit Erfolg.

1959 wurde die Süper Lig eingeführt, und Trabzonspor war 1976 der erste Meister, der nicht aus Istanbul kam. Bis 1984 gewann der Verein noch fünf weitere nationale Titel. Für den Verein könnte die Meisterschaft in diesem Jahr deshalb zum Start einer Art Wiederauferstehung werden. Dem türkischen Fußball würde ein Wechsel an der Spitze ohnehin mal guttun.