Fußball | Super League Trainer Breitenreiter beim FC Zürich - ein Bessermacher und sein Bauchgefühl

Stand: 25.02.2022 14:49 Uhr

In der vergangenen Saison war der FC Zürich dem Abstieg nahe, nun könnte er Schweizer Fußball-Meister werden. Das Gesicht des Erfolgs ist André Breitenreiter. Über einen Trainer, der gerade viele überrascht.

Vor einigen Monaten, als beim FC Zürich noch eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit klaffte, groß genug, um den ganzen Klub aufzunehmen, versuchten es die Fans mit Galgenhumor. Beim letzten Spiel der Saison 2020/21 hatten sie ein Banner im Stadion angebracht, darauf war zu lesen: "Wir gratulieren dem Spitzenklub zum dritten Liga-Erhalt in Serie." Der FCZ, zwölfmaliger Schweizer Meister, hatte mit einiger Mühe noch den Klassenerhalt geschafft.

Heute hat beim FC Zürich die Wirklichkeit den Anspruch überholt. Vor der Saison saßen die Entscheider um den Präsidenten Ancillo Canepa zusammen, sie planten einen personellen Umbruch und suchten einen Trainer, auch in Deutschland. Der Trainer heißt jetzt André Breitenreiter, 48, und beim FCZ werden sie diese Entscheidung nicht bereut haben. Eine Saison ohne Abstiegsnöte, das war der Plan. Es kam anders.

Der FC Zürich hat zuletzt im September ein Ligaspiel verloren, er führt die Tabelle nach 22 von 36 Spieltagen mit 50 Punkten an, hat zehn Punkte Vorsprung auf den FC Basel und die Young Boys aus Bern. Am Sonntag (27.02.2022) empfängt der FCZ den Verfolger aus Basel zum Spitzenspiel. "Basel muss gewinnen", sagt Breitenreiter im Gespräch mit der Sportschau: "Wir wollen gewinnen." Die Sportschau am Sonntag zeigt eine Zusammenfassung des Spiels.

Am Anfang war ein Bauchgefühl

Der einstige Serienmeister Basel ist nun Außenseiter, der beinahe abgestiegene FC Zürich Favorit - so ist das gerade mit den Verhältnissen im Schweizer Fußball. Was bitte, das fragt man sich schon, hat Breitenreiter mit diesem Klub und seinen Spielern gemacht?

Begonnen hatte das mit Breitenreiter und dem FC Zürich im Frühsommer 2021 mit einem Video-Gespräch und einer Ahnung. Er sei, sagt Breitenreiter, ein Mensch, der sich auf sein Bauchgefühl verlasse. Zuvor war er zweieinhalb Jahre ohne Anstellung gewesen, auch aus persönlichen Gründen, das ist Breitenreiter wichtig. Bei der Sache mit dem FCZ aber, da habe er direkt gespürt, dass "das super passt". Bauchgefühl eben.

Er hat dort eine Mannschaft geformt, die im 3-4-1-2 ansehnlichen Fußball spielt, ohne Schnörkel, immer geradlinig. Eine Mannschaft, die viele Tore erzielt, aber nur wenige kassiert. Fußball, sagt Breitenreiter, müsse attraktiv sein, dafür stehe er als Trainer: "Wir haben klare Abläufe, und die setzen die Jungs sehr gut um."

Ein Angreifer, der plötzlich Tore schießt

Man kann die Entwicklung gut am Beispiel des Angreifers Assan Ceesay, 27, nachvollziehen. In der vergangenen Saison kam Ceesay in 33 Ligaspielen nur auf zwei Tore, doch in dieser Saison hat er sich zum Torjäger entwickelt: 20 Einsätze, 13 Tore. In der Schweiz sprachen sie dann schnell von Breitenreiter als einem, der Spieler besser mache. Er wird das gerne vernommen haben.

Als Breitenreiter im Juni als Trainer vorgestellt wurde, sagte er, er habe schon bewiesen, dass er Spieler besser machen könne. Er erinnerte an seine Zeit beim FC Schalke 04, wo er als Förderer von Talenten wie Leroy Sané oder Leon Goretzka galt. Schalke war Breitenreiters größter Klub, er blieb ein Jahr, führte den Klub in die Europa League und musste im Sommer 2016 doch gehen. Christian Heidel, der auf Horst Heldt als Sportchef folgte, hatte andere Pläne.

Tabellenführer in der Bundesliga mit dem SC Paderborn

Zuvor war Breitenreiter bereits mit zwei Klubs in die Bundesliga aufgestiegen, mit dem SC Paderborn und Hannover 96. In Paderborn hatte er aus einem durchschnittlichen Zweitligisten ein überdurchschnittliches Team geformt, das auch nach dem Aufstieg mutig spielte und kurz sogar Tabellenführer war.

Peter Stöger, damals Trainer des 1. FC Köln, hat einmal gesagt: "Jeder weiß, wie die spielen, aber keiner weiß, was man dagegen tun kann." Paderborn stieg trotzdem ab, hatte als tapferer Außenseiter aber viele Sympathien gewonnen.

Der Trainer Breitenreiter - ein Bessermacher

Breitenreiters erste Trainerstation aber war der TSV Havelse, ein Klub aus der Kleinstadt Garbsen bei Hannover. Er formte eine Mannschaft, die um den Aufstieg in die 3. Liga spielte und im DFB-Pokal an einem heißen Sommertag 2012 den 1. FC Nürnberg rauswarf. In Garbsen erinnern sie sich bis heute daran.

Matthias Limbach war damals schon beim TSV Havelse tätig, heute ist er Sportlicher Leiter des Klubs, der mittlerweile in der 3. Liga spielt. Die Spieler, erzählt Limbach, hätten an Breitenreiter und dessen Vorstellung von Fußball geglaubt, sie seien ihm bedingungslos gefolgt. Limbach sagt: "Breitenreiter ist ein Bessermacher."

"Es hat sich noch nie einer zum Titel geredet"

Kürzlich erschien in der "Neuen Zürcher Zeitung" eine Geschichte über den FCZ, in der es auch um einen möglichen Meistertitel ging. Der Präsident Canepa, so schreibt es die Zeitung, habe das gar nicht gut gefunden und allen, die den Klub mit dem Titel in Verbindung bringen würden, Prügel angedroht. Es las sich wie ein Scherz, wahrscheinlich war es einer. Über die Meisterschaft reden sie dort eben nicht so gerne.

André Breitenreiter ist immerhin bereit, über Ziele zu sprechen. Die Champions-League-Hymne würde er gerne mal als Trainer hören, "am liebsten mit dem FC Zürich". Nur die Meisterschaft, da ist Breitenreiter auf Kurs mit seinem Vorgesetzten, möchte er nicht als Ziel ausrufen. Er sagt: "Es hat sich noch nie einer zum Titel geredet."