Primera División Messis Abgang - die hausgemachte Tragödie

Stand: 06.08.2021 14:16 Uhr

Lionel Messis lange so undenkbar erscheinender Abgang vom FC Barcelona ist eine Quittung, eine Tragödie, eine Chance - und eine Erkenntnis gleichermaßen.

Die Tragödie

Als der FC Barcelona am Donnerstagabend (05.08.2021) das verkündete, was so lange undenkbar erschien, den Abschied von Superstar Lionel Messi, tat er das mit einer simplen Pressemitteilung und der Erklärung: "Obwohl eine Übereinkunft erreicht wurde mit der Absicht, heute einen neuen Vertrag zu unterzeichnen, lässt sich dieser aufgrund ökonomischer und struktureller Hindernisse (Regeln der spanischen Liga) nicht durchsetzen."

"Wir wollen, wir würden, wir möchten - aber wir können und dürfen nicht. Uns sind die Hände gebunden", hieß es weiter. Die Situation ist einzigartig. Noch nie hat ein Spieler aus Messis sportlicher Kategorie, von der es ohnehin nur eine Handvoll gegeben haben dürfte, so lange einen Verein geprägt und diesen dann am Ende auch noch zu einem anderen Klub verlassen. Dabei waren ja offenbar beide Seiten an einer Fortsetzung der Beziehung sehr interessiert. Eine Handlung wie in einer griechischen Tragödie allererster Ordnung. Nur dass hier niemand wirklich schuldlos in das Dilemma geraten ist.

De facto hatte eine der wenigen Regeln des modernen Spitzenfußballs gegriffen, die den Klubs tatsächlich finanzielle Grenzen setzen. Denn die Obergrenze für Gehalts- und Transferausgaben, die die Katalanen von der Liga gesetzt bekamen, betrug in dieser Saison nach übereinstimmenden Medienberichten 347 Millionen Euro.

Die Quittung

Da passte Messi nicht mehr rein. Mit dem Gehalt des Argentiniers habe man zuletzt bei 110 Prozent des zulässigen Volumens gelegen, sagte Klubchef Juan Laporta am Freitag. Zu viel. Obwohl Messi offenbar fast in Robin-Hood-Manier bereit gewesen sein soll, auf die Hälfte seines bisherigen Salärs zu verzichten, das zuletzt laut Schätzungen zwischen 100 und 138 Millionen Euro gelegen haben soll, hätte das alles nicht gereicht. "Ich bin traurig, aber gleichzeitig bin ich auch davon überzeugt, dass wir das getan haben, was im besten Interesse des Vereins ist", erklärte Laporta.

Das ist wahrscheinlich wahr. Nun muss man sich aber fragen, wie es sein kann, dass ein Profifußballverein so schlecht kalkuliert, dass die große Identifikationsfigur und der trotz unbestreitbar fortgeschrittenen Alters wohl beste Spieler nicht einmal für die Hälfte des bisherigen Gehalts gehalten werden kann. Wirklich unerwartet kam die Situation ja nicht - dass der Vertrag des Argentiniers auslaufen würde, werden die Verantwortlichen bei Barca am allerbesten gewusst haben.

Die Erschütterung

Die Antwort lässt sich auf zwei Punkte herunterbrechen. Erstens: Der FC Barcelona hat in der Ära des Ex-Präsidenten Josep Maria Bartomeu in Sachen Management einen sagenhaft schlechten Job gemacht - zumindest was die finanzielle Seite angeht. Und zweitens: Lionel Messi hat mit seinen exorbitanten Gehaltsforderungen, die er längst nach menschlichem Ermessen nicht mehr nötig haben dürfte, und seinen andauernden Forderungen nach sportlichen und entsprechend teuren Verstärkungen selbst einen großen Teil dazu beigetragen, dass der Klub in einen finanzielle Schieflage geraten ist, für die er nun selbst teuer bezahlen muss.

Erwachsene Menschen lagen weinend am Boden und schluchzten hemmungslos in der Öffentlichkeit in ein rot-blaues Trikot mit der Nummer 10. Bilder wie diese wurden am Dienstagabend in den sozialen Netzwerken rasend schnell verbreitet. Der Abgang des Idols erschütterte mehrere Generationen von leidenschaftlichen Fußballfans in Katalonien und der ganzen Welt. Die lebende Legende ist weg. Das steht jetzt fest.

Die Chance

Rein sportlich ist der Verlust eines Spielers wie Messi natürlich ein Problem. In den nächsten ein bis zwei Jahren wäre der sechsfache Weltfußballer sicher noch in der Lage gewesen, auf allerhöchstem Niveau den Unterschied auszumachen. Es bleibt aber auch die Erkenntnis: Barcas große Erfolgsära, die für immer mit Messi verknüpft bleiben wird, ist schon seit einigen Jahren vorbei. Die bislang letzte Meisterschaft gab es im Sommer 2019, den bislang letzten Champions-League-Sieg 2015. In der Königsklasse verloren die Katalanen zuletzt bei ihrem Ausscheiden zumeist deutlich - gegen Paris gab es im vergangenen Jahr einmal ein 1:4, im Jahr davor gegen den FC Bayern ein 2:8.

Gerard Piqué ist inzwischen 34, Sergio Busquets 33, Jordi Alba 32 und auch Antoine Griezmann ist mit 30 Jahren kein Jungspund mehr. Die Säulen des Kaders sind überaltert - es wird dauern, diese nach und nach entsprechend zu ersetzen. Aber angesichts der Vereinshistorie und des Supertalents Pedri, der mit seinen erst 18 Jahren bereits eine tragende Rolle im Mittelfeld der Katalanen spielt, ist es dem Klub zuzutrauen. Auch wenn man einen Messi wohl nicht ersetzen kann, ist der Abgang sportlich und finanziell auch eine Chance, jetzt zumindest die mittelfristige Zukunft etwas rosiger zu gestalten.

Die Erkenntnis

Fußball funktioniert nicht ohne Geld - das ist inzwischen auch dem größten Romantiker klar geworden. Wie absurd die Dimensionen und finanziellen Vorstellungen sind, hat dieses letzte Kapitel in der Messi-Barcelona-Ära noch einmal eindrucksvoll gezeigt. Man hätte sich ein anderes Ende gewünscht - aber so sind Tragödien eben.