Die deutschen Nationalspielerinnen (v.l.) Giulia Gwinn, Linda Dallmann und Sara Doorsoun

Die längste EM aller Zeiten Deutsches Team "weit von einem Lagerkoller entfernt"

Stand: 23.07.2022 12:21 Uhr

Im Vergleich zur Europameisterschaft vor fünf Jahren in den Niederlanden wurde der Spielplan in England um vier Tage verlängert. Das führt unter anderem gerade dazu, dass das deutsche Team zwischen Viertel- und Hablfinale fünf Tage Pause hat. Doch die deutschen Spielerinnen stört das nicht.

Von Florian Neuhauss (London)

Vor einem Café sitzt Torhüterin Merle Frohms und unterhält sich entspannt mit Ex-Nationalspielerin Lena Goeßling. Vor dem nahen italienischen Restaurant haben unter anderem Assistenztrainerin Britta Carlson und Torwarttrainer Michael Fuchs Platz genommen. Und über den Platz schlendert Svenja Huth mit ihrer Frau.

Die deutsche Nationalmannschaft fühlt sich sichtlich wohl in Brentford und genießt den Halbfinal-Einzug. "Wir haben eine coole Zeit", betont Giulia Gwinn. "Wir sind weit davon entfernt, einen Lagerkoller zu bekommen."

Der Londoner Stadtteil samt Community Stadium und besonders ihr Hotel am Syon Park sind längst zu einer Art Zuhause geworden, wie Laura Freigang beschreibt. Dreimal hat das deutsche Team nun schon in Brentford gespielt. Und selbst wenn sie mit Familie oder Freunden in Privatklamotten unterwegs sind, werden die Spielerinnen mittlerweile immer wieder erkannt und freundlich begrüßt.

Auf aufgestockte EM folgte aufgestockte WM

Die gute Stimmung auch abseits des Platzes ist wichtig - die EM dauert so lange wie nie zuvor. Um für mehr Exklusivität des Eröffnungsspiels, aber auch der Duelle in der K.o.-Runde zu sorgen, hat die UEFA an den entsprechenden Spieltagen jeweils nur eine Partie angesetzt. So finden die Viertelfinals gerade an vier aufeinanderfolgenden Tagen (zuvor zwei) statt, die Halbfinals an zwei Tagen (zuvor an einem). In der Vorrunde lagen für Deutschland zwischen den Partien jeweils drei spielfreie Tage. Vor dem Viertelfinale gegen Österreich (2:0) waren es vier, vor dem Halbfinale sind es nun fünf Tage.

2017 war das Turnier ohnehin erst von zwölf auf 16 Teams aufgestockt worden. Mit der Änderung des Spielplans ist die EM mit den 25 Tagen nun die längste überhaupt.

24 Mannschaften waren es 2019 bei der WM in Frankreich. Auch die FIFA hat aber mittlerweile eine Reform beschlossen: Bei den Wettkämpfen in Australien und Neuseeland gehen im kommenden Jahr gleich 32 Nationen an den Start. Das Programm ist allerdings deutlich enger gesteckt: Das Turnier dauert "nur" einen Monat (20. Juli bis 20. August 2023).

Lange Pause kommt DFB-Frauen gerade Recht

Die lange Pause bis zum Halbfinale - gegen Frankreich oder die Niederlande? - kommt den DFB-Frauen allerdings gerade Recht. "Das Spiel gegen Österreich war mental das anstregendste. Es stand lange 1:0 - und da hätte es durchaus noch mal eng werden können", erklärt Vizekapitänin Huth. "Wir müssen regenerieren und uns gut vorbereiten. Zwischendurch haben wir ja auch noch einen Reisetag. Wir können eh nichts daran ändern, also wir nehmen es an, wie es ist."

Durch den Gruppensieg haben die Deutschen den Spielplan auf ihre Seite gebracht. Drei Spiele im "heimischen" Brentford, das Halbfinale wird das zweite im nur 90 Auto-Minuten entfernten Milton Keynes. Die deutlich anstrengenderen Fahrten in Englands Norden haben sie sich erspart. "Das ist Luxus", betont Freigang.

Spielerinnen wissen, sich Wartezeit zu vertreiben

Die freie Zeit wird in der Regel gemeinsam genutzt. Auch am freien Samstag dürften wieder Fahrradausflüge und Spaziergänge, aber auch Aktivitäten im Hotel-Garten anstehen. Gwinn berichtet vom Wettstreit an Teq-Ball- oder Tischtennis-Platte. Bühl zieht es eher zu Darts oder an den Tisch zum Kartenspielen.

Jule Brand (l.) und Tabea Waßmuth vor der Tower Bridge

Jule Brand (l.) und Tabea Waßmuth beim Team-Bootsausflug vor der Tower Bridge

Wenn die offizielle Spielerin des Spiels Deutschland gegen Österreich davon spricht, "erst mal runterfahren, Kraft tanken und den Kopf frei kriegen" zu wollen, bezieht sie explizit ihre Mitspielerinnen mit ein. Und auch abends verschwinden nur wenige auf ihr Zimmer. "Wir sind viel draußen. Aber ich schaue auch viel Fußball. Ich habe fast jedes Spiel gesehen", erklärt Freigang. Dass "die Wartezeit nun immer länger wird", stört sie nicht sonderlich.

Gwinn hält Online-Präsentation während der EM

Gwinn gehört zu dem Teil des Teams, der während der EM noch fürs Studium büffelt. "Wir haben ja oft freie Nachmittage und da tut es mir gut, wenn ich etwas für den Kopf mache. Ich habe hier sogar schon online eine Präsentation gehalten", berichtet die 23 Jahre alte Sportmanagement-Studentin. Da dürfte wirklich keine lange Weile aufkommen.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 15.07.2022 | 20:15 Uhr