Mehrere nordirische Spielerinnen jubeln über ein Tor.

Zum ersten Mal bei der EM dabei Debütantinnen aus Nordirland wollen "einfach nur genießen"

Stand: 06.07.2022 13:57 Uhr

Die Nordirinnen sind als einziges Team in England zum ersten Mal bei einer Euro dabei und gehen als klare Außenseiterinnen ins Turnier. Die drei Gruppenspiele gegen Norwegen, Österreich und die Gastgeberinnen will die "Green & White Army" dennoch voll genießen.

"Manchmal werden Träume wahr" - die mehr geschrienen als gesprochenen Worte des TV-Kommentators gingen am 13. April 2021 in der nordirischen Hauptstadt Belfast im Jubel auf dem Platz und im Hupkonzert neben dem Stadion unter: Unter Corona-Bedingungen ohne Zuschauer im Stadion schrieb die Nationalmannschaft der Frauen damals Geschichte, als sie sich nach historischen Treffern von Marissa Callaghan und Nadine Caldwell mit einem 2:0-Erfolg im Play-off-Rückspiel gegen die Ukraine zum ersten Mal für eine Europameisterschaft der Frauen qualifizierte. Dem nordirischen Männer-Team war dieses Kunststück zur EM 2016 in Frankreich gelungen.

"Ich werde mich für den Rest meines Lebens an diesen Abend erinnern", sagte Stürmerin Simone Magill. Ihren Teamkolleginnen und ihr selbst wurde erst nach und nach bewusst, was sie da gerade erreicht hatten.

Gegner in der Vorrunde: Norwegen, Österreich und England

Knapp 14 Monate später wird nun aus dem Traum der Spielerinnen endlich Realität, wenn am Donnerstag (07.07.22, 21 Uhr MEZ live hier bei sportschau.de) in Southampton ihr erstes Spiel in Gruppe A gegen die stark eingeschätzten Norwegerinnen angepfiffen wird. Etwa 3.000 Fans aus der Heimat werden im Stadion dabei sein.

Große sportliche Erwartungen haben die Spielerinnen von Trainer Kenny Shiels für die EM nicht. Zwar betonen alle im Team, dass sie sich nicht kampflos geschlagen geben werden, das Erreichen des Viertelfinals liegt aber außerhalb jeder Vorstellungskraft. Zweiter Gegner ist am Montag (11.07.22, 18 Uhr MEZ) das Team aus Österreich, bevor zum Abschluss am zweiten Turnier-Freitag (15.07.22, 21 Uhr MEZ) mit dem EM-Mitfavoriten England der wohl schwerste Gegner wartet.

Kapitänin Callaghan und Co. krönen ihre Karriere

Die meisten Spielerinnen im nordirischen Team sind Amateure, sie arbeiten oder studieren neben dem Fußball, können davon - anders als viele andere Spielerinnen aus den EM-Teams - auch nicht leben. Der Mannschaft gehe es auch deshalb nur darum, "diese Reise einfach zu genießen", sagt Abwehrspielerin Sarah McFadden.

Dabei gehen die Erinnerungen auch immer wieder zurück: Vor knapp 20 Jahren hatte der nordirische Fußballverband die Frauen-Nationalmannschaft wegen Erfolglosigkeit quasi aufgelöst und sich für einen Neustart mit einem U-19-Nationalteam entschieden. Viele Spielerinnen, die damals im Juniorinnen-Bereich dabei waren, erleben jetzt die Krönung ihrer internationalen Karriere - etwa McFadden, Rekordnationalspielerin Julie Nelson (127 Einsätze seit 2004) oder die heutige Kapitänin Marissa Callaghan.

Die nordirische Nationalspielerinnen Rachel Furness (l.), Demi Vance (M.) und Julie Nelson (r.) jubeln nach einem Spiel.

Rachel Furness (l.), Demi Vance (M.) und Julie Nelson freuen sich auf ihre erste EM-Teilnahme.

Verletzungsprobleme im Team im Vorfeld des Turniers

Im Vorfeld des Turniers und auch schon in der entscheidenden Phase der Qualifikation im vergangenen Jahr machten Verletzungssorgen dem Team zu schaffen. So fehlte etwa die Schlüsselspielerin in der Offensive, Rachel Furness vom FC Liverpool, im entscheidenden Play-off-Rückspiel gegen die Ukraine - die fünffache Torschützin in der Quali jubelte nach dem Schlusspfiff mit hoch in die Luft gereckten Krücken zusammen mit ihren Teamkolleginnen auf dem Platz.

In diesem Frühjahr war dann die mit 36 Jahren so erfahrene Spielführerin Callaghan angeschlagen. Sie und die ebenfalls verletzte Abwehrspielerin Rebecca McKenna verpassten das letzte Testspiel vor Turnierbeginn Ende Juni (1:4 gegen Belgien), zum EM-Start in dieser Woche sollen aber alle Akteurinnen im 23er-Kader einsatzbereit sein.

Trainer Shiels: "Wir werden unser Bestes geben"

Der 66 Jahre alte Nationaltrainer Kenny Shiels, der das Team 2019 übernahm und zur ersten EM-Teilnahme führte, ist um seinen Job zumindest beim Turnier in England sicher zu beneiden: Das ganze Land freut sich mit ihm und seiner Mannschaft über den Auftritt mit den "Großen" der Branche, gegen die es in gewisser Weise nicht mehr zu verlieren gibt als eben ein Fußballspiel.

Die Nordirinnen werden auf Platz 47 der FIFA-Weltrangliste geführt, die Vorrundengegner England (8), Norwegen (11) und Österreich (21) haben ihnen viele Erfolge voraus. "Die Norweger sind sehr stark. Aber wir werden unser Bestes geben - und sehen dann, wohin uns das führt", sagte Shiels mit Blick auf das Auftaktspiel.

Nordirinnen sind stolz, in England dabei zu sein

Die Nordirinnen haben in ihrer Bilanz zehn Länderspiel-Niederlagen gegen England in zehn Partien, sechs Niederlagen (zuletzt zweimal 0:6 in der EM-Qualifikation) und einen Sieg gegen Norwegen sowie ein Unentschieden und eine Niederlage gegen Österreich stehen.

Im offensiven Hurra-Stil werden die EM-Debütantinnen in den drei Gruppenspielen also mit Sicherheit nicht auf den Platz gehen - dafür aber mit jeder Menge Spaß und wohl auch immer noch ein bisschen Verwunderung darüber, dass sie nun tatsächlich auf der großen Bühne dabei sein dürfen. "Wir sind so stolz darauf, unser Land Nordirland auf dem Platz zu vertreten", sagte Kapitänin Callahan kurz vor Turnierbeginn.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 06.07.2022 | 15:47 Uhr