Die Schweizerinnen Ramona Bachmann (l.) und Ana Maria Crnogorcevic

Portugal gegen die Schweiz Alles oder nichts zum Auftakt für die Underdogs

Stand: 09.07.2022 09:12 Uhr

In Gruppe C richten sich alle Augen auf Titelverteidiger Niederlande und Schweden. Für die Außenseiter Portugal und Schweiz ist das direkte Duell möglicherweise die einzige Möglichkeit zu punkten.

Entsprechend groß sind die Erwartungen vor dem Aufeinandertreffen der Underdogs am Samstag (09.07.2022/18 Uhr live im Ersten und bei sportschau.de) im Leigh Sports Village Stadium. "In einer Gruppe wie der unseren ist es unglaublich wichtig, dass wir im ersten Spiel mindestens einen Punkt holen. Wenn wir das erste Spiel verlieren, wird es sehr schwierig, die Gruppe zu überstehen", sagt der Schweizer Trainer Nils Nielsen. Die Vorgaben seines portugiesischen Kollegen gehen in eine ähnliche Richtung: "Unser Ziel ist es, besser abzuschneiden als im Jahr 2017", sagt Franciso Neto.

Heißt: Portugal müsste mindestens vier Punkte und damit einen mehr holen als beim Debüt 2017. Da gelang ihnen ein 2:1-Sieg gegen Schottland. Die Schweizerinnen, damals ebenfalls zum ersten Mal bei einer EM-Endrunde, rangen Topfavorit Frankreich ein mehr als achtbares 1:1 ab, schieden mit vier Zählern aber dennoch in der Vorrunde aus.

Portugals Nationalspielerin Diana Silva (l.) und Deutschlands Lena Oberdorf kämpfen um den Ball.

Diana Silva von Sporting Lissabon (l.) im Zweikampf mit Lena Oberdorf.

Voss-Tecklenburg: Überraschung in Gruppe C möglich

An der Seitenlinie stand damals Martina Voss-Tecklenburg, die ein gutes Jahr später als Bundestrainerin zum Deutschen Fußball-Bund wechselte. Voss-Tecklenburg hat den Schweizer Frauenfußball quasi wachgeküsst. Sie führte die "Nati" 2015 erstmals zu einer Weltmeisterschaft und das Team in Kanada direkt ins Achtelfinale. MVT beobachtet die Entwicklung in der Schweiz weiterhin sehr genau. Sie traut den Eidgenossinnen durchaus eine Überraschung zu: "Es ist sicher nicht so, dass man sagen könnte, der erste und zweite Platz in dieser Gruppe sind schon vergeben", sagt sie.

Nielsen führte Dänemark ins EM-Finale

Auch Voss-Tecklenburgs Nachfolger in der Schweiz weiß, wie man erfolgreiche Frauen-Teams formt. Nielsen schaffte es 2017 mit Dänemark bis ins EM-Finale - erst Gastgeber Niederlande stoppte "Danish Dynamite".

Schweizer Verband gleicht Prämien an

Der Frauenfußball hat sich auch in der Schweiz stetig weiterentwickelt und an Ansehen gewonnen. Das Schweizer Männer-Team um Granit Xhaka sandte vor dem Auftaktspiel eine Videobotschaft. Und der Verband hat in puncto Equal Pay ein Zeichen gesetzt: Bei den A-Nationalmannschaften sollen die Erfolgsprämien bis 2024 angeglichen werden.

Schweizerinnen bei Topclubs gefragt

Waren die Spielerinnen vor ein paar Jahren noch größtenteils in der deutschen Bundesliga oder in der eher schwach besetzten Schweizer Liga beschäftigt, stehen mittlerweile viele in den besten europäischen Ligen unter Vertrag: Rekord-Torschützin Ana-Maria Crnogorcevic stürmt beim FC Barcelona, Ramona Bachmann für PSG, Torhüterin Gaëlle Thalmann steht bei Betis Sevilla unter Vertrag, Noelle Maritz und Lia Wälti beim FC Arsenal.

"Alphapuma" Wälti vor 100. Länderspiel

Für Wälti, die frühere Potsdamerin, wird das Spiel gegen Portugal auch ein besonderes, weil es ihr 100. Einsatz im Nationaltrikot wäre. Beim Test gegen das DFB-Team (0:7) fehlte die 29-Jährige noch wegen Oberschenkelproblemen, gegen England (0:4) stand sie als Kapitänin wieder auf dem Platz. Das Schweizer Spiel steht und fällt mit der Mittelfeld-Lenkerin, deren Anführerrolle Nielsen mit der fantasievollen Zuschreibung "Alphapuma" adelte.

100 Länderspiele sind indes keine außergewöhnliche Bilanz im erfahrenen Schweizer Kader. Im "Club der Hunderter" sind aus dem aktuellen Team auch Crnogorcevic (135) und Bachmann (123). Die ehemalige Wolfsburgerin Noelle Maritz (93) und Thalmann (96) kratzen an der Marke.

Die Schweizer Nationalspielerin Lia Wälti in Aktion

"Alphapuma" nennt Trainer Nils Nielsen seine Anführerin Lia Wälti.

Portugal rückte für Russland nach

In jedem Fall gilt die Schweiz gegen Portugal als Favorit - das einzige Mal im Turnier, so viel ist sicher. Die Portugiesinnen hatten sich eigentlich gar nicht für das Turnier qualifiziert, rückten aber für Russland nach, das wegen Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine gesperrt wurde. Portugal war Russland in den Play-offs knapp mit 0:1 unterlegen.

Das portugiesische Team ist bekannt für die große Freude, mit der es Fußball spielt, gilt aber als nicht besonders diszipliniert und schwach bei Standards. "Wir wissen, dass die Schweiz ein gutes Team hat, aber wir gehen mit großer Überzeugung in das Spiel", sagt Mittelfeld-Regisseurin Jessica Silva von Benfica Lissabon. Trainer Neto würde dieses Selbstvertrauen mit einem guten Ergebnis gegen die Schweiz gern noch stärken: "Ein Sieg würde uns einen enormen Schub geben", sagt er, "und unsere Nerven vor den anderen Gruppenspielen beruhigen."