Die norwegischen Fußballerinnen bejubeln ein Tor gegen Nordirland.

Gruppe A Norwegen lässt EM-Debütant Nordirland keine Chance

Stand: 07.07.2022 23:47 Uhr

Der zweimalige Europameister Norwegen hat einen EM-Auftakt nach Maß hingelegt. Im St. Mary's Stadium in Southampton schlug der Favorit Debütant Nordirland mit 4:1 und setzte sich vor England an die Spitze der Gruppe A. Die Nordirinnen feierten trotzdem: ihr erstes Tor bei einem großen Turnier.

Von Ines Bellinger

Für das Team von Trainer Martin Sjögren war Nordirland wie schon in der Qualifikation zur Euro (6:0, 6:0) kein ebenbürtiger Gegner. Einer großen Erleichterung kam der gelungene Start ins Turnier am Donnerstagabend (07.07.2022) aber dennoch gleich. Denn mit Rückkehrerin Ada Hegerberg von Champions-League-Sieger Olympique Lyon ließen die Norwegerinnen das Trauma der EM 2017 in den Niederlanden hinter sich, als sie punkt- und torlos in der Vorrunde ausgeschieden waren.

Erster echter Gradmesser wird am Montag (11.07.2022/21 Uhr MESZ) das Duell mit England in Brighton. Die EM-Gastgeberinnen hatten im Eröffnungsspiel Österreich nur mit 1:0 geschlagen und rangieren in der Gruppe A damit zunächst hinter Norwegen.

Green & White steht zusammen

Die "Green & White Army" wurde im Stadion von zahlreichen Fans in den nordirischen Farben unterstützt. Sie feierten unverdrossen diesen besonderen Tag, der für das Frauen-Team den ersten Auftritt bei einem großen Turnier überhaupt markierte. In den Play-offs hatte sich die Auswahl von Kenny Shiels gegen die Ukraine durchgesetzt. Steven Davis, Kapitän der Männer-Nationalmannschaft, hatte dem Team am Donnerstagnachmittag noch via Twitter ein Motivationsfilmchen zukommen lassen: "Macht das Land stolz", sagte Davis mit Daumen-hoch-Geste.

Blakstad und Maanum stellen früh die Weichen

Verkäuferin, Lehrerin, Bestatterin - was sollten größtenteils Amateur-Kickerinnen aber ausrichten gegen ein Team, das bei jeder EM seit 1987 dabei war und dessen Protagonistinnen bei Topclubs in aller Welt unter Vertrag stehen? Das seit Januar im Trainingslager aufgebaute Teamgefüge bekam bereits nach zehn Minuten Risse. Nach einem schnellen Seitenwechsel über Hegerberg und Guro Reiten kam Julie Blakstad halblinks in Position. Ihr Flachschuss aus 14 Metern zischte ins linke Eck. Die nordirische Torhüterin Jacky Burns machte wie auch zwei Minuten später beim zweiten Gegentor durch Frida Maanum eine unglückliche Figur.

Graham Hansen macht ihr erstes EM-Tor

Burns war es dann aber zu verdanken, dass es für Nordirland nicht ganz bitter wurde. Angriffswelle auf Angriffswelle rollte in der ersten Hälfte Richtung Strafraum der Außenseiterinnen, die sich aus dieser Umklammerung nur selten befreien konnten.

Für das 3:0 benötigte Norwegen aber einen Elfmeterpfiff. Nadene Caldwell war beim Versuch, eine Flanke per Kopf zu klären, der Ball an den Arm gesprungen. Die finnische Schiedsrichterin Lina Lehtovaara zeigte nach Videobeweis auf den Punkt, Caroline Graham Hansen verwandelte (31.). Erstaunlich: Es war das erste EM-Tor der Topspielerin vom FC Barcelona, die mit 27 Jahren nun schon 97 Länderspiele (44 Treffer) absolviert hat. Für ihre überragende Vorstellung wurde die frühere Wolfsburgerin nach dem Abpfiff als "Spielerin des Spiels" ausgezeichnet.

Nelson mit Meilenstein für Nordirland

Im sicheren Gefühl des Sieges leisteten sich die Norwegerinnen kurz nach der Pause eine Schlafeinlage. Nach einer Ecke für Nordirland irrte Torhüterin Guro Pettersen etwas orientierungslos durch den Fünfmeterraum, ihre Mitspielerinnen konnten den Ball nicht klären und Innenverteidigerin Julie Nelson drückte eine Vorlage von Rachel Furness per Kopf über die Linie (49.).

Das erste Tor bei einem großen Turnier! Nordirland feierte diesen historischen Moment wie einen Sieg. Und es passte zur Dramaturgie, dass die 37-Jährige Nelson den Treffer erzielte, jene Frau, die schon beim kompletten Neustart der nordirischen Nationalmannschaft 2004 dabei war. "Als Verteidigerin erwartet man nicht, dass man das erste Tor schießt. Ich musste mich zweimal vergewissern, ob der Ball auch drin war", sagte sie später bei der BBC und schwärmte von der Atmosphäre: "Es war wie ein Heimspiel."

Die nordirischen Fußballerinnen bejubeln ein Tor gegen Norwegen.

Die Nordirinnen feiern ihr erstes Tor bei einem großen Turnier.

Die tapferen Frauen aus dem Nordosten der irischen Insel hatten bereits mehr erreicht, als sie sich vor dem Turnier erträumt hatten. Und ihre Fans begleiteten diesen Meilenstein mit nicht enden wollenden Gesängen. Es spielte für sie kaum eine Rolle, dass Reiten vom FC Chelsea per Freistoß (54.) das Ergebnis für Norwegen noch standesgemäß gestaltete.

Norwegen - Nordirland 4:1 (3:0)

Tore: 1:0 Blakstad (10.), 2:0 Maanum (13.), 3:0 Graham Hansen (31./Handelfmeter), 3:1 Nelson (49.), 4:1 Reiten (54.)
Zuschauer: 9.146
Schiedsrichterin: Lina Lehtovaara (Finnland)

Norwegen: Pettersen - Sönstevold (65. T. Hansen), Mjelde (81. Bergsvand), Thorisdottir, Blakstad (89. Jösendal) - Maanum (65. Böe Risa), Engen - Eikeland (65. Saevik), Graham Hansen, Reiten - Hegerberg

Nordirland: Burns - Burrows (65. Holloway), Nelson, McFadden, Vance - Furness (74. K. McGuinness), McCarron, Caldwell (46. Callaghan) - Magee, Wade (80. Wilson), Magill (79. C. McGuinness)

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 09.07.2022 | 17:45 Uhr