Mehrere schwedische Nationalspielerinnen enttäuscht beim EM-Spiel gegen England auf dem Platz.

Nach Halbfinal-Aus bei EM Schwedens Nationalmannschaft steht vor einem Umbruch

Stand: 27.07.2022 15:38 Uhr

Die Enttäuschung nach der Halbfinal-Niederlage gegen England und einer insgesamt durchwachsenen EM ist groß. Ungewiss ist nicht nur, ob Keeperin Hedvig Lindahl weitermacht. Im Team des Olympia-Silbermedaillengewinners von Tokio 2021 steht mit Blick auf die nächsten großen Turniere ein Umbruch bevor.

Von Uli Petersen

Hätte, wäre, wenn ... In den ersten 15 Minuten des EM-Halbfinals hatten Sofia Jakobsson und Stina Blackstenius zwei Großchancen zur Führung für Schweden. Sie ließen sie ungenutzt - einmal mit dem Fuß, einmal mit dem Kopf. Am Ende rächte sich das: England schüttelte sich, ging nach gut einer halben Stunde in Führung und gewann die Partie nach einer furiosen zweiten Hälfte klar und deutlich mit 4:0.

"Wenn man nicht effektiv ist, kann man keine Fußballspiele gewinnen, so ist das nun mal", fasste Stürmerin Fridolina Rolfö vom FC Barcelona den Verlauf der Partie zusammen. Trainer Peter Gerhardsson zog mit ähnlichen Worten eine ernüchternde Bilanz: "Wenn man gegen einen solchen Gegner antritt, muss man seine Chancen nutzen."

Schwedische Medien urteilen hart

Während sich rings um sie herum auf den Tribünen an der Bramall Lane in Sheffield die englischen Fans mit "Football is coming home"-Gesängen aufs Finale einstimmten, trauerten die Schwedinnen und ihr Coach dem verpassten Finaleinzug hinterher. Die heimische Presse ging später hart mit ihnen ins Gericht: Ein "Albtraum" sei das Spiel gewesen, befand die Zeitung "Expressen", während das "Aftonbladet" von einer "Demütigung" durch die Engländerinnen schrieb.

Enttäuschung vor allem bei den erfahrenen Spielerinnen

Dieser Schlagzeilen hätte es gar nicht bedurft, die Enttäuschung bei den Olympia-Silbermedaillengewinnerinnen ist auch so riesengroß - vor allem bei den erfahrenen älteren Spielerinnen. Die Karrieren von Torhüterin Lindahl (39 Jahre), Caroline Seger (37), Linda Sembrant (35) nähern sich dem Ende, auch Kosovare Asllani (32) und Jakobsson (32) werden nicht mehr ewig spielen können. Für sie alle war es vielleicht schon die letzte Chance auf einen Titelgewinn mit der Nationalmannschaft.

"Es ist schwer, Worte zu finden, wenn man so deutlich verliert", sagte Mittelfeldspielerin Jakobsson. Teamkollegin Magdalena Eriksson hatte Tränen in den Augen, als sie nachdem Spiel Interviews gab. Und Nathalie Björn fasste sich kurz: "Es fühlt sich scheiße an."

Lindahl: "Vielleicht kann es jemand besser"

Keeperin Lindahl bestritt im EM-Halbfinale ihr 189. Länderspiel - es war vielleicht ihr letztes, auf jeden Fall aber eines ihrer schlechteren. Beim spektakulären Hacken-Tor von Alessia Russo zum 0:3 rollte ihr der Ball durch die Beine, beim Schuss von Fran Kirby zum 0:4 reagierte sie ebenfalls nicht gut.

Gut möglich, dass Lindahl nach der Sommerpause nicht mehr für die Nationalmannschaft auflaufen wird. "Vielleicht ist es an der Zeit, dass jemand anderes zeigt, was er kann. Vielleicht kann es jemand besser", sagte sie dem Rundfunksender SVT. Rückblickend betrachtet, so sagte die 39-Jährige unter dem Eindruck des Halbfinal-Ausscheidens, wäre es vielleicht besser gewesen, schon nach dem ebenfalls verlorenen Olympia-Finale gegen Kanada im vergangenen Jahr aufzuhören.

Erster und einziger Titelgewinn gelang 1984

In England hatte die "Damlandslaget" als Olympia-Zweiter von Tokio, WM-Dritter von 2019 und aktueller Weltranglisten-Zweiter eindeutig zum Favoritinnen-Kreis gezählt.

Die Sehnsucht nach einem Titel ist bei den Skandinavierinnen auch durchaus vorhanden: Vor 38 Jahren, bei der ersten Fußball-EM der Frauen 1984, hatten die Skandinavierinnen im Endspiel England besiegt. 1987 (1:2 gegen Norwegen), 1995 (2:3 gegen Deutschland) und 2001 (0:1 gegen Deutschland) folgten drei weitere EM-Finals, die allesamt verloren gingen - genauso wie das WM-Finale 2003 gegen Deutschland (1:2)

Nächster Anlauf bei der WM 2023

Das aktuelle Turnier in England verlief für die Weltranglisten-Zweiten insgesamt durchwachsen. Nur beim 5:0 in der Gruppenphase gegen Portugal gelang ein klarer Sieg, in den anderen Partien konnte das Team nie über die gesamte Spielzeit überzeugen - auch gegen England klappte das nur eine halbe Stunde lang. Insgesamt zeigten die Schwedinnen vor allem offensiv zu wenig, um mehr zu erreichen als ihre fünfte EM-Halbfinal-Teilnahme.

Bei den nächsten großen Turnieren - der WM 2023 in Australien und Neuseeland, Olympia 2024 in Paris und der EM 2025 - wird die schwedische Mannschaft möglicherweise schon mit vielen neuen Gesichtern auflaufen. Der 62 Jahre alte Coach Gerhardsson, der die Nationalmannschaft seit 2017 betreut, kann sich über zu wenig Arbeit in nächster Zeit auf jeden Fall nicht beklagen - wenn man ihn denn weiterarbeiten lässt.

Die schwedischen Fußballspielerinnen feiern das 3:0.

Die Schwedinnen wollen in Zukunft wieder öfter jubeln als bei der EM in England.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 26.07.2022 | 20:15 Uhr