Die deutschen Fußballerinen jubeln

Deutschland gegen Österreich EM-Viertelfinale - wer zuletzt feiert, feiert am besten

Stand: 21.07.2022 18:25 Uhr

Österreich mit seinen vielen Bundesliga-Spielerinnen ist wahrlich kein unbekanntes Team für Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg und Co. Der Respekt vor dem Viertelfinalgegner bei der Fußball-EM ist groß - die Zuversicht bei den Deutschen aber auch.

Von Florian Neuhauss (London)

Österreich ist eine der Überraschungen bei dieser EM und schließt nahtlos an das starke Turnier vor fünf Jahren an - wie schon in den Niederlanden wissen die Österreicherinnen ihre Siege auch gebührend zu feiern. Party in der Kabine und Stürmung der Pressekonferenzen nach dem Spiel inklusive.

Durch Social Media sind die Videos dazu hinlänglich bekannt. Auf den feierwütigen nächsten Gegner im Viertelfinale am Donnerstagabend (21.07.2022/21 Uhr, live im Ersten und bei sportschau.de) angesprochen, blieb die deutsche Verteidigerin Sara Doorsoun allerdings ganz cool: "Über den Sieg entscheidet nicht, wer besser feiern kann. Aber eins ist sicher: Wir können auch feiern."

Es wird wahnsinnig intensiv. Ich weiß nicht, ob es 95, 96 oder 120 Minuten dauern wird. Aber wir und auch Österreich wollen nicht so lange spielen.
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg

Deutschland hat es sich und den anderen gezeigt

Und Deutschland hatte in der Vorrunde ja selbst genug zu feiern - nicht von ungefähr wird das Team von Trainerin Martina Voss-Tecklenburg überall als einer der Favoriten genannt. Sportschau-Expertin Nia Künzer sagte in ihrem Vorrundenfazit: "Die Spielerinnen haben sich selbst, aber auch der Öffentlichkeit gezeigt, was sie können. Zuletzt war ja schon der Eindruck entstanden, Deutschland gehöre nicht mehr zu den Top-Favoriten. Aber das haben sie richtiggestellt."

"Wir sind im Moment in einer guten Form, die wollen wir zeigen und wollen eine Runde weiterkommen", sagte MVT und fügte hinzu: "Ich bin gerne Favorit, weil das zeigt, dass wir bisher tolle Leistungen gebracht haben. Aber am Ende gewinnst du nur alleine dadurch nichts."

Dallmann: "Das wird sehr, sehr spannend"

Das Viertelfinal-Duell unter Nachbarn ist auch eines unter Freundinnen. Denn viele Österreicherinnen spielen aktuell oder spielten früher in der Bundesliga (insgesamt 18 von 23 aus dem EM-Kader). "Die Mädels sind keine Unbekannten. Ich freue mich sehr auf das Duell. Das wird sehr, sehr spannend", sagte Linda Dallmann.

Die Österreicherinnen spielen so ein bisschen mit ihrer Außenseiterrolle, fühlen sich aber gleichzeitig unterschätzt und sind extremst motiviert.
Sportschau-Expertin Nia Künzer

Ein Dutzend Spielerinnen des Kaders stehen aktuell in Deutschland unter Vertrag. Allein vier spielen für Eintracht Frankfurt. "Natürlich haben wir uns nach den Siegen gegenseitig beglückwünscht. Aber wir wollen ihnen jetzt einen Strich durch die Rechnung machen", betonte Laura Freigang, die wie die Österreicherinnen Verena Hanshaw, Virginia Kirchberger, Barbara Dunst und Laura Feiersinger am Main zu Hause ist.

Entspannung zum Wochenstart, dann Hochspannung

Die deutsche Mannschaft ließ es bei der Londoner Hitze in den vergangenen Tagen ein bisschen ruhiger angehen. Am Montag (18.07.2022) war frei, eine größere Gruppe machte eine Radtour in der Stadt, ging zusammen einen Kaffee trinken und noch eine Runde spazieren. "Es ist schön zu sehen, dass wir als Mannschaft auch an einem freien Tag nicht genug voneinander bekommen können", sagte Felicitas Rauch vor dem Training am Dienstagvormittag.

Das sollte "kurz und knackig" werden, kündigte Co-Trainerin Britta Carlson an. An der geplanten Bootstour auf der Themse am Nachmittag bei Temperaturen um die 40 Grad Celsius nahm nur eine Handvoll Spielerinnen teil. Der Rest blieb lieber im Hotel. Am Abend gab es dann einen Wolkenbruch, sodass die Bedingungen beim Abschlusstraining und auch beim Spiel (um die 20 Grad Celsius) viel besser sind.

In der K.o.-Runde starten alle wieder bei null

Mittlerweile gilt die volle Konzentration Österreich. Deutschland geht das Duell selbstbewusst an: "Uns ist klar, dass wir gute Chancen haben weiterzukommen, wenn wir unsere Qualitäten auf den Platz bringen", betonte Rauch in dem Wissen: "9:0 Tore in der Vorrunde sprechen erst mal für sich. Aber jetzt beginnt die K.o.-Phase, da hilft uns nicht mehr weiter, was war. Wir müssen wieder genauso abliefern."

Voss-Tecklenburg betonte: "Das wird kein Spaziergang. Im Viertelfinale stehen die acht besten Teams Europas - und dazu gehört auch Österreich." Davon ist auch Künzer überzeugt. "Ich erwarte ein enges Spiel", sagte die Weltmeisterin von 2003. "Die Österreicherinnen spielen so ein bisschen mit ihrer Außenseiterrolle, fühlen sich aber gleichzeitig unterschätzt und sind extremst motiviert. Ich bin gespannt, ob sie ihre Motivation im Zaum halten können, oder ob sie überdrehen."

Carlson: "Österreich genauso Mentalitätsmonster wie wir"

Nach der Analyse des Sieges gegen Finnland sollte das deutsche Team an der Genauigkeit der Flanken arbeiten. Genauso wie an der Besetzung der gefährlichen Zone vor dem Tor. Zumal genau das neben der Defensive (nur das eine Gegentor gegen England) zu den großen Stärken Teams Austria gehört: "Österreich ist genauso ein Mentalitätsmonster wie wir. Wir wissen, was auf uns zukommt. Die Mannschaft flankt aus vielen Positionen, versucht, sofort das Tor zu machen und ist auch bei Standards gefährlich", warnte Carlson.

Nach Corona-Infektion: Schüller wohl als Joker dabei

Gegen wahrscheinlich tief stehende Österreicherinnen müsse das Team geduldig bleiben und immer wieder den Weg zur Grundlinie suchen. "Poppi und Schüller, wenn sie wieder fit ist, kannst du blind auf dem Kopf anspielen, die machen neun von zehn Dingern rein. Und es war auch toll, dass Sophe (Anm.d.Red.: Sophia Kleinherne) in der Box aufgetaucht ist und ihre Birne hingehalten hat", sagte Rauch lachend.

Während Ersatztorhüterin Almuth Schult wegen eines fiebrigen Infekts das Viertelfinale verpassen wird, soll Lea Schüller nach ihrer überstandenen Corona-Infektion zumindest wieder eine Alternative von der Bank sein. Und auch wenn ihre Mitspielerinnen zuletzt beim Feiern der Siege immer ihr Trikot dabei hatten, dürfte die deutsche Party noch ein bisschen ausgelassener ausfallen, sollte es mit dem Sieg gegen Österreich klappen. Denn feststeht - frei nach Sara Doorsoun: Wer zuletzt feiert, feiert am besten.

Mögliche Aufstellung gegen Österreich

Frohms - Gwinn, Hendrich, Hegering, Rauch - Magull, Oberdorf, Däbritz - Huth, Popp, Bühl