Die deutschen Spielerinnen jubeln nach Abpfiff
analyse

2:1-Erfolg im Halbfinale Deutschland stutzt Frankreich die Flügel und erreicht Traumfinale

Stand: 28.07.2022 10:35 Uhr

Deutschland hat sich einmal mehr mit tollem Teamgeist einen Sieg verdient - und ist durch das 2:1 gegen Frankreich ins Traumfinale dieser Europameisterschaft gegen England eingezogen. Die Mannschaft war taktisch erneut bestens eingestellt, konnte sich auf Kapitänin Alexandra Popp verlassen und darf fürs Endspiel sogar wieder auf Klara Bühl hoffen.

Von Florian Neuhauss (Milton Keynes)

Auf einmal war auch Klara Bühl in Milton Keynes auf dem Rasen. Ihr Freund hatte die 21-Jährige, die wegen ihrer Corona-Infektion in London geblieben war, über Facetime angerufen und reichte das Smartphone nach dem 2:1-Sieg gegen Frankreich aufs Spielfeld weiter. "Klara hatte einen großen Anteil daran, dass wir im Turnier überhaupt so weit gekommen sind", erklärte Linda Dallmann. "Deshalb wollten wir ihr etwas zurückgeben."

Ich bin jetzt seit zehn Jahren in der Nationalmannschaft. Und ich muss sagen: So einen Teamspirit habe ich noch nie erlebt.
Kapitänin Alexandra Popp

Diese Geste war ein weiteres Zeichen dafür, dass die 23 Spielerinnen zu einer echten Einheit zusammengewachsen sind. Dass unterstrich auch Kapitänin Alexandra Popp, die eigentlich guten Grund gehabt hätte, sich nach ihren beiden Toren ordentlich abfeiern zu lassen: "Ich bin jetzt seit zehn Jahren in der Nationalmannschaft. Und ich muss sagen: So einen Teamspirit habe ich noch nie erlebt."

Um die Tragweite ihrer Worte zu verstehen, muss man wissen, dass in ihre Karrierezeit einer der größten Erfolge überhaupt im deutschen Fußball fällt: Die 31-Jährige gehörte zur deutschen Auswahl, die 2016 in Rio de Janeiro Olympia-Gold gewonnen hat.

Auch der fünfte Matchplan bei der EM geht auf

Und mittlerweile gehört nicht mehr so viel Fantasie dazu zu sagen, dass Deutschland in diesem Jahr zum ersten Mal seit neun Jahren, als Popp ihre erste EM verletzt verpasste, wieder Europameister werden kann.

Einerseits waren die Spielerinnen schon kurz nach dem Abpfiff wieder voller Vorfreude auf das Endspiel gegen England am Sonntag (31.07.2022/18 Uhr MESZ, live im Ersten und bei Sportschau.de). "Wir können es kaum erwarten und sind froh, dass es diesmal nur drei Tage Pause sind", sagte Dallmann. Und Sydney Lohmann ergänzte: "Deutschland gegen England ist das Traumfinale. Und es spielt überhaupt keine Rolle, ob die 90.000 Zuschauer am Sonntag für oder gegen uns sind."

Andererseits hat das Team einmal mehr eindrucksvoll bewiesen, zu welcher taktischen Flexibilität es imstande ist. Von den zu Recht hochgelobten schnellen französischen Außenangreiferinnen war kaum etwas zu sehen. "Es ist sehr viel von dem aufgegangen, was wir uns vorgenommen hatten", freute sich Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg.

Auch Brand überzeugt bei ihrem EM-Startelf-Debüt

Wie die Arbeitsbienen hatten sich die deutschen Spielerinnen immer wieder auf die ballführende Französin gestürzt. Svenja Huth, die auf die linke Seite gewechselt und unfassbar viel unterwegs war, eilte bei fast jedem Angriff Frankreichs über die linke Seite Außenverteidigerin Felicitas Rauch zur Hilfe. Und auch auf der anderen Seite, auf der Giulia Gwinn Superstar Delphine Cascarino komplett abmeldete, war Rechtsaußen Jule Brand kein Weg zu weit.

Vom kleinen Rädchen bis zum großen Rad hat einfach alles gepasst.
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg

Überhaupt verdiente sich die erst 19-Jährige bei ihrem ersten EM-Einsatz von Beginn an ein Sonderlob. Mit großer taktischer Reife und nimmermüden Beinen glänzte die für ihren Offensivgeist geschätzte Neu-Wolfsburgerin vor allem defensiv.

Voss-Tecklenburg pries die Leistung ihrer Mannschaft als "gemeinschaftlichen und großartigen Teamerfolg. Vom kleinen Rädchen bis zum großen Rad hat einfach alles gepasst." Die Mischung in der Mannschaft passe "extrem gut".

Wird Bühl rechtzeitig zum Finale wieder fit?

So konnte das Team sogar verkraften, dass Spielmacherin Lina Magull gegen Frankreich eigentlich nie so richtig ins Spiel fand. "Wir sind alle füreinander gelaufen", sagte Gwinn. "Wenn eine ausgespielt wurde, war die andere da."

Und nach der Auswechslung von Sara Däbritz und Magull waren eben Lohmann und Dallmann da. "Ich hatte einfach Energie und Bock", sagte Lohmann, die frischen Wind ins Spiel brachte. Hier eine clevere Spielverlagerung, da eine starke Defensivaktion mit Kopfball, Sprint und geblocktem Schuss. Mit diesem unbedingten Willen hatte auch die Jokerin ihren Anteil am Erfolg.

Voss-Tecklenburg setzt darauf, dass der Entwicklungsprozess ihrer Mannschaft noch nicht beendet ist - und schielt natürlich auf ihren ersten Titel als Nationaltrainerin. Dabei helfen könnte womöglich auch wieder Klara Bühl, deren Trikot Lohmann nach dem Spiel in Milton Keynes über den Rasen trug. "Wenn Klara bis Sonntag wieder negativ und weiter ohne Symptome ist, schauen wir mal, was passiert", ließ MVT wissen.