FC Barcelona, Riesenkulisse, Women's Champions League

Vor Champions-League-Start Neues Level für den Frauenfußball möglich

Stand: 18.08.2022 13:11 Uhr

Im europäischen Frauenfußball liegt enormes Wachstumspotenzial. Deutlich mehr Medien, Sponsoren und Fans sollten sich laut UEFA bald dafür begeistern.

Ziemlich viel Fußball-Prominenz war am 31. Juli dieses Jahres am noblen Grosvenor Square in London zusammengekommen. Die Dachorganisation UEFA hatte zu einem hochkarätig besetzen "Final Forum" mit dem Slogan "Raise the bar" – das Level heben – geladen, um am Tag des EM-Endspiels zwischen England und Deutschland (2:1 n.V.) den großen Bogen über ein Turnier zu spannen, das tatsächlich neue Horizonte eröffnet hat.

Das flirrende Finale, die imposante Kulisse in Wembley, Rekordeinschaltquoten in England wie Deutschland belegten, welches Potenzial im Frauenfußball schlummert. "Es war ein beeindruckendes Turnier. Wir haben viel erwartet - aber so viel haben wir nicht erwartet", sagte UEFA-Präsident Aleksander Ceferin.

Wachtstumspotenziale in vielen Bereichen

"Eine Menge Leute haben vorher gezweifelt, jetzt bewundern sie dieses Turnier." Der Slowene betonte, dass "Sponsoren, TV-Anstalten und alle anderen" gefordert seien, die Entwicklung voranzutreiben. "Die Entwicklung muss weitergehen, genauso wie im Männerfußball." Der 54-Jährige empfahl mit einem Augenzwinkern allen Topmarken, in den Frauenfußball zu investieren, "noch ist es nicht so teuer".

Pünktlich zum Start der 1. Qualifikationsrunde für die Women's Champions League – Eintracht Frankfurt ist bei einem Mini-Turnier beim dänischen Vertreter Fortuna Hjørring gefordert - hat die UEFA eine Studie vorgelegt, die sich wie eine Handlungsanweisung zum Investment liest. Der Bericht ("The Business Case for Women's Football") will belegen, warum es sich lohnen kann, auf den Zug aufzuspringen. Gefragt wurden 42 Ligen, 162 Klubs, die Klubvereinigung ECA, Sponsoren, Verbraucher und Fans. Quintessenz: Noch ist das Wachstumspotenzial enorm.

Da ist zum einen die wirtschaftliche Perspektive. Noch ist der Frauenfußball für die großen Männermarken ein Investment. Doch die Uefa geht davon aus, dass sich der kommerzielle Wert des Frauenfußball in den nächsten zehn Jahren auf die sagenhafte Summe von 686 Millionen Euro versechsfachen könnte. Allein das Klubsponsoring soll bis 2033 dann 295 Millionen Euro einbringen.

Für viele scheinen die Zahlen ziemlich hochgegriffen, aber vielleicht sind solche Sprünge ja wirklich möglich. Nadine Keßler, Uefa-Frauenfußballchefin, sagt: "Der Frauenfußball befindet sich auf einem unglaublich spannenden Weg, mit Wachstum in fast allen Bereichen und bei allen unseren Interessensgruppen in ganz Europa." Man können in Sphären gelangen, "die noch vor wenigen Jahren unvorstellbar waren", sagt die 34-Jährige.

Das Publikum ist diverser und jünger

Viele große Marken investieren erst seit kurzem bewusst, um einer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden, aus der sich ein Imagegewinn ergibt. Schon jetzt gebe es 144 Millionen Fans des Frauenfußballs in ganz Europa, heißt es in dem UEFA-Report, bis 2033 könnten es 328 Millionen werden. Jeder dritte Fan sei neu, das Publikum generell diverser und jünger.

Das deckt sich mit den Eindrücken aus der EM in England. Die 574.875 Zuschauer (Schnitt 18.544) beim Turnier rekrutierten sich aus einem bunten Mix, das Publikum setzte sich zu fast gleichen Teilen aus Frauen, Männern sowie Jugendlichen zusammen. Das Turnier hat genau jenen Schwung mitgenommen, den in diesem Frühjahr bereits die Women's Champions League entfachte.

Women's Champions League als wichtigster Treiber

Die prall gefüllten Ränge des Camp Nou, als der FC Barcelona mit Weltfußballerin Alexia Putellas bei seinen Torfestivals gegen Real Madrid bzw. VfL Wolfsburg jeweils Rekordkulissen mit mehr als 91.000 Menschen begrüßte, sind von bleibendem Erinnerungswert. Parallel haben Topmarken wie Champions-League-Rekordsieger Olympique Lyon, Paris St. Germain, FC Arsenal, FC Bayern oder VfL Wolfsburg die großen Männer-Stadien bespielt und teils gut gefüllt.

Die weibliche Königsklasse spielt den vielleicht wichtigsten Treiber für die Entwicklung. In der Vorsaison gab es erstmals eine Gruppenphase mit 16 Teams, eine zentrale Vermarktung (bei der zunächst 24 Millionen Euro ausgeschüttet werden) und eine professionelle TV-Produktion. Das hat die Sichtbarkeit und Präsenz erhöht. Die Eckpfeiler der Reform stimmen.

Das Nadelöhr für die Topteams ist fragwürdig

Fragwürdig wirkt seit dem Relaunch nur, dass sich bereits in der Qualifikation hochkarätige Teams aus England, Deutschland, Spanien und Frankreich eliminieren müssen, damit möglichst viele Länder in die Gruppenphase kommen. So treffen Real Madrid und Manchester City, wohl schon am Sonntag in einem Endspiel eines Mini-Turniers aufeinander.

Die Frankfurterinnen als Bundesliga-Dritter müssen nicht nur gegen Fortuna Hjørring, sondern auch am Sonntag ein mögliches Endspiel gegen Ajax Amsterdam oder Kristianstads DFF aus Schweden gewinnen, um überhaupt in die Playoff-Runde einzuziehen. Eintracht-Trainer Niko Arnautis hat bereits durchklingen lassen, dass er nichts gegen eine Erweiterung auf 32 Teams analog zu den Männern einzuwenden hätte.

Allerdings ist das Format bis zur Saison 2024/2025 mit den Rechteinhabern festgezurrt. So lange müssen sich auch deutsche Klubs auf ein anspruchsvolles Nadelöhr einstellen. Vizemeister Bayern München greift Ende September in die zweite Playoff-Runde ein. Möglich ist dann bereits ein Kräftemessen mit Paris St. Germain, Real Madrid oder Manchester City.