Englands Harry Maguire

FIFA WM 2022 Harry Maguire - Auferstanden aus Englands Spott

Stand: 09.12.2022 19:42 Uhr

England Abwehrboss Harry Maguire ist der vielleicht meistverspottete Fußballer Englands. Bei der WM spielt er bislang stark - doch im Viertelfinale am Samstag (10.12.2022) gegen Frankreich wartet der denkbar härteste Job.

Maguire muss seinen Defensivverbund gegen den Führenden und einen der Zweitplatzierten der aktuellen WM-Torjägerliste organisieren: Superstar Kylian Mbappé trumpfte bisher mit fünf Toren und zwei Assists auf, Olivier Giroud hat auch schon dreimal getroffen.

Das erste Statement wird Maguire dabei wie in den bisherigen vier Partien in Katar bereits bei der Nationalhymne setzen: Die singt er so stolz, entschlossen und inbrünstig wie kein anderer in seiner Mannschaft.

Dass Maguire bei den "Three Lions" überhaupt einen felsenfesten Stammplatz hat, ist in seiner Heimat ein viel diskutiertes und noch viel öfter belächeltes Thema. Zu oft hat sich der 1,94 Meter große und 90 Kilo schwere Abwehrspieler schon Slapstickeinlagen geleistet, die ihn zum Lieblingsopfer in den Sozialen Netzwerken machen.

"Dolt" und "Clumsy", Tölpel und Tolpatsch, das sind zwei seiner treuesten Begleiter, wenn mal wieder über das Missverhältnis zwischen den 87 Millionen Euro, die sich Manchster United seine Verpflichtung aus Leicester 2019 kosten ließ, und seiner Gegenleistung auf dem Rasen gelästert wird.

Harte Worte von van der Vaart

Es sind keineswegs nur die vielen anonymen Spötter bei Twitter und Co., die über Maguire herziehen. Der langjährige niederländische Nationalspieler Rafael van der Vaart beispielsweise sagte als TV-Experte über den Koloss aus Sheffield: "Spieler wie Maguire findest du bei jedem Amateurklub in Holland. Ich glaube, er geht jeden Tag nach Hause und erzählt seiner Frau: 'Ich bin so schlecht beim Fußball, aber ich verdiene so viel. Sie glauben wirklich, dass ich gut bin'."

Dass der 29-Jährige wirklich gut ist, daran scheint sein Vereinstrainer auch schon länger zu zweifeln. Erik ten Hag kann mit Maguire offenbar gar nichts anfangen, hat den Kapitän konsequent zum Ersatzspieler degradiert. Der Niederländer, qua Herkunft ein Freund des technisch hochwertigen Aufbauspiels aus der Abwehr heraus, plant sogar laut britischen Medien, Maguire im Sommer vorzeitig zu verkaufen, um mit einer möglichst hohen Ablöse einen Neustart mit einem besseren Fußballer als ihm voranzutreiben.

Ein treuer Trainer und starke Statistiken

Englands Nationaltrainer Gareth Southgate hat da einen komplett anderen Ansatz. Gegen alle Widerstände in der Heimat erklärte er vor dieser Weltmeisterschaft Maguire für unverzichtbar: "Harry hat einen riesigen Anteil daran, dass wir zwei große Turnierperformances hingelegt haben. Wir wollen, dass er das zum dritten Mal tut."

Hält treu an Harry Maguire fest: Englands Nationalcoach Gareth Southgate

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Und Maguire dankt es ihm mit dem, was er kann: Zweikämpfe gewinnen, hohe Bälle per Kopf aus der Gefahrenzone donnern, bei Offensivstandards mit nach vorne gehen und für Unruhe sorgen und ansonsten den Spielaufbau möglichst seinen Nebenleuten überlassen.

Auch die Zahlen sprechen für ihn: 70 Prozent seiner bisher 50 Zweikämpfe in vier WM-Partien hat er gewonnen. Seine Passquote beim 3:0 über den Sénégal im Achtelfinale lag bei ordentlichen 82 Prozent, zuvor beim 3:0 gegen Wales waren es sogar 90.

Sein Nebenmann John Stones lobt das Zusammenspiel mit Maguire: "Wir haben diese Partnerschaft, wie wir sie immer hatten. Harry hat die beste Antwort auf dem Platz gegeben, man muss ihm großen Respekt zollen. Er macht es sehr gut in diesem Turnier."

"Großer Glaube an mich selbst"

Maguire selbst hat offenbar die Fähigkeit, die Schmähungen relativ gelassen an sich abprallen zu lassen. "Ich habe einen großen Glauben an micht selbst", sagt er: "Natürlich mag es niemand, kritisiert zu werden. Aber ich denke, das ist Teil dieses Spiels."

Ob die Kritiker leiser werden oder gar verstummen, wenn Maguire gegen Olivier Giroud, Kylian Mbappé, Antonie Griezmann und Ousmane Dembélé besteht und England am Samstag ins Halbfinale führt, bleibt abzuwarten. Ein gutes Omen aus den beiden vergangenen Turnieren nimmt er mit ins Viertelfinale gegen den besten Sturm der Welt - in der Runde der letzten Acht trifft er nämlich gerne selbst.

Bei der WM 2018 gelang ihm im Viertelfinale gegen Schweden ein Tor, bei der EM 2021 im Viertelfinale gegen die Ukraine ebenfalls. Maguire muss also nicht nur auf die Franzosen aufpassen, sondern die Franzosen auch auf Maguire.