Australien Cheftrainer Graham Arnold umarmt Aaron Mooy

FIFA WM 2022 Teamgeist statt Qualität - Australien will überraschen

Stand: 21.11.2022 16:38 Uhr

Australien ist in der Gruppe D mit Weltmeister Frankreich, Geheimfavorit Dänemark und Tunesien krasser Außenseiter. Der Kader der "Socceroos" hat vergleichsweise wenig Qualität und Tiefe. Daher beschwört Coach Graham Arnold den Zusammenhalt und setzt auf Psycho-Tricks.

Barfuß über Glasscherben hat der 59-Jährige seine Spieler nicht laufen lassen. Sie mussten auch nicht mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug springen, um Ängste zu überwinden und Mut zu beweisen. Und natürlich hat Arnold, der Mann mit der hohen Stirn und dem ansteckenden Lächeln, sein kickendes Personal auch nicht zu einem Hypnotiseur geschickt, um ihren Bewusstseinszustand zu verändern. Dafür aber hat der Nationaltrainer in den vergangenen Tagen auch für Außenstehende eindrucksvoll mit Worten jongliert, um sein Team stark zu reden.

Coach Arnold: "Eine Gruppe der Träume"

Mit Blick auf die von der Papierform her übermächtige Konkurrenz in der Vorrunde sagte Arnold selbstbewusst: "Ich denke, wir sind definitiv Außenseiter. In Australien sagen die Leute Todesgruppe dazu. Aber ich nenne sie die Gruppe der Möglichkeiten oder die Gruppe der Träume." Namen sind für den aus Sydney stammenden Fußballlehrer offenbar nur Schall und Rauch. Er kündigte vor Australiens WM-Auftaktpartie am Dienstag (22.11.2022, 20 Uhr) im Al-Janoub-Stadium gegen Frankreich jedenfalls an, über den aktuellen Titelträger im Kreise seiner Mannschaft nicht viele Worte verlieren zu wollen.

"Wenn wir uns zu sehr auf den Gegner konzentrieren, können wir unseren Spielern nur sagen, wie gut dieser ist. Wir kennen unsere Stärken. Es ist das Duell von elf blauen Trikots gegen elf gelbe Trikots", erklärte Arnold und fügte kämpferisch hinzu: "Und wir haben diese australische DNA. Wir werden rausgehen, kämpfen, Fußball spielen und kratzen. Wir werden tun, was immer nötig ist."

Mit "Glaube, Energie und Fokus" ins Achtelfinale?

Er habe versucht, drei Schlüsselwörter in die Köpfe seiner Spieler zu "pflanzen", verriet der Coach. Dabei handele es sich um die Begriffe "Glaube, Energie und Fokus". Das Erreichen des Achtelfinales ist für Arnold das klare Ziel. Er wolle die Nation mit großartigen Leistungen "stolz" machen, sagte der Trainer. Die Frage muss mit Blick auf sein Aufgebot jedoch erlaubt sein, ob zwischen australischem Anspruch und australischer Realität nicht eine fast schon riesige Lücke klafft.

Keine Topstars in Australiens Aufgebot

Denn internationale Top-Spieler gibt es im Kader der "Socceroos" nicht. Es finden sich dort zwar ein paar in Europa und Deutschland bekannte Namen wie der des früheren Bundesliga-Profis Mathew Leckie oder der des aktuellen Kapitäns des Zweitligisten FC St. Pauli, Jackson Irvine. Von einem europäischen Spitzenklub erhält jedoch keiner von Arnolds Kickern seine Lohntüte. Großer Hoffnungsträger der Auswahl ist der bis vor kurzem für Eintracht Frankfurt stürmende Ajdin Hrustic.

Doch der inzwischen beim italienischen Traditionsverein Hellas Verona unter Vertrag stehende Offensivmann wird gegen Frankreich aller Voraussicht nach nicht auflaufen können. Der 26-Jährige ist seit Wochen wegen einer Sprunggelenksverletzung außer Gefecht.

Wird Teenager Garang Kuol zur WM-Überrraschung?

Auf Rechtsaußen Martin Boyle kann Arnold in Katar gar nicht zurückgreifen. Der Schottland-Legionär (Hibernian FC) wurde wegen einer Knieverletzung aus dem WM-Kader gestrichen und durch den gerade einmal 21-jährigen Marco Tilio ersetzt. Letzterer verfügt über die Erfahrung von gerade einmal fünf Länderspielen, hat damit allerdings bereits vier Einsätze mehr für sein Heimatland absolviert als der drei Jahre jüngere Garang Kuol. Der gebürtige Sudanese könnte durch seine Unbekümmertheit aber vielleicht eine der Überraschungen der Wüsten-WM werden.

Australiens garang Kuol auf der Pressekonferenz

Gerade einmal 18 Jahre alt: Australiens Angreifer Garang Kuol.

Vielleicht aber eben auch nicht. Denn sollten die "Socceroos" im Emirat nicht über sich hinauswachsen und ihre Gruppen-Gegner jeweils einen ziemlich schlechten Tag erwischen, dürften die Chancen Australiens auf den Einzug in die Runde der letzten 16 recht schlecht stehen.

Australien in Katar noch ungeschlagen

Coach Arnold ist vor der Auftaktpartie gegen Frankreich dennoch weit davon entfernt, die Flinte ins Korn zu werfen. "Man kann sagen, dass unsere Spieler nicht in den Top-Ligen der Welt spielen, während alle ihre Spieler das tun. Aber Fußball ist ein Mannschaftssport", sagte der 59-Jährige. Und dann ist da ja noch die Sache mit dem Heimvorteil fernab der eigentlichen Heimat. Denn aufgrund der Corona-Pandemie und der von Australiens Regierung verhängten Einreise-Regeln bestritten die "Socceroos" 16 ihrer 20 WM-Qualifikationsspiele auf fremdem Boden. Fünf davon wurden in Katar ausgetragen, darunter das entscheidende Playoff-Duell mit Peru, das im Elfmeterschießen entschieden wurde.

Die Bedingungen im Golfstaat sind für die Australier also nicht neu. Und genau darauf setzt Schlitzohr und Motivator Arnold. "Ich denke, dass die meisten Nationen aufgrund der kurzen Vorbereitung keine Chance hatten, vor WM-Beginn in Freundschaftsspiel in Katar zu bestreiten. Wir hingen haben dort viel Zeit verbracht. Die Jungs fühlen sich dort sehr, sehr wohl", erklärte der Coach und bemühte schließlich noch eine Statistik, die seiner Mannschaft neben seinen Worten wirklich Mut machen sollte: "Wir hatten fünf Spiele in Katar. Und wir haben alle gewonnen."