"Zu Gast bei Fremden" - der Blog zum Arab Cup in Katar Blog: Katars Fans – lieber TV-Sessel als Stadionsitz

Stand: 06.12.2021 07:00 Uhr

Der Arab Cup in Katar ist ein Testlauf für die WM 2022. Sportschau-Autor Olaf Jansen berichtet über seine Erlebnisse vor Ort. Im fünften Teil des Blogs geht es um die Fan-Kultur in Katar.

Als ich heute morgen die Einkaufs-Mall in Dohas Stadtteil Al Qassar betrat - mir war nach Tee und Keksen - sah ich Erstaunliches: Ich schaute auf eine kleine Verkaufsinsel mit einem Schild, das unzweifelhaft auf den FIFA Arab Cup hinwies. Und es stand, auch daran bestand kein Zweifel, eine regelrechte Menschenschlange vor dem Desk der zwei Volunteers.

Die beiden hantierten – offenkundig selbst überrascht über das Interesse -  etwas hektisch mit Kamera, Laptops und kleinen Druckmaschinen herum und machten sich an die Aufgabe, live vor Ort personalisierte Tickets für das gegenwärtige Fußball-Event unter die Leute zu bringen.

Zieht der Arab-Cup plötzlich doch die Menschen in ihren Bann? Bislang war wenig zu spüren von Fußballbegeisterung in der Stadt. Keine bunt gekleideten Fans im Straßenbild, keine Verkäufer von Trikots, Schals oder Fähnchen, wie bei vergleichbaren Fußball-Events ja eigentlich üblich.

Katar und die Fußball-Kultur - woher soll sie auch kommen?

Auch so etwas wie Kneipenkultur gibt es nicht im Emirat, wo nach strenggläubigem wahhabitischem Islam gelebt wird. Alkohol ist verpönt, ausschweifende Parties gelten als lasterhaft. Zum gesellschaftlichen Höhepunkt trifft man sich zum gediegenen Abendessen im Restaurant, eventuell gibt’s auch mal ein Schwätzchen im Café bei Tee oder Wasserpfeife.

Jene, die ins Fußballstadion gehen, erwarten einen Sitzplatz mit VIP-Standard, Stehplätze sind in den Arenen erst gar nicht vorgesehen. Aber lieber bleibt man ohnehin in den eigenen vier Wänden.

Wo soll sie auch herkommen, die Fußball-Kultur in einem Land wie Katar? Arabische Fußball-Anhänger sind durchaus fanatisch und sorgen bei Matches gern für prickelnde Stimmung. Das aber vor allem im nördlichen Teil Arabiens. Zwischen Marokko und Jordanien werden – wenn nicht gerade Corona ist – die Stadien bei heißen Derbys gern zu regelrechten Hexenkesseln mit ausverkauften, stimmungsvollen Rängen.

Dort aber hat Fußball auch schon eine alte Tradition, oft stehen die Klubs für verschiedene Glaubensrichtungen oder symbolisieren Arbeiterschaft beziehungsweise Bürgertum.

Zuschauer in Katar - mitunter erinnert das an die Kreisliga

In Katar – wo die 18 Klubs der "Qatar Stars League" beinahe ausnahmslos in Doha spielen, gibt es diese stimmungsvolle Kultur nicht. Es kann sie nicht geben. Denn während die beschriebenen Einheimischen höchstens dezent für eines der Teams sympathisieren, haben die restlichen rund 2,5 Millionen Gastarbeiter keinerlei emotionale Verbindung zu einem der katarischen Vereine.

Und so ist es keine Seltenheit, dass ein Ligaspiel in Katars höchster Liga weniger Zuschauer anzieht als ein Kreisliga-Spiel in Deutschland.

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