FIFA-Präsident Gianni Infantino in Doha vor dem Gebäude, in dem der Kongress stattfindet.

Fußball | FIFA FIFA-Kongress in Katar: Entscheidung über Russland, Debatte über Menschenrechte

Stand: 31.03.2022 10:46 Uhr

Die FIFA wird bei ihrem Kongress in Doha über den weiteren Umgang mit Russland entscheiden. Auf der Tagesordnung fehlt dagegen eine Abstimmung über den von Präsident Gianni Infantino gewünschten Zwei-Jahres-Rhythmus der WM. Über Menschenrechte im WM-Gastgeberland Katar wird auch diskutiert - vor allem außerhalb der Halle.

Vertreter von bis zu 211 FIFA-Mitgliedern kommen am Donnerstag (31.03.2022, 10 Uhr MESZ) im Doha Exhibition & Convention Center zusammen, Russlands Verband entsandte nach Angaben der staatlichen Agentur TASS eine Delegation, die von Generalsekretär Alexander Alayev geleitet wird. Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wird bei der Veranstaltung in Katars Hauptstadt vertreten sein.

Bislang sind nur russische Teams von Wettbewerben ausgeschlossen, nicht aber der Verband. Das könnte sich auf dem Kongress ändern. Punkt 4 auf der Tagesordnung der Veranstaltung lautet: "Suspendierung oder Ausschluss eines Mitgliedsverbands". Damit könnten Russland, 2018 noch Gastgeber der FIFA-WM, wegen seines Angriffskriegs gegen die Ukraine weitere sportliche Sanktionen bevorstehen.

Unklar: Gibt es eine Abstimmung über Russlands Verband?

Doch kommt es wirklich dazu? Eine Anfrage der Sportschau, ob es beim Kongress eine Abstimmung über eine Suspendierung von Russlands Verband geben werde oder ob es bei dem Tagesordnungspunkt um eine Verlängerung der aktuellen Sanktion gehe oder das Thema gar nicht behandelt wird, beantwortete die FIFA zunächst nicht.

Für eine Suspendierung des Verbands wäre bei einer Abstimmung eine Dreiviertelmehrheit unter den anwesenden stimmberechtigten Mitgliedsverbänden notwendig. "Der russische Verband hat gegen nichts verstoßen. Es gibt klare Voraussetzungen für die Suspendierung oder den Entzug der Mitgliedschaft", sagte Alexei Sorokin aus Russland, früheres Mitglied des FIFA-Rats und Cheforganisator der FIFA-WM 2018 in Russland, der staatlichen Agentur TASS.

FIFA-Präsident Gianni Infantino in Doha vor dem Gebäude, in dem der Kongress stattfindet.

FIFA-Präsident Gianni Infantino in Doha vor dem Gebäude, in dem der Kongress stattfindet.

Er sehe keine rechtliche Grundlage für eine Bestrafung. Auch Sorokin wird laut TASS in Doha anwesend sein.

Russland scheiterte zunächst vor dem CAS

Am 27. Februar wollte die FIFA Russlands Teams nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine zunächst als "Fußballverband aus Russland" und nicht mehr als "Russland" teilnehmen lassen.

Angesichts der Boykottdrohungen von Polen, Schweden und Tschechien in der WM-Qualifikation sprach der FIFA-Ratsausschuss einen Tag später gemeinsam mit dem UEFA-Exekutivkomitee die Strafe aus, dass alle Teams aus Russland "bis auf Weiteres" ausgeschlossen werden, nicht aber der Verband. Der FIFA-Rat bestätigte diese Entscheidung am Mittwochabend.

Russland war zwischenzeitlich vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS mit Anträgen auf eine vorläufige Aussetzung der Suspendierungen seiner Teams in FIFA und UEFA gescheitert und konnte so nicht an den Playoffs der europäischen WM-Qualifikation teilnehmen.

Zuletzt bewarb sich der russische Verband unerwartet für die Ausrichtung der EM 2028 oder der EM 2032 bei der UEFA, die ebenfalls nur die Teams, aber nicht den Verband aus Russland suspendiert hatte. Die UEFA deutete daraufhin an, möglicherweise weitere Maßnahmen gegen Russland zu ergreifen.

Zwei-Jahres-Rhythmus der WM kein Thema

Nicht auf der Tagesordnung beim Kongress steht der von FIFA-Präsident Gianni Infantino befürwortete Zwei-Jahres-Rhythmus der Weltmeisterschaften der Männer und Frauen. Ein außerordentlicher Kongress, der Ende 2021 darüber hätte abstimmen sollen, kam trotz des Zuspruchs aus Afrika und Asien sowie einer von FIFA-Direktor Arsène Wenger angeführten Medienkampagne nicht zustande.

Mit deutlichem Widerspruch gegen die Pläne beförderten die UEFA, die südamerikanische Konföderation CONMEBOL und auch die großen Ligen und Klubs aus Europa den FIFA-Präsidenten in eine Sackgasse: Das Thema ist beim Kongress aber weiterhin keins.

Im Dezember versprach Infantino nach einem "weltweiten Fußballgipfel" allen Verbänden "mehr Geld", doch der Plan steht wohl vor dem Ende. Möglicherweise gibt es Gespräche über Kompromissvorschläge wie eine weltweite Nations League, die aber vor allem in Europa ebenfalls kritisch gesehen wird.

Vor WM-Auslosung: Menschenrechtsorganisationen mit Kritik

Im Vorfeld des Kongresses und der Auslosung der Gruppenphase am Freitag (01.04.2022, 18 Uhr MESZ, live im Ersten und bei sportschau.de) wurde von mehreren Menschenrechtsorganisationen die Kritik an Katar und der FIFA erneuert. Amnesty International berichtete, dass Katar vor allem Reformen im Arbeitsrecht versprochen habe, die Umsetzung aber mangelhaft sei.

Die schlechte Lage könne sich nach dem Turnier gar "weiter zuspitzen". Die Fortschritte stagnierten, "alte ausbeuterische Praktiken gewinnen wieder die Oberhand".

Auch Human Rights Watch kritisierte, die FIFA habe Katars "Selbstgefälligkeit" gedeckt. Der Verband habe die Pflicht, Wiedergutmachung für die mitverursachten Missstände zu leisten, sei dieser Verantwortung aber bisher nicht nachgekommen, so Human Rights Watch.

Der Gastgeber der WM 2022 wird immer wieder wegen Verstößen gegen die Menschenrechte kritisiert. Einem Bericht der britischen Zeitung "Guardian" zufolge sollen seit der WM-Vergabe 6.500 Gastarbeiter gestorben seien.

Katar wies die Kritik zurück, spricht von deutlich kleineren Zahlen. Die FIFA beruft sich ebenfalls auf kleinere Zahlen und verweist darauf, dass nur wenige Fälle auf WM-Baustellen zurückzuführen seien. Es gab mehrere Forderungen nach einem Boykott des Turniers. Der DFB erteilte dem eine Absage.