Gastarbeiter in Katar (Archivfoto)

Positionspapier zur WM in Katar Grüne fordern Entschädigungsfonds für Gastarbeiter

Stand: 11.10.2022 17:45 Uhr

Die Bundestagsfraktion der Grünen hat ein Positionspapier zur WM 2022 beschlossen. Darin wird von der FIFA die Einrichtung eines Entschädigungsfonds für Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter gefordert.

Zwei Monate vor dem Start der Fußball-WM in Katar erhöht die Bundestagsfraktion der Grünen den politischen Druck auf die FIFA und das Gastgeberland Katar. In einem Positionspapier, das der Sportschau vorliegt und am Dienstagabend (11.10.2022) beschlossen wurde, geht es in elf Forderungen vor allem um die Einhaltung und Umsetzung von Menschen- und Arbeitsrechten in Katar. Zu den entscheidenden Punkten gehört die Forderung nach einem Entschädigungsfonds. "Es geht unter anderem um die Erstattung nicht gezahlter Löhne, erpresserischer Vermittlungsgebühren und die Entschädigung für Verletzungen und Todesfälle", heißt es in dem Papier.

"FIFA muss ihrer Verantwortung endlich gerecht werden"

Nach Ansicht der Bundestagsfraktion werde die FIFA dem eigenen Anspruch, sich für den Schutz von Menschenrechten und Nachhaltigkeit einzusetzen, weiterhin nicht gerecht. Der Fußball-Weltverband solle unter anderem die Umsetzung der in Katar angestoßenen Reformen beispielsweise beim Arbeitsrecht einfordern, auch für die Zeit nach dem Turnier. Der begonnene Reformprozess müsse "auch nach dem Ende der Fußball-WM, wenn die Scheinwerfer nicht mehr auf das Land gerichtet sind", weitergehen.

Es gebe zwar Fortschritte in Katar, so die Grünen-Fraktion. "Allerdings bestehen sehr große Probleme in der Umsetzung und weiterhin ein strukturelles Machtungleichgewicht zwischen Arbeitgeber*innen und (ausländischen*r) Arbeitnehmer*innen", heißt es in dem Papier. "So ist die eigenständige Gründung von Gewerkschaften nicht möglich und es besteht nur eingeschränkter Zugang zur Gerichtsbarkeit für ausländische Arbeitskräfte."

Die FIFA-Zentrale in Zürich

Die FIFA-Zentrale in Zürich

Auch DFB in der Pflicht, schreiben die Grünen

Die Grünen sehen auch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) in der Pflicht, sich gegenüber der FIFA und Katar nachdrücklich zu positionieren – zum Beispiel bei der Anerkennung von Frauenrechten und dem Umgang mit Mitgliedern der LGBTI+ Community. Homosexuelle Handlungen stehen in Katar derzeit gesetzlich unter Strafe, Frauen sind häufig von einem männlichen Vormund abhängig.

Der DFB und andere Nationalmannschaften, haben während der WM eine Kapitänsbinde mit einem bunten Herz und der Aufschrift "One Love" angekündigt. Weil die Binde nicht die Regenbogenfahne zeigt, wurde dem DFB von Menschenrechtorganisationen und Fanvertretern Halbherzigkeit bei seinem Einstehen für die Rechte von Homosexuellen vorgeworfen. DFB-Präsident Bernd Neuendorf verteidigte die Aktion als ein generelles Zeichen für Vielfalt, Offenheit und Toleranz.

Forderung nach Zentrum für Arbeiterinnen und Arbeiter

Als eines der möglichen, dauerhaften Vermächtnisse der WM unterstützt die Bundestagsfraktion der Grünen den Vorschlag, ein sogenanntes "Migrant Workers' Centre", ein Informationszentrum für Arbeiterinnen und Arbeiter in Katar zu gründen. Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften hatten dieses Zentrum vorgeschlagen. Einzelne nationale Fußballverbände, unter anderem auch DFB-Präsident Neuendorf haben sich dieser Idee angeschlossen.

Entschädigung - aber für wen genau eigentlich?

Wie zum Beispiel ein möglicher Entschädigungsfonds finanziert werden soll, geht aus dem Papier der Grünen nicht hervor. Beispielsweise, welche Summe für einen Entschädigungsfonds angemessen wäre und wer bezugsberechtigt sein könnte. Menschenrechtsorganisationen fordern, dass die FIFA mindestens 440 Millionen US-Dollar zahlen sollte - das ist die Höhe der Preisgelder bei der WM, die auch an den DFB ausgezahlt werden. Im Vergleich zu 2018 ist das eine Steigerung von 40 Millionen US-Dollar. Alleine der Turniersieger wird von der FIFA 42 Millionen US-Dollar erhalten, der Finalist 30 Millionen.

Zudem stellt sich die Frage, welche Menschen genau von solchen Leistungen profitieren könnte. Boris Mijatovic, Bundestagsmitglied der Grünen, fordert im Gespräch mit der Sportschau, dass neben den Stadien beispielsweise auch der Ausbau des Flughafens von Doha oder die Infrastruktur mit Hotels und Nahverkehr berücksichtigt wird. "Denn genau das war auch Teil der Bewerbung bei der FIFA", sagt Mijatovic.

Intransparenz bei den Todeszahlen

In Katar gibt es weiterhin eine große Intransparenz im Umgang mit Todeszahlen durch die katarische Regierung. Laut Statistiken aus Katar sind mehr als 15.000 Menschen nicht-katarischer Staatsangehörigkeit seit der WM-Vergabe 2010 gestorben. Wie viele Opfer davon im Zusammenhang mit WM-Projekten stehen, wird nicht veröffentlicht. Laut FIFA sind lediglich drei Arbeiter aufgrund von Arbeitsunfällen beim Stadionbau gestorben.

Katar als Partner und Gas-Lieferant der Bundesregierung

"Außenpolitisch hat sich Katar in den vergangenen Jahren im Westen Anerkennung als Partner erarbeitet", heißt es unter anderem im Papier. Erwähnt wird die Rolle Katars bei der Rettung von Menschen aus Afghanistan und die Positionierung des Landes nach Russlands Angriff auf die Ukraine. Die Bundesregierung hat kürzlich eine Energiepartnerschaft mit dem Emirat unterzeichnet, Katar verfügt über große Gasvorkommen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reiste Ende September nach Katar und sagte: "Zur Kenntnis nehmen wir, dass es auch Fortschritte gibt in Fragen, um die lange gerungen werden musste, etwa was die Situation von Beschäftigten betrifft. Auch wenn das noch lange nicht den Vorstellungen entspricht, die wir selber haben." Ob er selbst zur WM anreisen werde, ließ Scholz offen, Deutschland werde aber vertreten sein. DFB-Präsident Neuendorf und die für Sport zuständige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) haben für Oktober eine gemeinsame Reise nach Katar angekündigt, um Kritikpunkte vor Ort anzusprechen.