Fans brennen Pyro ab

Fußball | Fans Platzstürme, Pyro, Attacken: Überschuss an Fan-Emotionen

Stand: 02.06.2022 12:36 Uhr

Die Rückkehr der Fußballfans in die Stadien war nach dem Ende der Corona-Maßnahmen herbeigesehnt worden. Doch einige Vorfälle haben diese Rückkehr getrübt. Es herrscht ein Überschuss an Emotionen.

Von Thorsten Poppe

"Wir beobachten bei den Fans eine große Lust, endlich wieder live am Fußball teilnehmen zu können und dort ihre Leidenschaft zu teilen", berichtet Michael Gabriel: "Gleichzeitig stellen wir für uns nicht wirklich überraschend eine Art Überschuss an Emotionen und Aktivitäten fest." Der Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) spricht damit diverse Vorfälle im deutschen Fußball an, die sonst eigentlich weder in dieser Häufigkeit noch in dieser Qualität auftreten.

Vor allem die im Saisonfinale häufigen Platzstürme sieht man bei der Deutschen Fußball-Liga DFL mittlerweile kritisch. Das sei nicht ungefährlich, sagte DFL-Chefin Donata Hopfen dazu kürzlich: "Das Ausarten muss eingegrenzt werden. Es darf kein Menschenleben in Gefahr geraten." Sig Zelt vom unabhängigen Fanbündnis ProFans, das deutschlandweit die aktiven Fan- und Ultragruppen vertritt, widerspricht. Zelt stellt klar, dass es Platzstürme schon immer im organsierten Fußball gegeben habe. Vor allem nach sportlichen Erfolgen. "Diese recht friedlichen Platzstürme bergen nun nicht die große Gefahr", findet er. 

Fan-Aggressionen und Spielunterbrechungen

Andere Vorfälle verliefen dagegen nicht so friedlich. So wollten zum Beispiel Gladbacher Ultras die Kabine der eigenen Mannschaft stürmen, Hertha-Ultras nahmen den Spielern ihres Teams nach der Derby-Niederlage gegen Union Berlin die Trikots ab. In Dresden musste das Relegationsspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern unterbrochen werden, als Feuerwerkskörper auf das Spielfeld flogen.

In der Bundesliga kam es beim Spiel des FC Augsburg gegen Greuther Fürth wegen Pyro ebenfalls zu einer Spielunterbrechung. Auch untere Ligen waren von heftigen Ausschreitungen betroffen. Beim Stadtderby zwischen BSG Chemie Leipzig und Lokalrivale 1. FC Lokomotive Leipzig etwa flogen Steine.

Ursache Saisonendspurt?

Warum sich solche Vorfälle seit der Rückkehr der Fans in die Stadien zuletzt häuften, lässt sich nicht eindeutig sagen. Es lägen keine Untersuchungen vor, die eine wissenschaftlich basierte Auskunft liefern könnten, antwortet der DFB auf Anfrage der Sportschau. Was jedoch auffällt: Bei den Spielen, in denen es größere Vorfälle gab, ging es meist um sportliche Entscheidungen, die mit entsprechenden Emotionen verbunden waren.

So wollten die Gladbacher Fans die Kabine der eigenen Mannschaft nach einer Niederlage gegen den Erzrivalen aus Köln stürmen. Ähnlich bei Hertha BSC nach der Derby-Niederlage. In Dresden stand der Abstieg quasi fest, als die Feuerwerkskörper während der Relegation aufs Spielfeld geflogen sind. "Da kann man ruhig mal nach dem Sinn der Relegationsspiele fragen: Warum sollten denn nicht 34 Spieltage reichen, um einen Auf- und Absteiger zu ermitteln?", fragt Sig Zelt vom Fanbündnis ProFans.

"Ein Aspekt, der in dieser Situation dringend zu beachten ist, ist der, dass wir uns bei den Ereignissen in der entscheidenden Phase der Saison befunden haben", sagt auch Michael Gabriel von der KOS. Zum anderen hätten vor allem jugendliche Fußballfans auch einen extremen Nachholbedarf wegen der massiven Einschränkungen während der Corona-Pandemie. Diese sei äußerst belastend für die aktiven Fanszenen gewesen. Auch in diesem Zusammenhang verweist der DFB darauf, dass man keine wissenschaftlich fundierten Aussagen dazu treffen könne, welche Rolle sportliche Komponenten wie die Relegation spielen würden.

Dauerhaftes Problem?

Außerhalb Deutschlands gab es massivere Fangewalt als hierzulande. So wurde etwa der Torhüter von Aston Villa bei einem Platzsturm von Fans des Meisters Manchester City in der Premier League tätlich angegriffen. Beim Abstieg des Rekordmeisters St. Etienne aus der französischen Ligue 1 wurden bei einem Platzsturm nicht nur Feuerwerkskörper gezielt auf Personen abgeschossen, sondern auch Spieler und Verantwortliche angegriffen.

Ausschreitungen mit massiver Gewalt wie in Frankreich oder England sind hierzulande bislang ausgeblieben. Der DFB erklärt daher in seiner Stellungnahme darauf, dass der Besuch von Fußballspielen in Deutschland grundsätzlich sehr sicher sei. Das liege unter anderem daran, dass die Vereine und der DFB gemeinsam intensiv präventiv arbeiteten. Der Verband verweist dabei auf die Fanarbeit in Deutschland mit festen Fanbeauftragten in den Klubs und mehr als 70 Fanprojekten deutschlandweit.

Für Michael Gabriel von der KOS ist es deshalb wichtig, dass jetzt alle relevanten Parteien wie Fans, Verbände, Sicherheitsbehörden und Klubs verstärkt miteinander ins Gespräch kommen, um die besondere Situation nach der Pandemie wieder zu beruhigen: "All das muss sozusagen wiederbelebt und intensiviert werden, gemeinsam mit den Fans, wie dieser jetzt vorhandene Überschuss an Emotionen in geregelte Bahnen gelenkt werden kann."