Fußball | Rassismus Kommentar: Rassismus-Vorfälle in Prag - viel zu viel Toleranz

Stand: 01.10.2021 14:30 Uhr

Buh-Rufe gegen Glen Kamara sind nichts anderes als Rassismus. Kinder werden instrumentalisiert, alle schauen darüber hinweg. Beim Spiel von Sparta Prag gegen die Glasgow Rangers wird viel zu viel statt der von der UEFA propagierten "null Toleranz" gezeigt. Ein Kommentar von Marcus Bark.

Um 19.14 Uhr am 30. September 2021 stellte der User "Scottishfella00" bei Twitter eine berechtige Frage an den Fußballklub Rangers, den schottischen Meister. "Warum sind die Spieler immer noch auf dem Platz, wenn Kamara und andere dauernd ausgebuht werden?"

Der Zeitstempel bei Tweets ist eine wichtige Sache, denn wer nach "Kamara" und "booed" sucht, der findet schon früh nach dem Anpfiff des Spiels in der Europa League zwischen Sparta Prag und den Rangers viele Einträge, die von den rassistischen Ausfällen berichten.

Vorgeschichten

Nun sind Buh-Rufe per se nicht rassistisch, aber diese waren es zweifelsfrei angesichts der Vorgeschichte(n).

Glen Kamara spielte im März 2021 mit den Rangers bei Slavia Prag. Der finnische Nationalspieler klagte danach, von Ondrej Kudela als Schwarzer rassistisch beleidigt worden zu sein. Der europäische Fußballverband UEFA verhandelte den Fall und sperrte den tschechischen Spieler für zehn Spiele.

Mit Sparta Prag beschäftigte sich die UEFA vor wenigen Wochen. Nach rassistischen Beleidigungen gegen den Spieler Tchouameni Aurélien von der AS Monaco wurde der Klub mit der Strafe belegt, eine Partie im europäischen Wettbewerb vor leeren Rängen zu spielen.

Der Verband folgte später der Bitte, für das betroffene Spiel gegen die Rangers Kinder im Alter von sechs bis 14 Jahren und erwachsene Begleitungen zuzulassen. Das ist nachzuvollziehen, wegen Naivität sollte die UEFA nicht gescholten werden.

"Great atmosphere" - ein Hohn

Wohl aber dafür, dass die Partie zwischen Sparta und den Rangers am Donnerstag nicht beendet oder zumindest nicht unterbrochen wurde. "Great atmosphere" twitterte der englische Account von Sparta Prag nach dem 1:0-Sieg. Ein Hohn, eine Frechheit geradezu.

Die UEFA lässt bei jedem internationalen Spiel "Respect" flaggen und spricht von "null Toleranz" gegenüber Rassismus. Dann darf es nicht möglich sein, dass Kamara und andere Schwarze der Rangers bei jedem Ballkontakt von zumindest vielen Kindern und bei der Übertragung deutlich hörbar ausgebuht werden, was in diesem Fall Rassismus durch instrumentalisierte Kinder gleichkommt.

Warum griffen die Offiziellen der UEFA nicht ein? Warum nicht der Schiedsrichter, der die Vorgeschichten kennen muss? Warum gingen die Rangers nicht vom Platz?

Weil Rassismus häufiger vorkommt? Weil damit zu rechnen war? Weil es Kinder waren? Die Antworten sind schwierig und vermutlich desillusionierend.

"Der Fußball" hat Einflussmöglichkeiten

Klar ist aber, dass mit "Geisterspielen", mit denen etwa auch der ungarische Verband nach rassistischen Beleidigungen englischer Nationalspieler bestraft worden war, dem gewaltigen Problem nicht beizukommen ist. Ein Problem, das weder die UEFA noch andere Verbände noch "der Fußball" lösen kann.

Aber er kann helfen, das Bewusstsein zu schärfen, Rassisten Rassisten zu nennen, sie auszugrenzen. Er kann in Projekte investieren, in denen aufgeklärt wird über institutionalisierten Rassismus, jegliche Form von Diskriminierung.

Eine Aufarbeitung der neuerlichen Vorkommnisse in Prag ist dringend nötig. Es geht darum, null Toleranz zu zeigen. Das gilt auch für die angeblichen antisemitischen Ausfälle beim Spiel der Conference League zwischen dem 1. FC Union Berlin und Maccabi Haifa.

Die beiden Fälle sind nicht zu vergleichen. Allein schon weil Union dazu aufrief, die Antisemiten anhand der Platznummern zu identifizieren.

Sparta Prag hingegen veröffentlichte auf seiner Vereinshomepage ein Statement, in dem den Kindern für die "wundervolle und einzigartige Atmosphäre" gedankt wurde: "Wir lieben euch."

Jegliche Anschuldigungen wurden zurückgewiesen, auf die Buh-Rufe gar nicht eingegangen, Kritiker aus dem Ausland werden als fremdenfeindlich beschrieben. Ein Hohn.