Sport und Gesellschaft "Riesige Chance" - Profi-Fußball will mehr gegen Antisemitismus tun

Stand: 30.03.2022 14:54 Uhr

Vertreter der Bundesliga und jüdische Organisationen wollen bei der Bekämpfung von Antisemitismus kooperieren.

Den Auftakt machten die DFL und die jüdischen Organisationen, der Jüdische Weltkongress (WJC) und der Zentralrat der Juden in Deutschland, mit einer Fachtagung am Mittwoch (30.03.2022) in Dortmund.

Unter dem Titel "Antisemitismus und Profifußball: Herausforderungen, Chancen, Netzwerk" gab es Vorträge und Workshops. "Wir sind eben viel mehr als nur ein Fußballverein. Wir müssen und wollen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, insbesondere abseits des Fußballplatzes. Denn Antisemitismus war und ist mehr denn je eine Gefahr im hier und heute", sagte BVB-Geschäftsführer Carsten Cramer.

"Antisemitismus ist keine Meinung"

Besonders eindringliche Worte fand Maram Stern, Vize-Präsident des Jüdischen Weltkongresses: "Antisemitismus ist keine Meinung. Ich bitte Sie, das zu verinnerlichen, es ist ein Angriff auf die Menschenwürde", was der Saal mit lang anhaltendem Applaus unterstrich.

Dem Fußball komme dabei eine besondere Macht zu: "Das enge Verhältnis der Vereine zu den Millionen Fußballfans ist eine riesige Chance im Kampf gegen Antisemitismus", sagte er und ergänzte an die Klubvertreter gerichtet: "Dabei sind Sie und Ihre Vereine, denen Fans aus allen Gesellschaftsschichten folgen, in der einzigartigen Position, Gespräche und Prozesse anzustoßen, die wir alle benötigen."

Fußball – soziale Kraft, aber auch Nährboden für Antisemitismus

Diese Sonderrolle des Fußballs wurde auch von Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Politik betont. So habe der Fußball in Deutschland eine große soziale Kraft, biete durch sein Wesen aber auch begünstigende Strukturen für Antisemitismus und Ressentiments: das inszenierte "Wir gegen Sie" oder die im Fußball erlaubten und sogar gewollten Gefühlsausbrüche.

Umso wichtiger seien Bildung und Kampagnen der Vereine in der Prävention, aber auch die Intervention und Strafverfolgung von antisemitisch motivierten Vergehen.

"Polizeiautos vor Synagogen sind beschämend"

Im Jahr 2021 wurden vorläufigen Zahlen zufolge, die der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Mahmut Özdemir (SPD), nannte, 3.028 antisemitische Straftaten erfasst. 63 davon waren Gewaltdelikte. Diese Taten gelte es zu minimieren, zu eliminieren:

"Dass vor jeder Synagoge in Deutschland ein Polizeiauto steht, das notwendig ist, ist beschämend! Wir wollen einen Schutzwall der Gesellschaft aufbauen, der Antisemitismus und Rechtsextremismus im Keim erstickt" – auch im Stadion.

"Wachsende Bedrohung für Juden in Deutschland"

"Antisemitismus ist immer noch eine wachsende Bedrohung für Jüdinnen und Juden in Deutschland", resümierte Ansgar Schwenken, Mitglied der Geschäftsleitung der Deutschen Fußball Liga. Daher könne und müsse die Veranstaltung ein Anstoß sein "für alle, die hier sind, um sich weiter mit dem Thema Antisemitismus zu befassen."