Fußball | DFB-Pokal Leipzig feiert Pokalsieg, Freiburg will Werte bewahren

Stand: 22.05.2022 11:33 Uhr

Die Pokalsieger von RB Leipzig haben nach dem ersten Titel der Vereinsgeschichte die Nacht zum Tag gemacht. Dass es in Zukunft so weitergeht, werden die Fans hoffen und Kritiker befürchten. Freiburgs Trainer Christian Streich wünscht sich, dass sein wachsender Klub sich seine Bodenständigkeit bewahrt.

Als RB Leipzigs DFB-Pokalsieger weit nach Mitternacht im Berliner Nachtclub "The Pearl" ankamen, hielt Nationalspieler Benjamin Henrichs den goldenen Cup vorsichtig in seinen Armen - und Mitspieler Kevin Kampl dachte über die Verwendungsmöglichkeiten der ersten RB-Trophäe nach: "Ich glaube, da kann man alles reinhauen. Uns schmeckt alles heute."

Mit dem Premieren-Titel des erst 13 Jahre jungen Klubs belohnten sich die Spieler nach einer bewegten Saison. "Das ist etwas, was wir niemals vergessen werden. Den ersten Titel für diesen Verein zu holen: Das wird in 100 Jahren noch stehen", sagte Kampl nach dem 4:2-Finalsieg im Elfmeterschießen gegen den SC Freiburg. Doch für die Kritiker des Vereins dürfte dieser Moment eine Zäsur darstellen.

Nach Meinung vieler Skeptiker katapultierte sich RB vor allem dank der Unterstützung des finanziell potenten Hauptsponsors in Rekordzeit aus dem Nichts zum Titelklub. Oft wird den Sachsen gar das Existenzrecht abgesprochen.

An die RB-Kritiker gerichtet sagte Leipzigs Vorstandschef am Tag nach dem Triumph: "Wer es immer noch nicht kapiert hat, dass RB Leipzig ein fester Bestandteil des deutschen Fußballs ist, dem ist nicht mehr zu helfen - und denen wollen wir auch nicht mehr helfen."

Erster Titel könnte "etwas lösen"

Außer Frage steht, dass mit den großzügig vorhandenen Mitteln in Leipzig erstklassig gearbeitet wird. "Ich glaube, wir müssen mal innehalten und schauen, was wir erreicht haben in den letzten 13 Jahren, in sechs Jahren Bundesliga", sagte Mintzlaff in der ARD.

Zwei Vizemeisterschaften, zwei Europapokal-Halbfinals, dreimal Pokalfinale - jetzt das erste Ausstellungsstück für die Vitrine. "Ich hoffe, das war erst der Anfang", sagte Abwehrspieler Willi Orban. Kampl erinnerte sich indes noch gut an die Finalniederlagen gegen den FC Bayern 2019 (0:3) und Borussia Dortmund 2021 (1:4) und sah einen Durchbruch geschafft: "Vielleicht löst das auch mal irgendwas und befreit uns."

Um 23.34 Uhr durfte Kapitän Peter Gulacsi am Samstag schließlich den Pokal in die Luft stemmen.

Forsberg vergießt Tränen

In den 120 Minuten davor trotzte RB vielen Widerständen, steckte den Rückstand durch Maximilian Eggestein (19.) inklusive Handspiel-Zoff sowie die Rote Karte für Marcel Halstenberg (57., Notbremse) mit Bravour weg - und glich durch Christopher Nkunku (76.) aus.

Später sah auch noch der bereits ausgewechselte Kampl (118.) wegen Reklamierens Gelb-Rot, was nur eine Randnotiz blieb. Denn als im Elfer-Krimi erst Freiburgs Christian Günter über das Tor und dann auch Ermedin Demirovic an die Latte schoss, brachen bei RB alle Dämme. "Ich weine normalerweise nicht, aber als sie den letzten Elfmeter verschossen haben, habe ich einfach nur geweint vor Emotionen", sagte Emil Forsberg.

Streich enttäuscht und dankbar

Große Gefühle verspürten auch die Verlierer des Abends: Die Medaille hatte sich Christian Streich längst vom Hals gerissen, den schweren Gang am goldenen Pokal vorbei hinter sich gebracht - da stapfte der Trainer des SC Freiburg noch einmal ganz alleine vor die rote Wand im Berliner Olympiastadion.

Voller Dankbarkeit für eine besondere DFB-Pokalreise warf er den über 30.000 mitgereisten Fans im Berliner Olympiastadion Kusshände zu, zog seinen imaginären Hut - und verneigte sich gleich mehrmals. Selbst ein kurzes Lächeln huschte dabei wieder über sein Gesicht.

Obwohl der große Traum vom ersten Titel mit seinem Herzensverein platzte, wirkte Streich gefasst. Er schaffe es noch nicht, sich zu ärgern. Am Sonntag aber werde es "brutal wehtun, übermorgen nochmal mehr, heute nicht", betonte Streich, die Fans seien "dankbar, die Mannschaft leistet Unglaubliches".

Streich möchte das Klubgefühl bewahren

Diesen Zusammenhalt, diese Einzigartigkeit seines Klubs aus dem beschaulichen Breisgau, das vertraute Umfeld - all diese Dinge hob Streich im Moment der Niederlage noch einmal hervor. "Wie sich die Fans aufgeführt haben in der Stadt - 30 000 und total friedlich. Wenn du dir das bewahren könntest in diesem Verein, wir wachsen natürlich brutal, das wäre mein größter Wunsch", sagte der 56-Jährige: "Da verzichte ich gerne auf einen Pokalsieg - auch wenn es schwerfällt."

Von seiner Frau, so verriet Streich, erfuhr er von der Begeisterung der Fans rund um das erste Pokalfinale des Klubs. Sie habe ihm gesagt, "was in den Sonderzügen war, welche Leute sich nach zehn, zwölf Jahren wieder getroffen haben", sagte der SC-Coach: "Es geht nur darum, dass das passiert ist. Es war so toll, was hier alles abgegangen ist."

Am Sonntagabend solle noch eine Feier mit den Fans in Freiburg und der Eintrag ins Goldene Buch der Stadt folgen.