DFB-Krise DFB: Vorgezogener Bundestag gefordert - Eckert kann sich Ethik-Posten vorstellen

Stand: 18.06.2021 13:07 Uhr

Beim DFB werden die Rufe nach einem vorgezogenen Bundestag lauter. Grund dafür sind die neuen Unruhen nach der Neu-Wahl der Ethikkommission, für sich jetzt auch der ehemalige FIFA-Ethiker Hans-Joachim Eckert in Position bringt.

Die Turbulenzen und Unruhen scheinen beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) einfach kein Ende zu nehmen. Nach den neuesten Schlagzeilen rund um die Ethikkommission wird die Forderung eines vorgezogenen DFB-Bundestags immer konkreter.

"Es wäre schlicht nicht verständlich, wenn der DFB nach dieser erneuten Eskalation mit seinem Bundestag noch bis ins erste Quartal 2022 wartet", so SPD-Politiker Boris Pistorius: "Es sollte jetzt schnell Platz für grundlegende Veränderungen und eine offene Diskussion geschaffen werden", sagte Niedersachsens Innen- und Sportminister der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Irina Kummert wird gewählt - und steht alleine da

Nachdem Irina Kummert am Mittwoch zur Vorsitzenden der Ethikkommission gewählt wurde, stand sie kurz darauf ziemlich alleine da. Alle anderen Mitglieder des DFB-Organs traten zurück. Das Gremium ist seitdem handlungsunfähig, und es müssen neue Mitglieder gesucht werden.

Kummert und ihr Büroleiter wurden laut DFB gebeten, "so schnell wie möglich unabhängige Vorschläge für eine Neubesetzung" zu machen. Eine Idee liegt auf der Hand. "Ich bin nicht abgeneigt, mich der Verantwortung zu stellen", sagte der frühere Vorsitzende der FIFA-Ethikkommission, Hans-Joachim Eckert, der Deutschen Presse-Agentur am Freitag. Der 73-Jährige sperrte in seiner Amtszeit beim Weltverband die damaligen Granden Joseph Blatter und Michel Platini.

Warum die Mitglieder geschlossen zurückgetreten sind, ist unklar. Der Theologe Nikolaus Schneider erklärte allerdings in einem Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Samstag seine Motive: "Die erfolgte Wahl von Frau Kummert zeigt mir, dass das Präsidium die Arbeit dieser Ethik-Kommission nicht weiter wünschte. Dass ich im Wahlverfahren nicht zur Abstimmung gestellt wurde, irritiert mich. Ich kann die Art und Weise des Umgangs mit meiner Kandidatur und meiner Person nicht akzeptieren."

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung (SZ) soll die Ethikkommission mit einer Untersuchung zu einem möglichen Fehlverhalten von DFB-Interimspräsident Rainer Koch befasst sein, der bei der Wahl jetzt mit abgestimmt hat.

War Knobloch Koch ein Dorn im Auge?

Die Frage ist, ob die Veränderungen in der DFB-Ethikkommission im Zusammenhang mit Untersuchungen gegen Koch stehen. "Ich kann dazu nichts sagen. Ich würde es aber nicht dementieren", sagte Bernd Knobloch, der bis dato die Ethikkommission interimistisch geleitet hatte und dies wohl auch gerne weiter getan hätte.

Im DFB-internen Dauerzwist zwischen Amateuren und Profis ist Knobloch eher dem Profilager um DFL-Chef Christian Seifert zuzuordnen - Koch ist der Vertreter der Amateure.

Initiative sieht interessengeleitete Machtausübung

Die Initiative "Fußball kann mehr" bezeichnete die Vorgänge rund um die Ethikkommission als einen weiteren Beleg interessengeleiteter Machtausübung. "Umso wichtiger ist ein schnellstmöglicher DFB-Bundestag, der aufzeigt, ob sich eine Mehrheit von dieser Führung repräsentiert fühlt oder ob es mehr Menschen gibt, die eine Erneuerung wollen", sagt Katja Kraus stellvertretend für die Gruppe.

"Fußball kann mehr" mit prominenten Frauen wie Ex-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb oder Katja Kraus, dem früheren Vorstandsmitglied des damaligen Bundesligisten Hamburger SV, fordert mehr Geschlechtergerechtigkeit beim DFB und eine Frauenquote von 30 Prozent in Führungspositionen bei Fußballverbänden.

Wird Kochs Umgang mit "Fußball kann mehr" untersucht?

"Wir haben das Vertrauen in die Neutralität und ein unabhängiges Wirken der Ethikkommission verloren. Mit diesem Vorgang wurde das Gremium delegitimiert", sagte Kraus. Es sei untragbar, dass die Entscheidung über die personelle Zusammensetzung von Menschen getroffen wird, die Gegenstand laufender Verfahren seien.

Bei der Untersuchung zu Rainer Koch gehe es laut SZ um die Handlungsweise des 62-Jährigen rund um die Frauen-Initiative "Fußball kann mehr", die den Verband - auch personell - nach dem Rücktritt von DFB-Präsident Fritz Keller reformieren will. Koch hatte alle Vorwürfe zurückgewiesen.

Koch spricht von "korrekter Wahl"

Auch mit Blick auf die Wahl von Kummert bewertet die Verbandsspitze die Gemengelage anders. "Das war eine absolut korrekte Wahl. Weder haben wir als DFB-Präsidium noch ich persönlich dafür gesorgt, dass über bestimmte Personen nicht abgestimmt werden soll", sagte Koch am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Und weiter: "Es war eine geheime Wahl des höchsten DFB-Gremiums, in dem auch ein Rainer Koch nur eine Stimme von zwölf besitzt."

Der DFB als größter Sportverband der Welt wird nach dem Rücktritt von Fritz Keller interimistisch von Koch und Peter Peters geführt. Die neue Führung soll beim für Anfang 2022 geplanten Bundestag gewählt werden. Doch nach den Turbulenzen um die Wahl der Personalberaterin Irina Kummert zur Vorsitzenden der Ethikkommission könnte sich dies beschleunigen.

Pistorius "Das ist die Kapelle auf der Titanic"

"Spätestens jetzt sollten die Letzten merken, dass es beim DFB nicht mehr so weitergehen kann wie bisher. Das Machtgebaren, lieber die eigene Ethikkommission zu zerlegen, als sich berechtigten Fragen der eigenen Verantwortung zu stellen und etwas zu verändern, ist augenfällig", sagte der 61 Jahre alte Pistorius.

Und der SPD-Mann legte noch einen drauf: "Als Sportminister und lebenslanger Fußballanhänger muss ich deutlich sagen: Wenn die wichtigsten Sponsoren ein solches Verhalten entschieden verurteilen und vor den Folgen warnen, dann ist das kein Alarmsignal mehr. Das ist die Kapelle auf der Titanic." Auch Nikolaus Schneider sprach sich für Veränderungen aus. Er denke, "dass die Leitungsgremien in den nationalen und internationalen Verbänden sich ändern und erneuern müssen. Die Reforminitiative 'Fußball kann mehr' hat dazu wichtige Anstöße gegeben. Ich bin unsicher, ob der Sport allein die Kraft hat, Fehlentwicklungen zu korrigieren. Deshalb muss die Öffentlichkeit, auch die Politik, diesen Entwicklungen höhere Aufmerksamkeit widmen."

Auch der DOSB steckt in der Krise

In unruhigen Gewässern befindet sich auch der Deutsche Olympische Sportbund und muss genau wie der DFB einen neuen Präsidenten suchen. Alfons Hörmann wird bei der Mitgliederversammlung im Dezember nach schweren Vorwürfen wegen seines Führungsstils nicht mehr antreten.

Es soll nicht nur einen personellen Neuanfang geben. Am Ende der Hörmann-Ära gehe es beim DOSB nicht nur um eine neue Führung, die allen recht sein soll, sondern ebenso um eine inhaltliche Neuaufstellung - beim DFB ist es ähnlich.