DFL | Wechsel in der Führung Christian Seifert - Krisenmanager mit Problemzonen

Stand: 22.12.2021 08:00 Uhr

Christian Seifert verabschiedet sich heute aus der Deutschen Fußball Liga. In seiner Amtszeit hat er die Bundesliga auf Wachstumskurs getrimmt, als Krisenmanager in Corona-Zeiten überzeugt. Problematisch ist sein Verhältnis zu den Fanszenen und dem DFB.

An seine Anfangstage erinnert sich Christian Seifert noch ganz genau. Als er nämlich 2005 bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) begann, residierte die Liga-Vereinigung der 36 Profivereine noch in einem Anbau vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) am Ende der Otto-Fleck-Schneise im Frankfurter Stadtwald. 24 Mitarbeiter, untergebracht auf einer halben Etage.

"Der damalige Generalsekretär Horst R. Schmidt hat akribisch darauf geachtet, dass das Logo der DFL nicht größer ist als das vom DFB-Reisebüro." Die Anekdote gibt der Vorsitzende der Geschäftsführung preis, weil sie gut beschreibt, was aus einem gefühlten "Start-Up-Unternehmen" mit damals noch nicht so klarer Zuständigkeit für die Belange des deutschen Profifußballs wurde: "Eine der effektivsten Liga-Organisationen und innovativsten Medienunternehmen weltweit", so Seifert, der am heutigen Mittwoch (22.12.2021) nach fast 17 Jahren seinen Schreibtisch in der längst im Frankfurter Westend beheimateten DFL-Zentrale räumt.

Die Balance gehalten

Ehe das Corona-Virus auch den weltweiten Sportbetrieb infizierte, hatte Seifert aus dem fünfstöckigen Glasbau mit Blick auf die Bankentürme der Mainmetropole jedes Jahr neue Rekordzahlen präsentiert. Gesamtumsatz der Bundesliga zuletzt: vier Milliarden Euro.

Die von ihm ausgehandelten Medienverträge waren eine Erfolgsgeschichte. In der Rückschau ist dem 52-Jährigen im internationalen Vergleich aber etwas anderes wichtig: "Uns ist es unter dem Strich gut gelungen, die Balance zu halten." Die Bundesliga habe von den Topligen die "wenigsten Anstoßzeiten, beste Stadioninfrastruktur, meisten Zuschauer und beste finanzielle Stabilität – auch nach der Corona-Krise".

Angespanntes Verhältnis zu den Fanszenen

Noch immer würden die von der DFL bei einem Marktforschungsinstitut in Auftrag gegebenen Umfragen belegen, dass sich die Leute vor allem drei Dinge von der Bundesliga wünschen würden, sagt Seifert: "Guter Fußball, Spannung, Unterhaltung."

Dass mit der Spannung hat - auch wenn Seifert dafür nicht so viel kann - nicht gut funktioniert, weil der FC Bayern auf die zehnte Meisterschaft zusteuert. Besonders angespannt ist das Verhältnis zu vielen Fanszenen, die ihm die fortschreitende Kommerzialisierung und Desinteresse an Faninteressen vorhalten. Auch die Diskussion um die 50+1-Regel spaltete die Anhänger und den DFL-Boss.

Vertrauen von DFB-Seite missbraucht

Ähnlich zerrüttet ist die Beziehung der DFL zum DFB. In seiner letzten Medienrunde sparte der Bundesliga-CEO nicht mit Kritik am Verband, aus deren Präsidialausschuss er sich bereits im Herbst 2020 zurückgezogen hatte, weil er nicht für Dinge haftbar gemacht werden wollte, von denen er keine Kenntnisse hat. "Das Verhältnis ist auf einem absoluten Tiefpunkt", sagt er heute. Darin liege auch eine Chance, fügte er fast schon sarkastisch an: "Das Verhältnis kann sich nicht weiter verschlechtern."

Was ihn denn in den DFB-Gremien gestört habe? "Mir wurde mehrfach glatt ins Gesicht gelogen." Für ihn, der den zurückgetretenen DFB-Präsidenten Fritz Keller selbst mit ausgesucht hatte, war der Vertrauensbruch vor allem über die Person Rainer Koch, den Interimspräsidenten gar nicht mehr zu kitten. Vor allem mit Koch lieferte sich Seifert eine regelrechte Schlammschlacht.

Ein letzter Rat an den Mutterverband

Seifert kann auch nicht verstehen, dass das von ihm mit DFB-Direktor Oliver Bierhoff nach der vermasselten WM 2018 auf den Weg gebrachte "Projekt Zukunft", das umfangreiche Reformen im Nachwuchsbereich vorsah, "gerade versandet". Dieses Projekt werde "gegen die Wand gefahren." Denn Landes- und Regionalverbände sträuben sich dagegen, dass beispielsweise die A- und B-Junioren-Bundesligen eingestampft werden oder bei den Jüngsten keine Tabellen mehr geführt werden.

Und so warnt er den Mutterverband auch davor, im März nächsten Jahres einfach nur mit Topkandidat Bernd Neuendorf - Liga-Mann Peter Peters ist im Amateurlager chancenlos - den nächsten DFB-Chef zu küren: "Mit nur einer Person an der Spitze ändern Sie da gar nichts." Personelle Neuordnungen sollten nicht nur im Vordergrund, sondern "auch im Hintergrund" geschehen.

Demut war schnell wieder vergessen

Trotz allem geht Seifert mit einigem Wehmut, wie er sagt. Seinen ursprünglich erst für Sommer 2022, dann um ein halbes Jahr vorgezogenen Ausstieg hat er angeblich bereits über die Weihnachtstage 2019 entschieden. Der Grund: Er wollte einfach in seinem Arbeitsleben noch einmal ein neues Kapitel aufschlagen. Corona hielt erst einige Monate später Einzug.

Diese Krise war für ihn "physisch und psychisch die größte Herausforderung". Gemeinsam mit dem DFB, vor allem mit Nationalmannschaftsarzt Tim Meyer, setzte die DFL ein Hygienekonzept um, das bald weltweit in den Profiligen Nachahmer fand. Vorgehalten wurde dem Krisenmanager in dieser Phase, dass er häufig den Begriff Demut nutzte, der dann allerdings von den meisten Protagonisten der Branche schnell wieder vergessen wurde.

Schwieriger Umgang mit Kritik

Mit Kritik umzugehen, ist Seifert oft schwergefallen. Im besten Fall reagierte er schmallippig oder scharfzüngig. Er setzt dem dann gerne die indirekte Attacke, die versteckte Spitze entgegen, die wie so manche ironische Attitüde zu seinem Standardrepertoire zählt. Dass ihm diese Eigenschaft als Arroganz ausgelegt wird, hat den selbstbewussten Vermarktungsprofi nie gestört.

Im Laufe der Jahre hat sich Seifert zum alleinigen Repräsentanten der DFL entwickelt. Aus einer zeitweise bis zu vierköpfigen Geschäftsführung blieb am Ende nur er übrig. Als die Position von Liga-Präsident Reinhard Rauball im Sommer 2019 wegfiel, war er das einzige Sprachrohr.

Donata Hopfen fängt am 1. Januar an

Wenn seine Nachfolgerin Donata Hopfen ad hoc all seine Aufgabenfelder allein beackern soll, muss die Medienmanagerin scheitern. Deshalb ist auch geplant, dass Hopfen nach ihrer Einarbeitungszeit sich einen Partner oder Partnerin an die Seite holt - der Aufsichtsrat hat für eine zweiköpfige Geschäftsführung schon grünes Licht gegeben. Seifert hält jede Skepsis an seiner Nachfolgerin für unangebracht, sieht in der 44-Jährigen eine "gut vernetzte, extrem engagierte Managerin".

Doch die gebürtige Hamburgerin wird anfänglich vielleicht dieselbe Erfahrung wie der junge Seifert machen, der sich an seine Vorstellungsrunde am Frankfurter Flughafen 2005 durch den ehemaligen Liga-Vorsitzenden Wilfried Straub noch gut erinnern kann. Weil er von der KarstadtQuelle New Media AG kam, habe der Mainzer Manager Christian Heidel gespottet, ob er denn dort aus der Hosenabteilung käme. So etwas muss man als Quereinsteiger eben aushalten.

Berufliche Zukunft noch offen

Was die berufliche Zukunft angeht, hält sich der bekennende Anhänger von Borussia Mönchengladbach ("auch ich leide") immer noch bedeckt. Er sei nicht der Typ, "der alleine durch Nepal wandern muss, um Abstand zu gewinnen". Zwei schulpflichtige Töchter in Frankfurt, eine berufstätige Frau stehen dem ebenfalls entgegen.

Die ehrenamtliche Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Sporthilfe hat er bereits angetreten, das wird ihn aber nicht daran hindern, sich eine "kleine Auszeit" zu gönnen, "gute Bücher" zu lesen - und sich dann im ersten Halbjahr 2022 für eine neue Herausforderung zu entscheiden.

Er habe in den vergangenen Wochen hinter "einige Türen“ geblickt, die ihm sonst verschlossen geblieben wären, sagt er: "Eine Idee präferiere ich besonders." Welche das ist, will er aber nicht verraten.