Fußball | Champions League Comeback-Helden von Real Madrid - wie machen die das?

Stand: 05.05.2022 15:00 Uhr

Wieder stand Real Madrid dicht vor dem Aus, wieder folgte ein wundersames Comeback, dieses Mal gegen Manchester City. Über eine Champions-League-Saison voller Heldentaten - und mögliche Erklärungen.

Auch Toni Kroos hatte nicht direkt eine Antwort parat nach Real Madrids dramatischem 3:1 nach Verlängerung im Halbfinal-Rückspiel. "Es ist manchmal schwer zu erklären, auch für mich", sagte der Mittelfeldstratege bei "DAZN". Mit zwei Toren in der 90. Minute hatte Rodrygo Madrid in die Verlängerung gerettet.

Die Fußballwelt inklusive der Journalisten ist einmal mehr verblüfft. "El Mundo Deportivo" schrieb: "Versuchen Sie nicht, es zu erklären, denn ehrlich gesagt gibt es keine Erklärung für das mit Real Madrid und der Champions League."

Unterschiede in den Coaching-Zonen

Allerdings gibt es aufschlussreiche Beobachtungen zum Beispiel aus den Coachingzonen in der entscheidenden Phase des Spiels. Auf der einen Seite: Citys Trainer Pep Guardiola, der Fußball-Denker, der Taktikmeister.

Konzentriert beobachtet er das Spiel, grübelt bestimmt gerade über die nächsten Schritte. Um ihn herum: niemand. Guardiola hat die volle Kontrolle.

Auf der anderen Seite: reger Betrieb vor der Bank von Real Madrid. Rund um Carlo Ancelotti tummeln sich mehrere Spieler, feuern an, diskutieren, rufen rein. Es wirkt, als habe Real ein halbes Dutzend Trainer.

Darunter auch Kroos, ausgewechselt in der 68. Minute für den späteren Doppeltorschützen Rodrygo. Er und andere Spieler beratschlagen sich mitunter intensiv mit Ancelotti.

Kroos: "Dann kann man sich ein bisschen austauschen"

"Der Trainer hatte selbst ein paar Zweifel, wen er noch bringt und wen nicht", erklärte Kroos nach dem Spiel. "Wir selbst haben auch alle ein paar Fußballspiele gesehen. Dann kann man sich ein bisschen austauschen. Das beschreibt ihn richtig gut und warum es auch mit der Mannschaft immer gut funktioniert. Es ist überragend."

Da ist etwas zusammengewachsen bei Real Madrid, etwas ganz Besonderes. Das sonst oft abgedroschene Bild von "Helden" und "Heldentaten" wirkt bei dieser Mannschaft plötzlich stimmig. Real kämpft in dieser Saison tatsächlich unverdrossen bis zum Schluss, sei die Situation auch noch so hoffnungslos. Und geht am Ende als glorreicher Sieger hervor.

Peinliche Pleite gegen Tiraspol

Begonnen hat das Madrider Champions-League-Märchen mit einer peinlichen Vorrunden-Pleite gegen den krassen Außenseiter Sheriff Tiraspol (1:2). Im Achtelfinale dann ein dicker Brocken: Paris St. Germain gewann das Hinspiel 1:0 und lag auch im Rückspiel bis zur 61. Minute 1:0 vorn. Doch dann kam der furiose Auftritt von Karim Benzema: Mit einem lupenreinen Hattrick rettete er sein Team im Alleingang.

Der 34 Jahre alte Franzose ist einer von acht Spielern im Kader, die schon 2014 mit Real den Champions-League-Titel geholt haben, zwischen 2016 und 2018 dann drei weitere Male. Erfahrung gepaart mit Topform - mit solch einem Stürmer in den eigenen Reihen fällt es leichter, an Tore in der Schlussphase zu glauben.

Auch Modric glänzt

Früher konnte sich Real auf Cristiano Ronaldo verlassen, heute auf Benzema. Im Viertelfinal-Hinspiel gegen denFC Chelsea (3:1) traf er erneut dreifach, sorgte im Rückspiel für das 2:3 in der Verlängerung. Zuvor hatte Luka Modric Real beim Stand von 0:3 mit einem Zauberpass in die Verlängerung gerettet, Rodrygo verwandelte.

Modric, Weltfußballer 2018, noch so ein Routinier. Dazu Marcelo, Casemiro, Nacho Fernández, Kroos, Daniel Carvajal, Isco … Bei so viel Erfahrung muss man sich doch nicht durch einen Rückstand beunruhigen lassen.

Mythos der Unbesiegbarkeit

Hinzu kommt: Von Runde zu Runde wuchs der Mythos, dass Real unbezwingbar ist, stets zurückschlagen kann. Das hatte auch Manchester City im Hinterkopf. Im furiosen Hinspiel waren die Engländer turmhoch überlegen, legten nach der 2:0-Führung aber nicht nach. Stattdessen kam Real zurück. Benzema, wer sonst, lupfte in der 82. Minute einen Elfmeter zum 3:4-Endstand ins Netz - und versprach "Magisches" für das Rückspiel.

Natürlich hielt er Wort. In der dramatisch erkämpften Verlängerung holte er den entscheidenden Elfmeter heraus und versenkte ihn eiskalt.

Jetzt gegen Liverpool

Fast alle dieser Heldengeschichten hatten das Estadio Santiago Bernabeu in Madrid als Schauplatz. Die Stimmung dort, der Glaube an die eigenen Comeback-Qualitäten - "diese Kombination ist, wie sagt der Trainer immer so schön, magisch", sagte Kroos.

Im Endspiel wartet nun der FC Liverpool, eines der formstärksten Teams der Welt. Die Engländer haben unter Trainer Jürgen Klopp sogar noch die Chance auf das sogenannte Quadrupel. Real wird wahrscheinlich spielerisch unterlegen sein. Wer am Ende aber den Pokal in den Himmel stemmt, ist eine andere Frage.