Inter Mailand: Milan Skriniar, Stefan de Vrij und Alessandro Bastoni

Champions League Inter im Krisenmodus – sogar die Defensive schwächelt

Stand: 05.09.2022 19:18 Uhr

Vor dem Champions League Auftakt gegen Bayern München steckt Inter Mailand in der Krise. Der 19-fache italienische Meister hat den Saisonstart in den Sand gesetzt, davon zeugt nicht nur das verlorene Derby gegen Milan. Zum Erstaunen vieler ist vor allem die Defensive anfällig - traditionell eigentlich Inters Prunkstück.

Erst fünf Spieltage ist die Saison in Italien alt, aber bei Inter Mailand ist die Stimmung im Keller. "Spieler unter Anklage" überschreibt die "Gazzetta dello Sport" ihre Abrechnung mit dem misslungenen Start der "Nerazzurri", die vor Saisonbeginn als Mitfavorit auf den Meistertitel galten. Die Anklagepunkte: löchrige Defensive, Stars außer Form und ein Trainer, der sich schwertut, Erklärungen für die aktuellen Probleme zu finden.

Aufs Gemüt im schwarzblauen Teil Mailands drückt nicht nur die 2:3-Niederlage im Derby am Wochenende gegen den AC Milan. Insgesamt gab es zwei Niederlagen in den ersten fünf Saisonspielen, so schlecht hat der glorreiche FC Internazionale in den vergangenen 20 Jahren nur dreimal eine Spielzeit begonnen.

Als Hauptursache für den Stotterstart gelten die Probleme in der Defensive. Ja, Probleme in der Defensive! Bei Inter! Dem Verein, der den Catenaccio erfunden hat und sich seit Jahrzehnten vor allem über formidable Abwehrarbeit definiert. Jetzt stehen bereits acht Gegentore zu Buche, mehr als bei allen anderen Klubs in der oberen Tabellenhälfte.

Inters Abwehrprobleme

Das Abwehrtrio Milan Skriniar, Stefan de Vrij und Alessandro Bastoni war in den vergangenen beiden Jahren die Grundlage erst für Inters Meistertitel, dann für Pokalsieg und Vizemeisterschaft. Jetzt gönnen sich die bislang so verlässlichen Defensivakteure kollektiv eine Formkrise.

Inter Mailand: Milan Skriniar, Stefan de Vrij und Alessandro Bastoni

Pars pro toto zu beobachten beim dritten Gegentreffer im Derby. Alle drei Abwehrstars stehen im Strafraum um Rafael Leao herum, verunsichert, fast schüchtern wirkend schauen sie ihm dabei zu, wie er sich den Ball vom einen auf den anderen Fuß legt, ein paar Schritte läuft und dann ohne große Gegenwehr das Tor macht. So leicht ist es lange nicht gewesen, gegen Inter einen Treffer zu erzielen.

Über die Gründe der für die Schwarzblauen ungewöhnlichen Defensivkrise rätseln nicht nur die Fans und die Sportpresse – sondern auch der Trainer tut sich schwer. Simone Inzaghi schwingt zwar gegen sich selbst die Peitsche angesichts der Abwehrprobleme: "Als Trainer bin ich auch dafür verantwortlich". Bislang hat er aber weder eine Erklärung noch Lösung parat.

Schwächen auch im Mittelfeld

Bei Skriniar, eine der wichtigsten Führungsfiguren im Inter-Team, ließe sich das Formtief eventuell mit den Nachwirkungen des erfolglosen Transferpokers mit Paris Saint-Germain erklären. Als Abwehralternative hat Inzaghi nur den neu von Lazio Rom geholten Francesco Acerbi auf der Bank. Vor dem Champions-League-Auftakt gegen Bayern München kommen die Abwehrprobleme für Inter zur Unzeit.

Vor allem, weil auch in anderen Mannschaftsteilen Führungsspieler schwächeln. Allen voran Nicolò Barella, im Meisterschaftsjahr in Mailand noch als neuer Lothar Matthäus gefeiert. Im Derby am Wochenende nahm Inzaghi den eigentlich so dynamischen und torgefährlichen Nationalspieler nach gut einer Stunde vom Platz. Der bei den Fans aufgrund seiner Einsatzfreude beliebte Barella war bis dahin ohne persönliche Highlights geblieben.

Inter Mailand: Edin Dzeko, Robin Gosens und Federico Dimarco

An seiner Seite im Mittelfeld wackelt auch der ehemalige Hamburger und Leverkusener Hakan Calhanoglu. Mit einem Fehlpass in der eigenen Hälfe hat der 28-jährige Standardspezialist Milan das 1:1 serviert – ein "Anfängerfehler" urteilt der "Corriere dello Sport".

Wie sieht's aus mit DFB-Nationalspieler Robin Gosens?

Mutmacher? Könnte auf der linken Außenbahn Robin Gosens sein. Der im vergangenen Winter aus Bergamo geholte deutsche Nationalspieler aber tut sich bislang schwer, in Mailand Fuß zu fassen. In der vergangenen Saison stand ihm auf seiner Position noch Ivan Perisic im Weg, der eine überragende Spielzeit hinlegte. Der Kroate ist mittlerweile zu Tottenham gewechselt, Gosens aber hat es bislang trotzdem noch nicht geschafft, sich einen Platz in der Startelf zu erkämpfen.

Inzaghi, der den Gosens-Transfer unbedingt gewollt hatte, setzt links außen auf Matteo Damian, zu Saisonstart nur als Backup vorgesehen. Die Trainings- und Spielleistungen sprächen derzeit für den 32 Jahre alten Italiener und gegen Gosens.

Robin Gosens, Inter Mailand

Zwei Hoffnungsträger mit Bundesliga-Vergangenheit

Zwei, die bei Inter trotz allem Hoffnung machen, sind alte Bekannte aus der Bundesliga. Der 36 Jahre alte ehemalige Wolfsburger Edin Dzeko wurde im Derby nur eingewechselt, sorgte aber für neuen Elan und den 2:3-Anschlusstreffer. Trotzdem vermisst Inter schmerzlich den im Sommer zurückgeholten Torjäger Romelu Lukaku. Der Belgier fällt mit einer Muskelverletzung wahrscheinlich noch mehrere Wochen aus. Gegen Bayern München wird Lukaku auf keinen Fall dabei sein.

Zweiter Inter-Hoffnungsträger ist der 33 Jahre alte Henrikh Mkhitaryan. Zwar gewährte Inzaghi dem ehemaligen Dortmunder bislang nur Kurzeinsätze. Seine halbe Stunde im Derby aber nutzte Mkhitaryan, um Inters Spiel zumindest ein bisschen Struktur zu geben und, gemeinsam mit Dzeko, Torgefahr zu kreieren. Laut "Gazzetta" trotzdem zu wenig, als dass die Mailänder hoffnungsvoll auf den Champions-League-Auftakt schauen könnten. Für Italiens größte Sportzeitung ist "il grande Bayern" klarer Favorit.