Nach verlorenem Spiel gegen Ungarn Robert Lewandowskis "Extrawurst" sorgt in Polen für Ärger

Stand: 23.11.2021 12:34 Uhr

Ausgerechnet in seiner Heimat Polen, wo Robert Lewandowski den Status eines Nationalhelden genießt, ist dieser Tage die Kritik an seiner Person besonders laut. Grund dafür ist das verlorene WM-Qualifikationsspiel gegen Ungarn, das der Stürmer sausen ließ.

Von Thomas Dudek

Die Quarantäne der ungeimpften Spieler um Joshua Kimmich hat für den FC Bayern weitreichende Folgen. Gerade mal 13 Spieler konnte der Rekordmeister zur Champions League-Partie gegen Dynamo Kiew in die ukrainische Hauptstadt mitnehmen. Wie praktisch, dass Bayern-Coach Julian Nagelsmann in dieser Situation und bei diesem Terminkalender mit drei Spielen innerhalb von acht Tagen zumindest auf einen einigermaßen ausgeruhten Robert Lewandowski zurückgreifen kann.

Ein Umstand, über den man sich bei dem 31-fachen deutschen Meister durchaus freut, der in Lewandowskis Heimat Polen aber seit Tagen für Ärger sorgt. Denn der Weltklasse-Stürmer und Kapitän der polnischen Nationalmannschaft ließ dafür das letzte Gruppenspiel der "Weiß-Roten" in der WM-Qualifikation gegen Ungarn sausen. Eine Partie, welche die Polen ohne ihren Superstar im Warschauer Nationalstadion mit 1:2 verloren haben.

In Playoffs drohen Polen nun schwere Gegner

Auf den ersten Blick wäre dies eigentlich keine vielen Schlagzeilen wert. Nach dem 4:1-Auswärtserfolg in Andorra am vorletzten Spieltag hatte Polen den 2. Platz in der Gruppe I sicher und somit auch den Platz in den Playoffs. Gruppensieger wurde mit drei Punkten Vorsprung England. Neben Lewandowski pausierte auch der Italien-Legionär Kamil Glik, der seit Jahren die zentrale Figur in der Abwehr der polnischen Nationalmannschaft ist.

Doch auf den zweiten Blick ist der Ärger östlich der Oder verständlich. Denn trotz eines sicheren Startplatzes in den Playoffs, war das Spiel gegen Ungarn für die Polen alles andere als unbedeutend, was die Qualifikation für die WM in Katar angeht. Mit einem Sieg gegen die Magyaren wären die "Weiß-Roten" in den Topf mit den gesetzten Mannschaften gelangt. Nun drohen ihnen in den entscheidenden K.o.-Spielen Gegner wie Portugal oder Europameister Italien.

Geburtstagsfeier und Dreharbeiten in der polnischen Hauptstadt

Für Ärger sorgen in Polen aber nicht nur die sportlichen Folgen dieser Lewandowski-Entscheidung, die er nach der ersten Kritik in einer Stellungnahme verteidigte. Denn kurz darauf wurden weitere Aktivitäten bekannt, mit denen Lewandowski stattdessen in den Tagen rund um das Spiel gegen Ungarn auffiel.

Während sich seine Nationalmannschaftskollegen auf das letzte WM-Qualifikationsspiel vorbereiteten, besuchte der Weltklassestürmer die Geburtstagsfeier des Milliardärs Rafał Brzoski. Fotos von der beeindruckenden Party teilte Lewandowskis Ehefrau Anna in den sozialen Netzwerken.

Als ob dies nicht schon genug wäre, wurde auch noch publik, dass Lewandowski die Tage in der polnischen Hauptstadt für die Dreharbeiten zu einer Amazon-Doku über ihn nutzte. Und auch seine Anwesenheit bei der Partie gegen Ungarn, welche er von der Trainerbank sah, diente nicht allein der Unterstützung seiner Mannschaftskollegen. Wie publik wurde, posierte er auf dieser für einen Fotografen des französischen Fachmagazins "France Football".

Es ist nicht das erste Mal, dass Lewandowski im Zusammenhang mit der Nationalmannschaft durch Eskapaden auffällt. Doch egal ob der Besuch seines Beraters, der während der Vorbereitung für die WM in Russland in das Trainingsquartier der Nationalmannschaft mit dem Hubschrauber einflog, um über Lewandowskis möglichen Transfer von den Bayern zu Real Madrid zu beraten, oder seine Rolle bei der Entlassung des ehemaligen Nationaltrainers Jerzy Brzęczek, all dies haben die Polen ihrem Superstar nachgesehen.

Fußball-Legende Zbigniew Boniek äußert Unmut

Nun scheint der polnische Liebling, der im Frühjahr sogar mit dem zweithöchsten zivilen Orden des polnischen Staates ausgezeichnet wurde, jedoch eine Grenze überschritten zu haben. "Das Verhalten von Lewandowski ist peinlich" liest man in der Sportpresse. Wenig Verständnis zeigte auch die Fußball-Legende Zbigniew Boniek, der als Präsident des polnischen Fußballverbandes PZPN immer die schützende Hand über Lewandowski hielt. "Wäre ich noch Präsident und hätte mir Nationaltrainer Sousa gesagt, wie die Situation aussieht, hätte ich ihn und Robert zu einem Gespräch eingeladen und gesagt, dass dies nicht akzeptabel ist" erklärte Boniek in einer Fußball-Talkshow, in der er sich darüber echauffierte, dass für Lewandowski Bayern-Spiele offenbar wichtiger sind als die der polnischen Nationalmannschaft.

Nur etwas zurückhaltender äußerte sich Bonieks Nachfolger Cezary Kulesza. "Gegen Ungarn hat die polnische Nationalmannschaft verloren. Wir gewinnen und verlieren gemeinsam. Nationaltrainer Sousa hat viel riskiert. Ich war wütend", erklärte der neue PZPN-Präsident. Was verständlich ist. Sollte sich Polen nicht für Katar qualifizieren, droht dem Verband ein Verlust von mehreren Millionen Euro.

Ob damit nun langfristig das Image von Lewandowski beschädigt ist, wie manche bereits meinen, lässt sich heute nicht sagen. Sollte der Stürmer Polen in den Playoffs zu der WM schießen, wäre das Thema vergessen. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre der ungeliebte Nationaltrainer Paulo Sousa wohl das einzige Opfer. Doch innerhalb der polnischen Nationalmannschaft wären die Wogen damit wohl nicht geglättet. Wie man hört, sollen Lewandowskis Mitspieler über das Verhalten ihres Kapitäns alles andere als begeistert sein.