Fußball | Champions League Erneute Klatsche: FC Barcelona und Koeman stecken tief in der Krise

Stand: 30.09.2021 16:48 Uhr

Der FC Barcelona geht mit 0:3 in Lissabon unter. Das spanische Fußballteam steckt nicht nur in der Champions League in der Krise. Trainer Ronald Koeman agiert trotzig und das finanzielle Desaster wird immer deutlicher.

Zweites Spiel, zweite Klatsche in der Champions League: Der FC Barcelona ist nach einem kurzen Moment der Hoffnung um Supertalent Ansu Fati wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Und dort sieht es finster aus. Denn dem ohnehin finanziell stark angeschlagenen Fußballklub könnten jetzt auch die Einnahmen aus dem europäischen Wettbewerb wegbrechen.

Nach dem 0:3 (0:1) bei Benfica Lissabon liegt Barcelona mit null Punkten und 0:6 Toren am Tabellenende der Champions-League-Gruppe E. Die zuvor letzte Niederlage der Katalanen bei Benfica liegt 60 Jahre zurück. Zum Auftakt hatte Barcelona ebenfalls 0:3 gegen den FC Bayern verloren - eine auch in der Höhe völlig verdiente Niederlage.

"Es ist hart, das zu akzeptieren", sagte Trainer Ronald Koeman in Lissabon am Mittwochabend (29.09.2021). "Ich finde nicht, dass das Resultat mit dem Spiel, das wir gesehen haben, übereinstimmt. Trotz des frühen Rückstands haben wir bis zum 0:2 gut gespielt."

Koemans Wechsel verpuffen

Allerdings muss Koeman auch seine personellen Entscheidungen hinterfragen. Zuletzt hatte Barcelona beim 3:0 gegen UD Levante in der spanischen Liga eine Sieglos-Serie von drei Spielen beendet und sportlich überzeugt. Dennoch änderte Koeman die Startformation auf vier Positionen.

In Lissabon wollte der Niederländer zudem in der 68. Minute mit einem Dreifachwechsel einen Impuls setzen. Doch nur eine Minute später fiel das 0:2 - und die Niederlage nahm ihren Lauf. Koemans zahlreichen Kritikern gibt das Rückenwind.

Seltsame Pressekonferenz

Doch der Trainer hat auch eine schwierige Aufgabe. Symptomatisch für die angespannte Lage verlief die Pressekonferenz gut eine Woche zuvor. Koeman verlas lediglich ein Statement und verließ anschließend das Podium, ohne Fragen zuzulassen.

Seine inhaltliche Botschaft in Kurzform: "Der Klub befindet sich mit mir als Trainer in einer Phase des Wiederaufbaus. Die finanzielle Situation hat Einfluss auf die sportlichen Leistungen und umgekehrt. Das bedeutet, dass wir ein neues Team aufbauen müssen und keine großen Investitionen tätigen können. Das braucht Zeit."

Hype um Ansu Fati

Wie deutlich der Umbruch ist, wird beim Blick auf den Kader deutlich. In Lissabon standen zahlreiche Talente in der Startelf: Eric Garcia (20 Jahre) und Ronald Araújo (22) in der Abwehr, Sergino Dest (20) und Pedri (18) im Mittelfeld. Unter den Einwechselspielern waren Gavi (17), Nico González (19), Óscar Mingueza (22) und auch Ansu Fati (18).

Fati war im August 2019 als 16-Jähriger zum jüngsten Debütanten in der Geschichte des FC Barcelona geworden. Zu Beginn der Saison 2020/21 eroberte er unter Koeman direkt einen Stammplatz, wurde als Nachfolger von Messi gehypt. Doch dann stoppte ihn ein Meniskusriss.

Am Sonntag feierte er nach gut zehn Monaten Pause gegen Levante ein furioses Comeback. Er brauchte nur 17 Joker-Minuten, um zum 3:0-Endstand zu treffen. Seine Rückennummer dabei: die Zehn, die in den vergangenen Jahren fest reserviert war für Messi.

1,35 Milliarden Euro Schulden

Entsprechend groß war die Euphorie der Fans, entsprechend groß wird der Druck auf Fati. Doch Barcelona braucht solche Hoffnungsschimmer dringend. Denn extrem hohe Ausgaben für Ablösesummen und Gehälter in Kombination mit ausbleibenden Erfolgen und der Pandemie haben den Klub nahe an den Bankrott geführt. Laut Präsident Joan Laporta hat Barca 1,35 Milliarden Euro Schulden angehäuft.

Einen weiteren Hinweis auf die dramatische Lage gibt die Liste der Gehaltsobergrenzen, die La Liga am Mittwoch veröffentlicht hat. Sie beschreibt basierend auf den Bilanzen, wie viel die Erstligaklubs maximal für Gehälter ausgeben dürfen. Barcelona ist demnach mit 97 Millionen Euro auf Platz sieben abgerutscht - weit hinter Real Madrid auf Platz eins mit 739 Millionen Euro.

Bald wieder volle Stadien - aber nicht in Barcelona

Laporta hatte bereits erklärt, dass der Abgang von Messi wegen der Finanzregeln der spanischen Liga alternativlos gewesen sei. Auch ohne den Superstar seien die Lohnkosten höher als erlaubt. Barcelona muss also weiter sparen und auf neue Einnahmen hoffen.

Ein Lichtblick war da die ebenfalls am Mittwoch verkündete Entscheidung, dass in Spanien bald wieder volle Stadien erlaubt sind. Die Zuschauereinnahmen sind für Barcelona mit seinem fast 100.000 Fans fassenden Camp Nou besonders wichtig. Doch die Regionalverwaltung Kataloniens geht einen Sonderweg, erlaubt nur 60 Prozent der Nutzung.

Bescheidenere Ziele

Fest eingeplant waren jahrelang auch fette Einnahmen aus der Champions League. Aktuell droht aber auch dort das schlimmste Szenario, denn als Gruppenletzter dürfte Barcelona noch nicht einmal in der Europa League weiterspielen.

In der Liga sieht es nicht ganz so finster aus. Barcelona liegt nach sieben Spieltagen als Tabellensechster zwar schon fünf Punkte hinter Tabellenführer Real, hat aber ein Spiel weniger bestritten. Vom Meistertitel redet Koeman aber ohnehin schon nicht mehr. Die neue Marschroute: "Einen Spitzenplatz in La Liga zu erreichen, wäre ein großer Erfolg."

Lange Vorstandsitzung mit kurzer Gnadenfrist

Ob Koeman aber überhaupt noch die Chance bekommt, an einem Spitzenplatz zu arbeiten, erscheint fraglich. Nach übereinstimmenden Medienberichten, unter anderem von "Marca" und "Sport", habe es nach dem Lissabon-Debakel eine Krisensitzung der Vorstands bis vier Uhr morgens gegeben.

Das Resultat sei, dass der Niederländer mindestens noch bis zum Topspiel der Katalanen am Samstag (21 Uhr, Liveticker bei sportschau.de) bei Meister Atlético Madrid die Geschicke des Teams um Nationaltorwart Marc-André ter Stegen leiten darf. Was danach kommt, ist offen.