Fußball | 3. Liga Kommentar: Nach Türkgücü-Rückzug - 1. FC Saarbrücken ist zu Recht sauer

Stand: 25.03.2022 17:00 Uhr

"Es kann nicht sein, dass Klubs unverschuldet dafür bestraft werden, dass andere Vereine unter Aufsicht des DFB Misswirtschaft betrieben haben", sagt Saarbrückens Präsident Hartmut Ostermann nach der Einstellung des Spielbetriebs von Türkgücü München in der 3. Fußball-Liga. Und er hat Recht. Ein Kommentar.

Von Frank Grundhever

Wie kann das sein? Ja - es gibt die Corona-Krise, es gibt viele Vereine in Not, Vereine, die sich permanent am Rande der Insolvenz befinden - in Randsportarten wie im Fußball. Der Sport im Allgemeinen erlebt schwierige Zeiten. Hier aber geht es tatsächlich um etwas anderes…

Da werden Unterlagen eingereicht, geprüft und abgesegnet. Es kommt trotzdem zu einer existenzbedrohenden finanziellen Schieflage, und es wird kein Weg gefunden, das Problem zu lösen. Vom Verein nicht, vom DFB auch nicht.

Maximales Unverständnis

Huhn oder Ei… was war zuerst? Liegt das Versagen rein beim Klub Türkgücü, der ganz offensichtlich massive Misswirtschaft betrieben hat? Oder hat der DFB beim Lizenzierungsverfahren Fehler gemacht? In Frankfurt jedenfalls gesteht man ein, in Zukunft noch genauer hinschauen zu müssen.

Doch in diesem Fall sieht der Deutsche Fußball-Bund die Schuld in erster Linie bei den Münchnern, fängt die Situation nicht auf. Und der große Verlierer heißt: 1. FC Saarbrücken.

Im Saarland herrscht vor alle eines vor - maximales Unverständnis. Torwart und Pokalheld Daniel Batz nimmt kein Blatt vor den Mund: "Es ist ein Tag der Schande für den deutschen Fußball und vor allem für das Lizenzierungsverfahren des DFB!“ Und er hat Recht.

Tabelle ohne Türkgücü-Spiele
Platz Klub Pkt.
1 (1) Magdeburg 63
2 (2) Kaiserslautern 54
3 (4) Braunschweig 51
4 (3) Saarbrücken 49
5 (7) 1860 München 48
6 (5) Mannheim 48
7 (6) Osnabrück 47
8 (8) SV Wehen 43

Der Verband hat den Auftrag, den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten. Und genau das hat er nicht hinbekommen. Es war doch schon länger klar und bekannt, dass es wirtschaftlich in München nicht rund läuft. Warum hat der DFB hier nicht genauer hingeschaut? Geradezu tragisch aus Sicht des 1. FC Saarbrücken: Nur drei Spiele noch hätte Türkgücü absolvieren müssen und die Runde hätte vollständig gewertet werden können.

Tabelle mit Türkgücü-Spielen
Platz Klub Pkt.
1 Magdeburg 66
2 Kaiserslautern 57
3 Saarbrücken 55
4 Braunschweig 54
5 Mannheim 52
6 Osnabrück 51
7 1860 München 49
8 SV Wehen 46

Klar, Türkgücü hatte wie viele Klubs Einbußen durch fehlende Zuschauereinnahmen im Zuge der Corona-Maßnahmen. Doch diese Summen fallen nicht so sehr ins Gewicht. Vielmehr muss gesagt werden: Wirtschaften, wie das in München getan wurde - das geht nicht… Es wurde schlichtweg deutlich mehr ausgegeben, als verkraftbar war.

Aber auch für eine solche Situation muss der Verband einen Fallschirm haben - einen Plan B. Was ist mit dem ominösen Kautionsfonds, fragt man sich in Saarbrücken. Ein Fonds, der offenbar eingerichtet wurde, um in solchen Situationen handlungsfähig zu bleiben. Und auch, warum gleich drakonische Punktestrafen ausgesprochen wurden.

Hätte es sich nicht gleich um geradezu unglaubliche elf Zähler Abzug gehandelt, sondern zunächst einmal nur um drei oder vier - in München hätte man noch eine sportliche Perspektive gesehen. So aber gingen die Lichter nicht nur auf den Konten, sondern auch in der Kabine aus.

Mentale Herausforderung für Saarbrückens Team

So bleibt der fadeste Beigeschmack. Saarbrücken verliert satte sechs Punkte, muss den sportlich erkämpften Relegationsplatz unverschuldet abgeben und rutscht auf Rang vier. Oder, wie es Trainer Uwe Koschinat auf den Punkt bringt: "Die guten Leistungen meiner Spieler werden mit Füßen getreten." Und er hat Recht.

Fraglich natürlich auch, wie sich dieser Schlag in die Magengrube mental auswirkt. Glauben die Spieler trotzdem noch an die Chance auf den Aufstieg? 

Es wird sich zeigen, zunächst, Mittwoch, im Saarlandpokal bei Regionalligist Homburg - vor allem aber beim nächsten Liga-Spiel bei 1860 München. Die "Löwen" sind der große Gewinner des Türkgücü-Rückzugs. Denn der ehemalige Bundesligist muss nur einen Zähler abgeben und mischt nun wieder ganz oben mit. In Saarbrücken sprechen sie jetzt schon von einem Endspiel um die letzte Chance.

Eine große Ungerechtigkeit

"Natürlich ist es extrem ungünstig, dass wir im Kampf um den Aufstieg am massivsten betroffen sind", sagt Saarbrückens Trainer Uwe Koschinat. Und er hat Recht!

Fakt ist: Saarbrücken war maximal erfolgreich. Holt zwei Siege und volle sechs Punkte gegen Türkgücü - wird aber maximal bestraft - und das unverschuldet!

Was dem FCS also in diesen Tagen widerfährt, ist eine große Ungerechtigkeit. Aus Saarbrücker Perspektive gibt es eben zwei Schuldige: Türkgücü und den DFB!