Gladbach-Trainer Gerardo Seoane (l.) mit Neuzugang Tomas Cvancara

Viele Stars weg Gladbachs schwieriger Umbruch mit neuen Fixpunkten

Stand: 28.07.2023 08:20 Uhr

Nach einer enttäuschenden Saison hat Gladbach seine vier besten Torschützen verloren, der fünfte wird auch noch folgen. Manager Roland Virkus wirbt deshalb um Geduld - ein paar neue Fixpunkte sorgen aber für Optimismus.

Von Christian Hornung (Rottach-Egern am Tegernsee)

Eigentlich ist Virkus nicht der allergrößte Freund davon, sich vor laufenden Kameras oder ihm vor die Nase gehaltenen Diktiergeräten zu äußern. Seit er den Managerposten bei der Elf vom Niederrhein im Januar 2022 von Max Eberl übernommen hat, weiß er aber natürlich, dass die Öffentlichkeitsarbeit nun auch zu seiner Stellenbeschreibung gehört.

Borussia: 75 Prozent der Tore sind schon weg

Entsprechend geduldig erklärt er den vielen Journalisten im Trainingslager am Tegernsee nun in Dauerschleife vor einer Traumkulisse, dass die bevorstehende Saison gar nicht unbedingt in einem Albtraum enden muss. Der Blick auf die Abgänge beim VfL könnte diesen Schluss nahelegen. Marcus Thuram (zu Inter Mailand), Jonas Hofmann (Bayer Leverkusen), Lars Stindl (Karlsruher SC) und Ramy Bensebaini (Borussia Dortmund) hatten von den 52 Gladbacher Toren 39 erzielt, also satte 75 Prozent.

Der fünftbeste Schütze ist Nico Elvedi, und auch der wird die Borussen mit großer Sicherheit noch verlassen, die Wolverhampton Wanderers und die AS Rom sind stark interessiert. Die Trainingseinheiten in Rottach-Egern macht der Schweizer zwar noch mit, allerdings mit stark gebremsten Schaum und oft auch nur auf dem Trimm-Rad - er soll sich auf keinen Fall verletzen, denn Gladbach braucht dringend die Ablösesumme, um den größten Umbruch des vergangenen Jahrzehnts weiter voranzutreiben.

Wöber und Rieder sind die Wunschspieler

Gladbachs Plan sieht so aus, dass bei Elvedis Abgang der österreichische Nationalspieler Maximilian Wöber von Leeds United die Lücke in der Abwehr wieder auffüllen soll. Wöber soll aber zunächst nur auf Leihbasis kommen, das Geld für Elvedi ist bereits für den Stindl-Nachfolger reserviert: Der Schweizer Jungnationalspieler Fabian Rieder soll der neue Spielmacher bei den Borussen werden, die Young Boys Bern bestätigten bereits das Gladbacher Interesse und die laufenden Verhandlungen, fordern aber rund 13 Millionen Euro - ungefähr so viel hätte man auch gerne für Elvedi, dessen Vertrag im nächsten Jahr ausläuft.

Jan Speckmann, Sportschau, 26.07.2023 11:05 Uhr

Ob und wann es in diesen Personalfragen endlich Vollzug gibt, beantwortet Virkus gegenüber der Sportschau so: "Der Transfermarkt ist aktuell leider sehr zäh. Ob und wann sich noch was tut, kann ich aktuell nicht sagen, dann wäre ich Hellseher. Aber wir sind auf jeden Fall vorbereitet und können jederzeit reagieren."

Gladbachs Fans und der Trainer haben Fragen

Nachfragen in dieser Causa muss Virkus nicht nur von den Medienvertretern und den täglich rund 1.000 Fans am Rande des Rasenplatzes beantworten - der Weg zum Mannschaftsbus führt in dieser Woche täglich direkt an den treuen Anhängern vorbei, die ihren Tagesplan tatsächlich nach dem Trainingsplan des Bundesligisten richten. Auch der neue Trainer wüsste gern bald, mit wem er sein durchaus anspruchsvolles System einstudieren kann.

Gerardo Seoane setzt auf eine Mischung aus hohem Pressing und längeren Ballbesitzphasen, aber eins ist ihm besonders wichtig: "Nach einem Ballgewinn möchte ich, dass der erste Blick der Jungs nach vorne geht", erklärt er der Sportschau: "Wir müssen viel schneller in die Offensive kommen und die Tiefe suchen, das Umschalten ist ein sehr wichtiger Teil in unserer Vorbereitung."

Spieler jubeln: Endlich klare Ansagen

Nach Viel-Redner Daniel Farke schätzen die Profis nun die "sehr klare Ansprache" von Seoane. Julian Weigl, einer der Kapitäns-Kandidaten, betont auch, dass jetzt "jeder genau weiß, was er zu tun hat". Auch Torwart Jonas Omlin lobt: "Gerardo Seoane fordert sehr viel von einem, er will immer absolute Qualität sehen. Wenn das nicht funktioniert, sagt er dir die Defizite dann auch ganz offen und ehrlich, und so muss das sein."

Mit Weigl und Omlin an der Spitze bildet sich gerade bei den Borussen eine ganz neue Hierarchie, auch Florian Neuhaus durfte in der Vorbereitung schon mehrmals die Kapitänsbinde tragen. Ob Neuhaus tatsächlich mit den Gladbachern in die Vorrunde geht, ist aber offen.  Sein Vertrag läuft 2024 aus, Virkus hat von ihm klar gefordert, dass er entweder verlängert oder sich verkaufen lässt. Seoane hätte den Techniker gerne als einen seiner Fixpunkte, ein weiterer soll der neue Mittelstürmer Tomas Cvancara sein, der für knapp elf Millionen Euro von Sparta Prag verpflichtet wurde.

Flanken ins Zentrum statt nur "klein-klein"

Ganz neu ist nach Jahren mit viel Klein-klein-Gespiele und wenig Präsenz im Strafraum, dass dort nun ein 1,90-Meter-Hüne auf Flanken wartet. Seoane findet diese Ausrichtung gut: "Tomas bringt eine seltene Mischung mit, die unserem Spiel gefehlt hat: Er bringt körperliche Robustheit in die Spitze, ist aber auch extrem schnell und kombiniert gut."

Gladbach-Trainer Gerardo Seoane (l.) mit Neuzugang Tomas Cvancara

Tomas Cvancara im Gespräch mit Coach Gerardo Seoane

Virkus warnt allerdings: "Der Junge zeigt gute Ansätze, aber er ist neu in der Bundesliga und wird Zeit brauchen. Insgesamt brauchen wir hier alle viel Geduld. Es wird sicher auch Rückschläge geben, was ganz normal ist bei so vielen neuen Spielern."

Auch Honorat ein Hoffnungsträger

Einer der Hoffnungsträger ist auch der französische Rechtsaußen Franck Honorat, der für acht Millionen Euro aus Brest kam. Wie viele Neue ihm jetzt noch nach Gladbach folgen, wissen Virkus und Seoane aktuell selbst nicht. Wohl erst am Ende der Transferzeit am 31. August wird klar sein, wie groß der Umbruch in Gladbach tatsächlich ausfällt - da können die Fans am Rand des Trainingsplatzes noch so oft nachfragen.