Fußball | Bundesliga Zorcs Abschied beim BVB: "Die Bayern haben 300 PS mehr"

Stand: 12.05.2022 15:17 Uhr

Bei Borussia Dortmund endet die Ära von Sportdirektor Michael Zorc. Im Interview mit der Sportschau spricht Zorc über seine Anfänge als Fußballer, seine beste Transferentscheidung und das ewige Duell mit Bayern München.

Michael Zorc, 44 Jahre Borussia Dortmund - wie fing das mit Ihnen und dem BVB damals 1978 an?

Michael Zorc: Ja, das fing sogar schon etwas früher an, noch zu Zweitligazeiten des BVB. Ich stand 1975 als Junge mit gestricktem Schal auf der Südtribüne. Die Gegner hießen etwa Göttingen 05. Zu der Zeit ist natürlich der Wunsch in mir gereift, auch mal da unten zu spielen. Ich spielte damals noch beim Vorortklub TuS Eving-Lindenhorst in der Jugend und bin dann 1978 zum BVB in die B-Jugend und dann eben 1981 in den Profibereich gewechselt. Da ist natürlich der erste große Traum in Erfüllung gegangen.

Wie war das vom Fan zum Profi zu werden?

Zorc: Im Jugendbereich durfte ich ein paar Mal bei den Profis mittrainieren. Trainer war Udo Lattek. Irgendwann kam er im Training zu mir und sagte: 'Pass mal auf, Michael, du kannst laufen, du kannst kicken, unterschreib' mal den Vertrag.' So hat die Geschichte angefangen. Am Anfang haben die Spiele mit der Junioren-Nationalmannschaft geholfen. Wir sind 1981 in einem Jahr Europa- und Weltmeister geworden. Anfang der 80er Jahre war das allerdings noch nicht so wie heute, dass so ein junger Spieler mit 17, 18 Jahren forciert wird wie ein Jadon Sancho oder Jude Bellingham. Die Jugend musste sich damals hinten anstellen.

Von der Relegation 1986 bis zum Weltpokalsieger - welches war das wichtigste Spiel Ihrer Karriere? Oder der wichtigste Titel?

Zorc: Nein, der einzelne Titel oder der wichtigste Titel, das kann man so nicht sagen. Schauen Sie, 1989 war es der erste Titel nach 23 Jahren mit Nobby Dickel als Held von Berlin. Das hat ja damals einen riesengroße Gefühlswelle ausgelöst rund um den BVB. Das war wie so ein Startschuss, der dann in der ersten Meisterschaft 1995 endete. Und 1996 der Titel, das war eine Bestätigung. Da sind wir zur Meisterschaft mehr oder weniger geflogen. Und dann kam natürlich der Champions-League-Sieg 1997. Damals hast du dich wie auf dem Olymp gefühlt.

Gab es eigentlich mal die Überlegung, den BVB zu verlassen?

Zorc: In der Tat gab es ein paar Mal die Überlegungen und zwar ganz am Ende meiner Karriere, weil für mich natürlich völlig unverständlich war, dass Ottmar Hitzfeld mich ab und zu auf die Bank gesetzt hat. Es kam dann auch das eine oder andere Angebot aus der Bundesliga, aus dem Ausland auch. Aber je intensiver ich mich damit beschäftigt habe, umso mehr ist dann auch der Entschluss gereift, hier beim BVB zu bleiben. Aus heutiger Sicht war das die total richtige Entscheidung.

War denn schnell klar, dass sie den Weg als Sportdirektor einschlagen würden?

Zorc: Ich wollte im Fußball bleiben. Ich habe Anfang der 80er Jahre Wirtschaftswissenschaften studiert und hatte schon immer auch ein Faible dafür. Und damals ist ja dieser Zweig Sportdirektor entstanden, und ich habe mich dann eben für diesen Weg entschieden. Auch mit dem Hintergedanken und mit dem Vorteil, in Dortmund beim BVB zu bleiben.

War es die beste Transferentscheidung Ihrer Karriere, Jürgen Klopp zu verpflichten?

Zorc: Ja, ganz klar. Jürgen war außergewöhnlich, ist - wie man gerade wieder sieht - außergewöhnlich. Er ist vielleicht der beste Trainer, nein, er ist der beste Trainer der Welt, weil er das komplette Gesamtpaket mitbringt. Er kann eine Mannschaft, einen Verein fokussieren auf den Erfolg. Er kann das ganze Umfeld mitnehmen wie kein anderer.

War die Zeit mit Jürgen Klopp die schönste beim BVB?

Zorc: Grundsätzlich ist die Zeit als Spieler schöner als die als Sportdirektor. Aber in dieser Sportdirektor-Zeit war es sicherlich die schönste und leichteste Zeit. Auch wenn das letzte Jahr ein bisschen schwierig war. Als wir noch nicht Meister wurden, war es ein tolles Miteinander. Und wir hatten alle das Gefühl, hier entwickelt sich eine brutale Dynamik. Wir wollten immer mehr, wir waren hungrig, und wir haben gesagt, wo ist eigentlich das Limit? Leider haben wir das Champions-League-Finale nicht gewonnen gegen Bayern München 2013.

Sie haben den BVB als Nummer zwei etabliert. Trotzdem wollen die Fans natürlich mehr. Ist das Anspruchsdenken einfach zu hoch?

Zorc: Es ist legitim. In den letzten zehn Jahren werden wir jetzt das sechste Mal Zweiter. Und klar, wenn man Zweiter ist, will man Erster werden. Heute sind wir in einer anderen wirtschaftlichen Situation das 2005. Aber man muss anerkennen, um es in der Auto-Sprache zu sagen: Bayern hat eben 300 PS mehr, habe ich den Eindruck. Wenn die dann nicht von sich aus in die Leitplanken fahren und richtige Entscheidungen treffen, wird es für uns schwierig. Ja, wir waren ein paar Mal nah dran. Da hätten wir es zu Ende bringen müssen. Das haben wir nicht geschafft. Das müssen wir uns ankreiden. Aber ich glaube, mein Nachfolger Sebastian Kehl wird einen super Job machen. Aki Watzke ist sowieso sehr ambitioniert. Die werden weiter kämpfen.

Das Gespräch führte Anne van Eickels.