Nach Recherche von Sport inside Dumpinglöhne bei Nachwuchstrainern - Zoll durchsucht Büros beim FC Augsburg

Stand: 03.08.2021 20:00 Uhr

Die Staatsanwaltschaft Augsburg ermittelt gegen den FC Augsburg wegen des Verdachts des Lohnsplittings und der Mindestlohnunterschreitung. Zollbeamte durchsuchten die Geschäftsräume des Fußballbundesligisten. Die Ermittlungen gehen auf eine Recherche von Sport inside zurück, wie eine Zollsprecherin dem WDR-Magazin am Dienstag (03.08.2021) bestätigte.

Von Matthias Wolf

Sport inside hatte über Lohndumping bei Nachwuchstrainern berichtet und dabei aufgezeichnet, dass es sich offensichtlich um ein Problem an vielen Bundesliga-Standorten handelt. Der Zoll habe bereits seit Mai 2021 "die Hinweise von Sport inside zum Umgang mit den Regelungen des Mindestlohngesetzes in sportlichen Nachwuchsleistungszentren an die örtlichen Behörden der Finanzkontrolle Schwarzarbeit weitergeleitet", so die Zoll-Sprecherin, "sie fließen dort in die Prüfungs- und Ermittlungstätigkeit ein".

Den Angaben des Hauptzollamts Augsburg zufolge war die Finanzkontrolle Schwarzarbeit mit 61 Kräften in drei Objekten des FCA aktiv, darunter der Geschäftsstelle. Der Verein bestätigte einen "Besuch" von Zollfahndern und Staatsanwaltschaft. "Die Beamten erschienen, um Unterlagen zur Durchsicht mitzunehmen", hieß es. Laut Zoll geht es bei den Ermittlungen um die "Beschäftigungs- und Entlohnungsmodalitäten von nebenamtlich beziehungsweise ehrenamtlich beschäftigten Fußballtrainern".

"Es ist gut, wenn jetzt etwas passiert"

Ein Augsburger Trainer hatte Sport inside das Bezahlmodell detailliert dargelegt. Er kommentierte die aktuellen Untersuchungen nun so: "Es ist gut, wenn jetzt was passiert. Die Trainer dort wurden lange genug ausgebeutet."

Der Trainer sagte, er habe im ersten Jahr unter 200 Euro verdient. Die Jahre darauf 250 Euro als Co-Trainer, und das bei einer Wochenarbeitszeit von mindestens 25 Stunden. "Mir wurde dann der Cheftrainerposten angeboten mit 400 Euro im Monat, und dann habe ich gesagt: Das funktioniert nicht. Ich kann nicht für 400 Euro einen Fulltime-Job machen", sagte er in dem Beitrag von Sport inside, der im Mai 2021 erstmals ausgestrahlt wurde.

Der Mann besaß beim FCA einen sogenannten Übungsleiter-Vertrag. Das karge Salär: gesplittet in ein kleines Gehalt und die steuerfreie Übungsleiterpauschale. Kein vertraglicher Anspruch auf Urlaub oder ein freies Wochenende.

Gefälschte Stundenzettel

Sport inside lagen auch Stundenzettel vor, die der Trainer nach eigener Aussage habe falsch ausfüllen müssen. So habe er für mehrtägige Turnierfahrten nur zwei Stunden aufschreiben dürfen. "Es war definitiv so, dass wir die Stundenzettel bekommen haben und angewiesen worden sind. Zum Beispiel ein Turnier in Gladbach, Freitag bis Sonntag - dann sollten wir da zwei Stunden eintragen. Wir mussten immer unser Gehalt teilen durch die Zahl der Stunden oder teilen durch den Mindestlohn. Und dann haben wir rausbekommen, wie viel wir insgesamt aufschreiben konnten."

Dem Vernehmen nach geht es im Fall des FC Augsburg bei dem Verdacht des Lohnsplittings um Mitarbeiter, die zum Teil vom Stammverein und zum Teil von der ausgegliederten KGaA - die neben den Profis etwa auch für die U17 zuständig ist - bezahlt werden. Hierbei wird überprüft, ob die Vergütung jener Angestellten oder Trainer rechtmäßig abläuft.

Der FC Augsburg fühle sich jeweils auf einem sauberen Weg, teilte der Verein mit. Weitere detaillierte Angaben zu dem Verfahren machten der Zoll und der Verein mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht.

Verein widerspricht Aussage des Trainers

Bereits gegenüber Sport inside hatte der FCA betont: "Wir halten uns mit unseren Vereinbarungen an das Mindestlohn-Gesetz und können den von Ihnen geschilderten Sachverhalt mit der Behauptung eines ehemaligen Nachwuchstrainers nicht bestätigen."

In der Folge hatten jedoch weitere Trainer des Vereins der "Augsburger Allgemeinen" bestätigt, dass auch sie schlecht bezahlt wurden. Der Trainer, den Sport inside interviewt hatte, sagte es so: "Dem Verein war bewusst, dass es diese Mindestlohn-Grenze gibt und dass sie da auch nicht ganz auf sicheren Beinen stehen."

Andere Trainer reagieren auf Bericht

Nach Recherchen des WDR-Magazins, dem Originaldokumente vorliegen, zahlten und zahlen auch heute noch andere Vereine Dumpinglöhne an Trainer im Nachwuchsbereich. Im Nachgang des Berichts meldeten sich bei der Redaktion Trainer aus zahlreichen Profiklubs.

Lutz Hangartner, Präsident des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer betonte danach, er habe nicht für möglich gehalten, "dass so etwas in einer Branche möglich ist, wo so viel Geld fließt".

Betroffen sein soll auch der FC Bayern. Ein Trainer, auf Minijobber-Basis bezahlt, schilderte es so: "Es war der Clou: Man reist irgendwo nach Berlin oder London, ist da drei Tage mit den Kindern komplett zusammen und schreibt 80 Minuten Nettospielzeit auf", so der Trainer: "Ich hatte mich über die Bezahlung mal beschwert, da hieß es von meinen Vorgesetzten: Es gibt tausend andere da draußen, die würden es für 200 Euro machen."

"Wie Trainer zweiter Klasse"

Der Münchner Anwalt Andreas Waldschmidt, der einen ehemaligen Bayern-Trainer vertritt, hatte angesichts ihm vorliegender Verträge ebenfalls klare Verstöße gegen das Mindestlohngesetz angeprangert und davon gesprochen, der FC Bayern behandle die oft hochqualifizierten Nachwuchscoaches "wie Trainer zweiter Klasse"

Ob die Staatsanwaltschaft ebenfalls bereits gegen den Rekordmeister ermittelt, ist nicht bekannt. Fakt ist aber, dass der FC Bayern mittlerweile auf den Bericht reagiert hat. Die Bayern-Trainer wurden nach Informationen von Sport inside vor kurzem angewiesen, rückwirkend zu August 2020 auf Mindestlohn und Sozialversicherungspflicht zu achten. Inklusive Mindestlohn-Kontrolle durch den Vorgesetzten, der die Stundenzettel nun unterzeichnen muss.