Fußball  | Bundesliga Borussia Dortmund - Konstant nur bei eigenen Fehlern

Stand: 07.02.2022 17:30 Uhr

Borussia Dortmunds Trainer Marco Rose hatte gewarnt, doch gegen Leverkusen hagelte es Gegentore. Der BVB ist wie ein Überraschungsei, eine Enttäuschung ist immer möglich. Ein Erklärungsansatz.

Am Ende eines Nachmittags, als da nur noch Enttäuschung und Wut und manchmal auch Pfiffe waren, sagte Marco Rose einen Satz, der die Situation gut beschrieb. Rose, 45, ist seit Juli Trainer von Borussia Dortmund, mit seiner Mannschaft steht er in der Bundesliga auf Platz zwei. Doch nun, nach dem 2:5 gegen Bayer Leverkusen, sagte Rose im Gespräch mit dem ARD-Hörfunk: "Ich kann mich nur entschuldigen."

Es war das Ende der Geschichte eines Spitzenspiels, das viel zu bieten hatte - nur beim BVB werden sie das so eher nicht sehen. Die Erzählung dieses Spiels kommt nicht aus ohne ein Kapitel über eine Leverkusener Mannschaft, die so kontert, dass man Lehrbücher darüber schreiben könnte.

Sie handelt aber auch von einer Dortmunder Mannschaft, die sich nach Konstanz sehnt, aber konstant vor allem bei der Wiederholung eigener Fehler ist. Es geht um das, was heute Restverteidigung heißt, und um Spieler, die die gerne vergessen. Um Mentalität, auch das, aber auch um Marco Rose, den Trainer, um die Taktik und die Kaderzusammenstellung.

Kapitel eins, oder: Appell ohne Wirkung

Zwei Tage vor dem Spiel hatte der Trainer Rose über den Gegner Leverkusen und dessen Stärke bei Kontern gesprochen, und er hatte erzählt, wie intensiv er mit seiner Mannschaft an einer Verbesserung des eigenen Defensivverhaltens gearbeitet hatte. "Es muss bei jedem in den Kopf, dass wir - verdammt noch mal - unser eigenes Tor härter und konsequenter verteidigen", hatte Rose gesagt.

Es war ein Appell an seine Spieler, nur blieb er ohne Wirkung.

Gegen Leverkusen kassierte der BVB am 21. Spieltag die Gegentreffer 32 bis 36, nur vier Teams verteidigen noch schlechter. Es waren individuelle Fehler dabei wie der von Dan-Axel Zagadou vor dem 0:1. Gleich drei Gegentore kassierte der BVB nach Ballverlusten. Dortmund lief aber immer wieder auch in Leverkusens Konter, vor denen Rose gewarnt hatte. Seine Spieler, hatte Rose gesagt, müssten "gut im Gegenpressing und gut in der Restverteidigung" sein. Waren sie aber nicht.

Einmal, beim Stand von 1:1 in der 20. Minute, verlor der BVB kurz vor Leverkusens Strafraum den Ball. Die Außenverteidiger Thomas Meunier und Raphaël Guerreiro waren weit aufgerückt, auch von den Mittelfeldspielern Mahmoud Dahoud, Jude Bellingham und Julian Brandt dachte eher keiner an die Absicherung. Leverkusens Umschaltspiel war wunderbar, überraschend war es nicht - 1:2.

Kapitel zwei, oder: die Taktikfrage

Der BVB hat einen tollen Kader, es finden sich darin feine Fußballer, nur ausbalanciert ist er nicht. Das zeigt sich besonders im Angriff, wo man einen Ersatz für Torjäger Erling Haaland lange suchen muss. Fehlt Haaland wie gegen Leverkusen, dann fehlen nicht nur seine Tore, sondern auch seine Wucht, die Läufe zwischen den Linien, die Tiefe im Spiel.

Hinzu kommt etwas, das man als systemische Unwucht bezeichnen könnte. Der Trainer Rose hat zuletzt gerne auf ein 4-3-3 gesetzt, er lässt es offensiv interpretieren. Gegen Leverkusen hat man erkennen können, welches Risiko das birgt: Der Linksverteidiger Guerreiro kann am Ball alles, aber mit dem Verteidigen tut er sich schwer. Dahoud ist ein begnadeter Techniker, doch wenn er als einziger Sechser aufläuft, tun sich hinter ihm oft Lücken auf. Brandt ist ein Freigeist, der wunderbare Pässe spielt, doch defensiv ist er mitunter nachlässig.

Nach der Niederlage gegen Leverkusen sagte Rose im Interview mit dem ARD-Hörfunk: "Wir werden aus hervorragenden Fußballern, die sich nicht über Zweikämpfe definieren, nur bedingt Zweikämpfer machen."

Man kann das so sehen, aber es stellt sich schon die Frage, ob Rose dann nicht in einem so wichtigen Spiel einen anderen taktischen Ansatz hätte wählen müssen. Ob nicht ein Axel Witsel, bei allen Schwächen im Spiel mit dem Ball, die bessere Lösung für die Sechs gewesen wäre.

Kapitel drei, oder: die Frage der Verantwortlichkeiten

Vor einigen Tagen hat Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc dem "kicker" ein längeres Interview gegeben. Zorc hat darin über die Ziele des BVB gesprochen, aber auch über das wenige Tage zuvor geschlossene Transferfenster. Er habe selten so ruhige Weihnachtstage gehabt, sagte Zorc, schließlich waren die Dortmunder auf dem Transfermarkt diesmal nur Zuschauer in Sachen Neuzugänge.

Eine "gewisse Unwucht" im aktuellen Kader war dann Zorc auch aufgefallen, ausgebessert hat er sie gemeinsam mit seinem Nachfolger Sebastian Kehl allerdings nicht. Die Arbeit des Trainers Rose wird dadurch nicht erleichtert. Die Verpflichtung von Nationalverteidiger Niklas Süle, die am Montag (07.02.2022) überraschend verkündet wurde, ist zwar ein echter Transfercoup, kann Dortmunds anfälliger Defensive aber erst in der kommenden Saison helfen.

Kapitel vier, oder: BVB - das "K" steht für Konstanz

Das Spiel gegen Leverkusen war erst wenige Minuten beendet, als der Trainer Rose über die Entwicklung seiner Mannschaft sprach und über Rückschläge. Rückschläge, so sieht Rose das, seien immer auch Teil einer Entwicklung. Er sagte auch: "Konstanz ist das große Wort."

Doch mit der Konstanz ist es so eine Sache. Bei Borussia Dortmund sehnen sie sich nach Konstanz, doch konstant waren sie vor allem bei der Wiederholung eigener Fehler. Zwar hat der BVB in dieser Saison nur einmal zwei Niederlagen nacheinander hinnehmen müssen, doch auf mitreißende Auftritte folgten mit einiger Sicherheit Rückschläge, wie im Pokal gegen den FC St. Pauli oder eben gegen Leverkusen.

Kapitel fünf, oder: Bloß nicht wieder über Mentalität sprechen

Marco Reus, 32, ist der Kapitän der Dortmunder. Er ist mit dem Klub zwei Mal Pokalsieger geworden, nur über Mentalität spricht er nicht so gerne. "Kommt mir jetzt nicht mit Mentalität", hat Reus einmal gesagt, als ihn ein Fernsehreporter darauf ansprach, dass der BVB in einem Ligaspiel gegen Eintracht Frankfurt trotz zweimaliger Führung nur remis gespielt hatte. Das war 2019.

Im Sport wird gerne über Mentalität diskutiert, nicht immer ist das zielführend. Wenn einfache Erklärungen nicht greifen, dann war es oft die Mentalität, die fehlte. In Zusammenhang mit Borussia Dortmund ist in den vergangenen Jahren oft über diesen Begriff gesprochen worden, das wird auch diesmal wieder so sein.

Nach der Niederlage gegen Leverkusen also stand Reus vor Kameras und Mikrofonen und sollte erklären, wie es dazu kommen konnte. Reus sprach von einem "katastrophalen Tag", er sagte auch: "Irgendwann ist es ein Kopfproblem, weil wir uns zu viele Gedanken machen um diese Themen. Dann ist es wie eine Blockade."