Fußball | Bundesliga Der Haaland-Kosmos - Fakten und Aussichten

Stand: 17.01.2022 12:02 Uhr

Nach den Vorkommnissen am Wochenende bahnt sich ein Transfer von Erling Haaland immer mehr an. Wer sind die entscheidenden Personen, wer will ihn haben und wie steht Borussia Dortmund da?

Wenn es nach Erling Haaland ginge, würde er einfach nur das machen, was er am besten kann: Tore schießen. Am vergangenen Freitag (14.01.2022) war er beim 5:1-Sieg von Borussia Dortmund gegen den SC Freiburg wieder doppelt erfolgreich - und doch zeigte sich hinterher, dass sich seine Gedanken aktuell um mehr drehen müssen als die Frage, wie er den Ball am gegnerischen Torwart vorbei bekommt.

"Der Klub hat begonnen, mich zu drängen, eine Entscheidung zu treffen. Aber alles was ich will, ist Fußball spielen", sagte Haaland nach der Partie in einem Interview mit dem norwegischen TV-Sender "Viaplay". BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hatte für die Aussagen kein Verständnis. "Es gibt aktuell weder Gespräche noch Termine, daher kann ich das nicht nachvollziehen", sagte der 62-Jährige.

Trotzdem deutet vieles darauf hin, dass in naher Zukunft klar sein wird, ob Haaland auch in der nächsten Saison noch im Team von Trainer Marco Rose, der ihn schon bei RB Salzburg trainierte, spielen wird. "Wenn es so kommt, dass er bleibt, freuen wir uns sehr", sagte Watzke. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch gering, denn die Fakten sprechen dafür, dass sich der BVB nur noch einige Monate an Haalands Toren erfreuen darf.

Die vertragliche Situation

Ende 2019 unterschrieb der Norweger in Dortmund einen Vertrag bis 2024 und besiegelte damit seinen Wechsel aus Salzburg ins Ruhrgebiet. In diesen Kontrakt ließ sich Haaland eine Ausstiegsklausel einbauen, wie Watzke mittlerweile auch offiziell bestätigte. "Es ist ja kein Verhandlungsdruck drauf, dass wir jetzt den Vertrag verlängern müssen. Es geht nur um das Thema, zieht er eine Klausel oder zieht er sie nicht? Wir werden alle bemüht sein, das nicht erst im März oder April zu erfahren", sagte er im Dezember bei "Amazon Prime".

Die Höhe dieser Klausel soll sich im Bereich von 75 bis 80 Millionen Euro plus Nachzahlungen befinden. Eine enorme Summe für einen 21 Jahre alten Top-Stürmer, jedoch ein Schnäppchen in aktuellen Transferzeiten - trotz Corona. 19 Spieler haben seit dem Sommer 2017 mindestens 80 Millionen Euro gekostet. Bei aller Extraklasse wäre Haaland in der Reihe der Rekordablösen also nur einer von vielen.

Im vergangenen Sommer hätte der BVB deutlich mehr für seinen Star-Spieler erhalten können, verschiedene Vereine sollen bereit gewesen sein, eine Ablöse jenseits der 150 Millionen Euro zu bezahlen. Watzke, Sportdirektor Michael Zorc und dessen Nachfolger Sebastian Kehl betonten aber immer wieder, Haaland unter keinen Umständen zu verkaufen.

Die Berater

Trotzdem machten Haalands Agent Mino Raiola und sein Vater Alf-Inge Haaland mit einer medienwirksamen Reise unter anderem nach Barcelona und Madrid unmissverständlich, dass sie bereits an einem Vertrag arbeiten. "Ein Transfer im letzten Sommer wäre für sie wirtschaftlich definitiv besser gewesen. Sie haben aber nach dem Wohl des Vereins geschaut, nach den Fans, dem Team und dem Erfolg. Ich habe sehr viel Respekt für diese Entscheidung. Die Dortmunder haben Eier", sagte Raiola Ende 2021 bei "Sport1".

Der italienische Star-Berater weiter: "Er kann und wird den nächsten Schritt machen. Bayern, Real, Barcelona, Manchester City - das sind die großen Vereine, zu denen er gehen kann. Wir wussten alle damals beim Wechsel nach Dortmund, dass dieser Schritt kommen wird."

Und das Ziel von Team Haaland ist offenbar, dass dieser Schritt in diesem Sommer gemacht wird. Raiola ist berüchtigt, die Wünsche seiner Spieler mit allen Mitteln durchzusetzen. Davon profitierte auch Dortmund schon, als er Henrikh Mkhitaryan 2013 dabei unterstützte, vom Trainingslager von Schachtjor Donezk fernzubleiben, um einen Wechsel zum BVB zu forcieren. 2017 stimmten Watzke und Zorc einem Verkauf zu Manchester United gegen ihren Willen zu, weil sie Selbiges befürchteten, wenn sie Mkhitaryans Wechselwunsch nicht entsprochen hätten.

Diesmal muss Raiola nicht zu solch drastischen Mitteln greifen, um Haaland zu transferieren. Es muss nur ein anderer Verein bereit sein, die festgeschriebene Ablöse zu bezahlen - und da gibt es genügend Klubs, die das sind.

Die Interessenten

Würde sich der FC Bayern nicht genau die Situation von Haaland ansehen, "wären wir Voll-Amateure", sagte Hasan Salihamidzic einst. Gleichwohl sind der Sportvorstand und seine Kollegen offenbar nicht in vorderster Front im Kampf um den Mittelstürmer. "Wir haben Robert Lewandowski. Der wird auch noch ein paar Jahre lang 30, 40 Tore schießen", sagte sein Vorsitzender Oliver Kahn in der "Süddeutschen Zeitung". Trotzdem schwelt dieses Thema immer weiter in den Medien.

Favorisiert sind die internationalen Schwergewichte Real Madrid, FC Barcelona und Manchester City. Barça-Präsident Joan Laporta machte klar, dass sein Klub trotz Schulden in Milliardenhöhe Haaland verpflichten könne. "Alles ist möglich. Alle auf der Welt sollten sich darauf vorbereiten, dass wir als großer Player auf dem Markt zurück sind", sagte der 59-Jährige.

Der große Rivale aus Madrid ist aber mit im Rennen um Haaland. Watzke sagte zuletzt sogar bei "Bild-TV", das "große Interesse" von Real Madrid sei "verbürgt". Die "Königlichen" gehen - anders als die Bayern - recht offen damit um, dass sie einen Nachfolger für ihren 34 Jahre alten Top-Stürmer Karim Benzema suchen. Haaland soll das werden.

Die Situation des BVB

Ob sie Druck machen oder nicht - die Dortmunder Macher brauchen möglichst schnell Klarheit. "Weil er so wichtig für uns ist, muss ab einem gewissen Punkt für uns Planungssicherheit herrschen", sagte Kehl, der im Sommer Zorc beerben wird, im "Sport1-Doppelpass". "Wie soll ich denn bitte schön meine Kaderplanung vorantreiben, wie wir einen Erling Haaland ersetzen können, wenn wir nicht zu einem gewissen Zeitpunkt eine Tendenz mitbekommen, ob der Spieler noch bei Borussia Dortmund bleibt oder nicht? Das ist einfach legitim, das ist professionell."

Die Suche nach einem Nachfolger wird sich schwierig gestalten, daher muss sie früh begonnen werden. Die Konkurrenz weiß um die hohe Einnahme aus einem möglichen Haaland-Verkauf und wird entsprechende Preise fordern. Zudem ist der Markt mit adäquaten Mittelstürmern nicht so zahlreich gespickt wie auf anderen Positionen.

Wie es auch ausgeht: Die Borussen können sich bereits als großer Gewinner in der Causa Haaland bezeichnen. 20 Millionen Euro bezahlte Dortmund für den zum 1. Januar 2020 vollzogenen Wechsel an Salzburg - und die Rendite geht weit über die mindestens 55 Millionen Euro, die der BVB bei einem Verkauf im Sommer mehr kassieren würde, hinaus.

In 77 Pflichtspielen erzielte Haaland 78 Tore - eine nahezu unglaubliche Quote. Das führt auch zu Zugewinnen wie große (internationale) Medienpräsenz und mehr Popularität. Und bestenfalls in dieser Saison noch zu Titeln. Dortmund ist im DFB-Pokal als Titelverteidiger und in der Europa League einer der Favoriten und liegt in der Meisterschaft sechs Punkte hinter den Bayern - und einer wie Haaland würde sich gerne als Deutscher Meister verabschieden.