FC Bayern | Kommentar Kommentar: Ibiza-Reise ist ein Unding

Stand: 02.05.2022 10:39 Uhr

Das Ausscheiden in der Champions League, der maue Auftritt in Mainz und nun mitten in der Saison ein Kurztrip nach Ibiza: Dem FC Bayern ist auf vielen Ebenen das Gespür für den richtigen Moment abhanden gekommen.

Beim Bremen-Ligisten Brinkumer SV wird es bald ein Ehemaligen-Treffen geben. Viele altgediente Kicker der ersten Herren kommen teils von weit entfernt angereist, um im Bremer Vorort in Erinnerungen zu schwelgen. Aufstiege in die Bremer Landes- oder Verbandsliga waren das eine, die Mannschaftsfahrten danach das andere. Heerscharen von Amateurkickern kennen das: Es nach einer Saison auf Ibiza oder Mallorca mal richtig krachen zu lassen, gehört für sie dazu wie Ecke oder Einwurf.

Aber selbst beim nicht mal halbprofessionell arbeitenden Brinkumer SV galt stets eine Grundregel: Mitten im Punktspielbetrieb waren feucht-fröhliche Vergnügungstrips ein No-Go, auch vom Vorstand eines Amateurvereins aus der fünfthöchsten Spielklasse vor zwei Jahrzehnten nicht geduldet.

Kurztrip auf die Partyinsel

Dieser Bogen an die Basis muss sein, um zu verdeutlichen, welchen Unfug gerade der FC Bayern verzapft. Die Stars feiern ihre zehnte gewonnene Meisterschaft bei einem Kurztrip auf die Partyinsel Ibiza, auch wenn beileibe nicht alle Profis mitgeflogen sein sollen. Am Dienstag (03.05.2022) ist dann wieder (öffentliches) Training an der Säbener Straße.

Vom Kurztrip auf die Balearen geht ein verheerendes Signal aus: Die mit Abstand am besten bezahlten Fußballer in Deutschland treten zwei Spieltage vor Schluss mit Billigung ihres Arbeitgebers eine Lustreise an, die der körperlichen Ertüchtigung eher abträglich ist.

Sportvorstand Salihamidzic wirkt wieder unglücklich

In einer für viele andere Klubs ganz wichtigen Saisonphase gehört es sich einfach nicht, wenn andere Vereine, die ihre Ziele schon erreicht haben, ihren Akteuren erlauben, am Mittelmeer Cocktails zu schlürfen und die Nächte durchzutanzen. Der von Beginn an überfordert wirkende Sportvorstand Hasan Salihamidzic schwadroniert tatsächlich von einer "teambildenden Maßnahme", die offenbar auch Vorstandschef Oliver Kahn in Ordnung findet.

Sind die Egoismen dieser offenbar auseinandergebröselten Mannschaft nicht mehr anders einzufangen, als dass jetzt alle dafür nach Ibiza düsen müssen? Ein Spanien-Ausflug steht natürlich nicht auf dem Index eines jeden Fußballprofis. Aber der Zeitpunkt passt nicht – in einer Woche vor dem Heimspiel gegen den voll im Abstiegskampf verstrickten VfB Stuttgart.

Zu viel lief zuletzt schief - auch bei Julian Nagelsmann

Durch das Ausscheiden aus Champions League und DFB-Pokal hätten die Münchner alle Zeit der Welt gehabt, die Lustreise nach Saisonschluss zu unternehmen - notfalls hätte Kapitän Manuel Neuer auch bei Bundestrainer Hansi Flick nachfragen können, ob die Bayern-Nationalspieler etwas später zum Regenerationstrainingslager der Nationalmannschaft nach Marbella stoßen können.

Dem FC Bayern ist das Gespür für den richtigen Moment offenkundig auf vielen Ebenen entglitten. Trainer Julian Nagelsmann eingeschlossen, der beim überflüssigen Ausscheiden gegen den FC Villarreal in der Königsklasse sowohl in seiner taktischen Ausrichtung als auch in seinem Vertrauen in den gerade erst von einer Herzmuskelentzündung genesenen Alphonso Davies kolossal schieflag.

Die Körpersprache von Leroy Sané geht nicht

Dass die Bayern nach einem von einer krassen Schiedsrichterfehlentscheidung begünstigten 3:2-Heimsieg gegen Borussia Dortmund eher gekünstelte Freude mit Weißbier vor den Fernsehkameras vorführten, belegte nur, wie wenig wert die Meisterschaft in Endlosschleife aus Sicht der Spieler geworden ist. Am verständlichsten aus deren Perspektive war dann noch ein Hänger wie jetzt beim 1. FSV Mainz 05 (1:3).

Überflüssig war, dass einige Profis dabei eine bis an Arbeitsverweigerung grenzende Körpersprache an den Tag legten. Unter anderem wieder Nationalspieler Leroy Sané erweckte ja den Eindruck, als ginge ihn sein Job derzeit nicht viel an. Vermutlich wird schon am kommenden Sonntag (08.05.2022) gegen die Schwaben alles wieder anders sein: In einer proppevollen Arena, wenn auch die Meisterschale offiziell überreicht wird, treten die Bayern wieder das Gaspedal durch und siegen in gewohnter Überlegenheit.

Da war auch noch was mit der Freiwilligen Feuerwehr

Aber ist dann alles wieder gut? Gewiss nicht. Nagelsmann hat ja gerade erst in Mainz angeregt, "wir müssen ein bisschen was anders machen". Mehr Fokus für den Beruf aufbringen, war damit gemeint. Aber warum hat der 34-Jährige dann den Ibiza-Trip nicht verhindert?

Der Trainer war es doch, der kürzlich in einer spontanen Ausführung den Vergleich mit der Freiwilligen Feuerwehr ("Wir sind nicht bei der Freiwilligen Feuerwehr Süd-Giesing, sondern beim FC Bayern München") wählte, um den professionellen Anspruch seines Arbeitgebers zu verdeutlichen. Nagelsmann hat nach Protesten den sich verunglimpft fühlenden Brandlöschern und Lebensrettern einen Besuch abgestattet, der ihm öffentlich wieder Beifall einbrachte. Nun reißt die Ibiza-Reise all seine Reparationsarbeiten wieder ein.

Es fehlt die Führung

Vielleicht ist es aber gar kein Zufall, dass die Bayern so viel Angriffsfläche bieten. Während sich der Verein unter seinem Führungsduo Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge teils sehr bewusst unbeliebt machte, scheinen die Nachfolger Kahn und Salihamidzic ohne erkennbare Strategie gerne in die Fettnäpfchen zu tapsen.

Es sei nur an die schlecht vorbereitete Katar-Frage vor der Jahreshauptversammlung erinnert. Oder drehen sich beide Persönlichkeiten so sehr im eigenen Kosmos, dass sie nicht mehr spüren, was beim Fußball-Volk gut und schlecht ankommt?