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Leichtathletik-EM Zweimal Gold und eine rauschende Marathon-Party

Stand: 15.08.2022 19:48 Uhr

Mit zweimal Gold und grandiosem Teamwork haben Überraschungs-Europameister Richard Ringer und Co. zum Auftakt der Leichtathletik-Wettbewerbe in München ein rauschendes Marathon-Fest gefeiert. Zehntausende Fans waren Teil der Party.

Von Bettina Lenner, München

Als Richard Ringer bei der Siegerehrung mit geschlossenen Augen der Nationalhymne lauschte und den größten Triumph seiner Karriere genoss, waren alle Qualen vergessen. Der endlos lange Zielleinlauf, bei dem Beine und Füße vor lauter Krämpfen kaum noch ihren Dienst taten. Und die um ein Haar verhängnisvolle Schwächeperiode bei Kilometer 25, aus der ihm Amanal Petros heraushalf. Der deutsche Rekordhalter, der selbst mit großen Ambitionen in die EM gestartet war, wurde am Ende in einem faszinierenden Rennen Vierter.

Als erster Deutscher zum EM-Titel

"Junge, bleib' dran. Keine Lücken lassen!", hatte der in Eritra geborene Läufer seinem Teamkollegen zugerufen, der am Ende seines erst vierten Marathons die Riesenüberraschung schaffte und mit einem sagenhaften Schlussspurt vor den tobenden Fans auf dem zentralen Odeonsplatz in 2:10:21 Stunden zu EM-Gold rannte - der erste Europameistertitel für einen deutschen Marathonläufer!

Mit dicken Beinen zweimal aufs Podest

"Unfassbar - ich wollte 2018 performen und bin das erste Mal ausgestiegen. Und jetzt bin ich Europameister. Die Zuschauer waren dafür verantwortlich, dass ich am Ende als Erster ins Ziel gekommen bin", jubelte der 33-Jährige, der vor vier Jahren bei der EM in Berlin über 10.000 Meter ausgestiegen war, und hielt sich dabei die nach seiner Energieleistung schmerzenden Beine.

Das Treppchen musste er trotzdem noch ein zweites Mal erklimmen. Gemeinsam mit Petros, Johannes Motschmann (16.), dem deutschen Meister Hendrik Pfeiffer (24.), Konstantin Wedel (25.) und Simon Boch (50.) gewann Ringer Silber mit dem Team. Dass Israel 50 Jahre nach dem Münchner Olympia-Attentat ganz oben auf dem Treppchen landete, ist sicher auch eine der Geschichten dieser European Championships.

Frauen mit starken Leistungen zu Team-Gold

Eine andere schrieben die deutschen Marathonläuferinnen. Denn als Ringer nur ein paar Meter weiter zu seinem Husarenstück ansetzte, fieberten die DLV-Läuferinnen in der Interviewzone im Livestream auf dem Handy mit dem 33-Jährigen mit. Was für eine Choreografie! Die Frauen, die eine Stunde vor den Männern gestartet waren, hatten sich kurz zuvor Gold in der Teamwertung geschnappt, das erstmals auch für den Medaillenspiegel einer EM zählt.

Von den Zuschauern getragen

Die erst 24-jährige Miriam Dattke, die nach einem grandiosen Rennen Bronze in 2:28:52 Stunden nur um Zentimeter verpasste, die deutsche Meisterin Domenika Mayer als Sechste und Deborah Schöneborn als Zehnte sorgten für den geschichtsträchtigen Triumph. Rabea Schöneborn (12.) und Katharina Steinruck (15.) komplettierten das hervorragende Teamergebnis, das nicht zuletzt dem frenetischen Heim-Publikum geschuldet war.

Zehntausende säumten an Mariä Himmelfahrt, in München ein Feiertag, die Straßen des Rundkurses durch die Innenstadt, der viermal absolviert werden musste. "Die Stimmung war der absolute Hammer", schwärmte Dattke. "Ich habe gespürt, wie die Zuschauer mich angetrieben haben."

DLV hofft nach Traumstart auf Schub

Die Marathonis bescherten Deutschland damit einen Traumstart in die Leichtathletik-Wettbewerbe der European Championships - und sollen dem DLV-Team nach der historisch schwachen WM vor rund drei Wochen mit nur zwei Medaillen den erhofften Schub für die Heim-EM geben.

"Es ist genau das eingetreten, was wir uns alle gewünscht und erhofft haben. Ich gehe davon aus, dass der Funke im Team gezündet hat", sagte DLV-Präsident Jürgen Kessing. "Ich bin sicher, dass es nicht das Letzte war, was geliefert wird." Als Athlet werde man in München "von den deutschen Fans getragen", konstatierte Chefbundestrainerin Annett Stein.

Ringer: "Team steht an erster Stelle"

Und auch vom Teamgedanken. "Das Team stand an erster Stelle, wir wollten eine Medaille holen. Das hat mich total motiviert", sagte Ringer, der 2016 EM-Dritter über 5.000 Meter war. "Das ist nicht so ein Konkurrenzdenken wie auf der Bahn. Jeder steht für jeden ein." Wie zum Beweis lief Petros vorbei und wuschelte dem neuen Europameister durch die Haare: "Er hat es klasse gemacht. Ich bin stolz auf ihn."