ARD-Moderator Frank Busemann
analyse

European Championships Busemanns EM-Orakel - die Sprungwettbewerbe

Stand: 15.08.2022 07:52 Uhr

Überflieger, Hoffnungsträger und solche, die es noch werden möchten - die Sprung-EM-Vorschau von ARD-Leichtathletik-Experte Frank Busemann.

Von Frank Busemann

Hochsprung: Deutsches Gold wird es diesmal nicht geben

Zwei 2,30er im Angebot. Mateusz Przybylko im Finale von Eugene, Tobias Potye könnte den Heimvorteil nutzen, wie es einst der Titelverteidiger Przybylko in Berlin tat. Zu Gold wird es dieses Mal nicht reichen, dafür sind Olympiasieger Gianmarco Tamberi und der Ukrainer Andriy Protsenko zu stark.

Aber wenn Przybylko seinen krassen Speed zur Latte auf die Matte bringt, dann könnte es wieder über 2,30 Meter gehen. Im ersten Versuch ist das viel wert. Das könnte eine Medaille sein. Jonas Wagners Hallen- und Freiluftbestleistung aus dem letzten Jahr täten hier gut. Vielleicht klappt’s ja.

Bei den Frauen will Yaroslava Mahuchikh die "Niederlage" von Eugene vergessen lassen, aber dafür muss sie die starke Italienerin Elena Vallortigara in Schach halten. Für Marie Laurence Jungfleisch geht es in Berlin hauptsächlich um Genuss und darum, die Aufwärtstendenz des Jahres in eine neue Saisonbestleistung von 1,88 Meter und höher umzumünzen. Für Bianca Stichling geht es in der Hauptsache darum, viel Erfahrung für die Zukunft zu sammeln.

Weitsprung - Wie stark ist Mihambo nach Corona?

Oh je! Mihambo hatte nach ihrem WM-Titel Corona. Klar, die Symptome waren mild, aber eine Infektion bleibt eine Infektion. Im Körper einer Leistungssportlerin hat das vor einem Wettkampf nichts zu suchen. Medaillenhoffnungen bei Malaika Mihambo, waren nicht Hoffnungen, das war immer Fakt.

Und jetzt hoffen wir. Namhafte Athletinnen wie Vuleta, Bekh-Romanchuk oder die Schwedin Khaddi Sagnia wollen die Vorherrschaft endlich mal durchbrechen. Die ganze Welt erwartet einmal mehr trotzdem den Titel für Mihambo. Aber wie soll das gehen? Gut ist, dass sie jetzt einen Freifahrtschein hat. Egal, wie sie hopst, es ist alles gut. Aber das hilft ihr nicht. Nicht ihr! Keine kann mit Druck besser umgehen. Aber schlappe Beine springen nicht weit. Daumen drücken.

Für Maryze Luzolo geht es nach der abgesagten WM um die Krönung der Saison und vielleicht schafft sie den Einzug in den erlauchten Kreis der Top 12. Dank der Wild-Card der Titelverteidigerin Mihambo darf Deutschland hier mit vier Athletinnen an den Start gehen. Mikaelle Assani wird am Tage des Finals 20 Jahre jung. Das wäre ein grandioses Geschenk, welches sie sich machen könnte, dafür müsste sie aber in der Qualifikation Bestleistung springen. Das wird hart. Merle Homeier durfte schon in Eugene springen, blieb mit einem gültigen Versuch aber weit unter Wert.

Stabhochsprung: Hinter Dominator Duplantis ist alles offen

Die beiden Höhenjäger haben Spaß gemacht in Eugene. Beide 5,87 Meter. Beide in den Top 8 in der Welt. Oleg Zernikel zeigte ein blitzsauberes Nervenkostüm und performte mit Bestleistung, als es drauf ankam, und Bo Kanda Lita Baehre tat es ihm gleich, mit mehr Fehlversuchen, aber nicht minder beeindruckend. Mit ihren Vorleistungen sind sie auf Medaillenkurs.

Das Blöde beim Stabhochsprung ist, dass beim richtigen Sprung die richtige Höhe aufliegen muss. Luftschlösser nützen keinem. Aber wir haben zwei Topleute in der Verlosung. Vielleicht kommt einer durch. Drauf haben sie es. Oder zwei? Nein, ich spinne. Aber die sind schon gut, die beiden.

Torben Blech war in Eugene zu gut für seine Stäbe. Reihenweise machte er einen Knoten nach dem anderen hinein und schied mit drei ungültigen Versuchen unglücklich aus. In München kann er davon profitieren und diese Erkenntnis in Leistung umwandeln. Er komplettiert das deutsche Trio im Finale. Gold vorne geht an den Dominator Duplantis, aber dahinter ist alles offen.

Bei den Frauen hat Jacqueline Otchere in Eugene Spaß gemacht. Und Platz 10 mit 4,45 Meter war noch nicht mal alles, was sie konnte. Da geht noch mehr. Vielleicht schafft sie zusammen mit Anjuli Knäsche wieder den Sprung unter die letzten zwölf. Die routinierten Tina Sutej und Katerina Stefanidi werden den Titel vielleicht nochmal in der AK Ü30 belassen.

Da können sie nur hoffen, dass die anderen ob dieser realistischen Chance auf einen großen Titel mit überschaubarer Höhe Muffensausen bekommen. Und das ist beim Stabhochspringen nie gut.

Dreisprung: Für Kristin Gierisch ist die Qualifikation das erste Finale

Wer kann ihn stoppen, den Olympiasieger und Weltmeister Pichardo. Keiner! Nur er selbst. Und das wird er nicht machen. Wer 17 Meter springt, kann bei der Medaillenvergabe ein gehöriges Wörtchen mitreden. Für Max Heß  ist die EM mit einer Fraktur des Schlüsselbeins zu Ende bevor sie begonnen hat. Das ist besonders bitter, da er gerade wieder in Fahrt kam und nach dem knappen Ausscheiden in Eugene viel zeigen wollte.

Bei den Frauen hofft Neele Eckhardt-Noack, Europas zweitbeste, auf ähnliche Sprünge wie 2021 in der Halle oder Anfang Juli in Madrid, als sie auf vierzehneinhalb Meter segelte. Dafür muss aber alles stimmen, und die Konkurrentinnen drücken gehörig von vorn und hinten. Bekh-Romanchuk will jetzt endlich mal gewinnen, weil sie sonst immer Mihambo im Weitsprung oder global Yulimar Rojas vor der Nase hat. 

Kristin Gierisch hat nach Verletzungsproblemen und Umstellungen im Training wieder Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten, muss es nur in die Grube bringen. Für sie, wie für Jessie Maduka, ist die Qualifikation das erste Finale. Da muss alles stimmen, um in die Runde der besten Zwölf zu kommen.