Eishockey SC Riessersee - der Oberligist mit der ruhmreichen Vergangenheit

Stand: 09.11.2021 08:12 Uhr

Seit 101 Jahren gibt es den SC Riessersee. In dieser Zeit wurde der Verein zehn Mal deutscher Meister und gar 15-mal Vize-Meister. Statistisch gesehen hat der ruhmreiche SCR also alle vier Jahre um den Titel mitgespielt. Trotzdem spielt er seit fast vier Jahrzehnten im deutschen Eishockey nur noch die zweite oder dritte Geige. Weil die Zeichen der Zeit zu oft falsch gedeutet wurden.

Der Rießersee ist ein sehr romantischer und sehr kleiner See am Fuße der Alpen, mitten im Werdenfelser Land. In zwanzig Minuten kann man den Rießersee auf einem schmalen Pfad in aller Ruhe umrunden und dabei sehr schöne Fotos machen. Zum Beispiel vom See und der Zugspitze, deren Gipfel sich an klaren Tagen im glatten Wasser spiegelt. "Da haben wir als Kinder Eishockey gespielt, am Tag und in der Nacht", sagt Franz Reindl und erlaubt sich ein bisschen Nostalgie, obwohl der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes sonst nicht so gerne in der Vergangenheit herumkramt.

"Die Stimmung war elektrisch"

Der Rießersee stand und steht bis heute Pate für einen der berühmtesten Eishockey-Clubs in Deutschland: den SC Riessersee. Und Franz Reindl stand für diesen Verein viele Jahre auf dem Eis. Manchmal wurde er auch auf Schultern heruntergetragen. Nach großen Spielen oder sogar Meisterschaften, zuletzt 1981. Es war der letzte von insgesamt zehn nationalen Titeln. "Im Ort gab es eine geballte Ladung Eishockey. Die Stimmung war elektrisch. Das Leben im Ort und das Eishockey waren ganz eng miteinander verbunden", erklärt Franz Reindl.

Der SC Riessersee vom Rießersee

Mit dem "Ort" ist übrigens Garmisch-Partenkirchen gemeint, wo der SC Riessersee im Olympiazentrum sein sportliches Zuhause hat. Wenn früher im Ort das große Banner "Heute Eishockey" über die Straße gespannt wurde, dann fanden sich regelmäßig 10.000 Zuschauer ein, "da gab es nur Weiß und Blau - all over", sagt Franz Reindl, der vor knapp 67 Jahren in Garmisch das Licht der Welt erblickte, und der für den SC Riessersee weit mehr als 300 Bundesligatore erzielte, ehe er nach Rosenheim wechselte.

Windige Geschäftsleute

Doch wie es eben so ist im Leben, so ist es auch im Sport: Im Erfolg begeht der Mensch mitunter die größten Fehler. In Garmisch jedenfalls misslang die Professionalisierung des Eishockeys gründlich. In den 1980er und -90er Jahren wanzten sich windige Geschäftsleute an den Verein heran, versprachen Geld und Gloria, und wollten doch vor allem eins: Selbst ein bisschen Ruhm abstauben.

Im einst großen Eishockeyverein hatten nun atemlose Hochstapler, kriminelle Finanzakrobaten oder drittklassige Schauspielerinnen das Sagen, und der SC Riessersee landete regelmäßig auf den Klatsch- und Tratschseiten der Presse. "Das hat unheimlich weh getan", erinnert sich Franz Reindl, der den langsamen Niedergang mal aus nächster Nähe als Manager und Trainer, dann wieder aus der Distanz erlebte. Riessersee schlitterte von einer Pleite in die nächste und ersoff schließlich im eigenen Ruhm.

Noch ein Grund für den Absturz

"Es gab aber im Eishockey auch, früher als in anderen Sportarten, einen Trend vom Land zur Großstadt", sucht Reindl nach weiteren Gründen des Niedergangs. "Und in den größeren Städten gab es für die Clubs natürlich andere Rahmenbedingungen, die viel besser waren als für den SC Riessersee, für Landshut, Rosenheim oder Füssen." Natürlich weiß Reindl aber auch, dass diese Erklärung allein nicht reicht. In Garmisch-Partenkirchen beispielsweise hatte man es über Jahrzehnte hinweg versäumt, ein wirtschaftliches Fundament zu legen. Es gab und gibt kein Vereinshaus und erst recht kein Internat und damit keinerlei Vermögenswerte. Selbst der örtliche Hornschlittenverein besitzt eine eigene Hütte.

Doch wie gesagt, Franz Reindl ist nicht der Mann, der sich mit Tränen in den Augen der hadernden Nostalgie hingibt: "Die bayerischen Traditionsclubs haben erkannt, dass sie klare Konzepte benötigen, damit sie wieder nach vorne kommen." Seit einigen Jahren werden wieder zusätzliche Eisflächen geschaffen, in Landshut wurde sogar ein neues Stadion gebaut. In Rosenheim wächst der Verein proportional zur Bevölkerung.

Hoffnung auf die Kehrtwende

In Garmisch-Partenkirchen versuchen die Macher des SC Riessersee, nicht nur Oberliga-Eishockey mit einer schwarzen Null zu organisieren, sondern vor allem auch verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Franz Reindl sieht seinen Club auf einem guten Weg. Die Jugendarbeit sei vorbildlich, eines nicht allzu fernen Tages soll sie auch wieder Früchte tragen. "Die Rahmenbedingungen sehen gut aus. Das kann schon noch mal etwas werden", sagt Franz Reindl zum Schluss des Gesprächs. "Aber der Weg ist steinig und hart."