Eishockey | NHL NHL-Profi Nazem Kadri - Hattrick gegen Rassismus

Stand: 28.05.2022 10:10 Uhr

Nazem Kadri, Eishockeyspieler der Colorado Avalanche mit libanesischen Wurzeln, hat mit Toren die richtige Antwort auf rassistische Anfeindungen gegen sich und seine Familie gefunden.

Von Christoph Fetzer

Nazem Kadri drehte jubelnd ab und hielt sich die linke Hand ans Ohr. Die, die ihn vorher ausgebuht hatten, waren plötzlich verstummt. Mit einem Hattrick in Spiel 4 der Playoff-Serie seiner Colorado Avalanche gegen die St. Louis Blues hatte Kadri die richtige Antwort gegeben - auf Schmähungen der gegnerischen Fans und auf rassistische Beleidigungen übelster Sorte. Die Avalanche – auch Team des Deutschen Nico Sturm - gewannen das Spiel in der nordamerikanischen Profiliga NHL und machten in der Nacht zu Samstag (28.05.2022/MEZ) den Einzug ins Halbfinale perfekt. Dort treffen sie auf die Edmonton Oilers mit Leon Draisaitl.   

Feindbild nach Zusammenprall

In den Playoffs der National Hockey League kochen die Emotionen gerne hoch. Am liebsten suchen sich die Fans einen einzelnen Spieler des Gegners als Feindbild. In der Serie zwischen Colorado und St. Louis erwischte es Nazem Kadri. Im dritten Spiel des Playoff-Viertelfinales - eine Partie vor seinem Hattrick - war Kadri mit dem Torwart der St. Louis Blues, Jordan Binnington, kollidiert. Eine Situation, wie sie in Eishockeyspielen vorkommen kann, Absicht war nicht zu erkennen.

Das Bittere für die Blues: Ihr Torwart verletzte sich in der Szene so unglücklich, dass er für die restliche Playoff-Serie ausfiel. Der Schuldige war schnell gefunden, Nazem Kadri ab diesem Moment das Feindbild, der Bösewicht. Doch mit Buhrufen in Richtung des Avalanche-Stürmers war es nicht getan. Schnell arteten die Beleidigungen aus, und der 31-Jährige sowie seine Familie sahen sich rassistischen Anfeindungen und Morddrohungen ausgesetzt. Kadris Frau teilte einige davon in den sozialen Netzwerken.

Nazem Kadri hat libanesische Wurzeln. Seine Großeltern wanderten nach Kanada aus, als sein Vater ein kleines Kind war. Kadri selbst ist in der Provinz Ontario geboren und aufgewachsen. Seine erste NHL-Station waren die Toronto Maple Leafs, die Mannschaft mit dem Ahornblatt auf der Brust, das bekannteste Eishockeyteam des Landes. Kadri ist Kanadier. Aber: Er hat dunklere Haut als die meisten seiner Landsleute. Und er ist Moslem. Die Drohungen, die auf ihn einprasselten, waren in weiten Teilen auch islamfeindlich. "Leider muss ich mich schon lange mit diesen Dingen herumschlagen", sagte Kadri. "Das ist traurig und schlimm, aber ich versuche so zu tun, als sei es das nicht."

Rassismus im Eishockey kein Einzelfall

Die rassistischen Anfeindungen gegen Nazem Kadri sind kein Einzelfall. Im Eishockey - ein Sport, der vor allem von Weißen betrieben wird - haben es Spielerinnen und Spieler mit anderer Hautfarbe seit jeher schwer, Fuß zu fassen. Zuletzt schien es so, als seien Schritte in die richtige Richtung gemacht worden. So ist Kadri Gründungsmitglied der Hockey Diversity Alliance - eine Gruppe aktueller und ehemaliger NHL-Spieler, die Rassismus im Eishockey bekämpfen will.

Nachdem seine Frau die Hass-Kommentare publik gemacht hatte, erfuhr Familie Kadri in den sozialen Netzwerken unter dem Hashtag #StandWithNaz eine Welle der Solidarität. Aber das Umdenken im Eishockey braucht offensichtlich noch Zeit. Craig Berube, Trainer der St. Louis Blues, vergab eine große Chance, als er auf die Drohungen gegen Nazem Kadri angesprochen wurde. Er reagierte schmallippig mit "Kein Kommentar". Ein paar Tage später wollte er das geraderücken und betonte, er habe zwar von Drohungen, aber nicht von "dem rassistischen Zeug" gewusst. Dennoch wischen die Verantwortlichen in der NHL ganz grundsätzlich gesellschaftliche Themen zu oft beiseite und begründen es damit, dass sie sich auf das nächste Spiel konzentrieren müssen.

"Das ist für die, die hassen"

Unabhängig von den Beleidigungen abseits des Eises spielten die St. Louis Blues während der Playoff-Serie besonders hart gegen Nazem Kadri und überschritten dabei so manche Grenze. Kadri hat den Ruf, seine Nerven in wichtigen Spielen nicht im Griff zu haben. In den Playoffs verpasste er in den vergangenen Jahren bereits 16 Spiele, weil er wegen (Frust-) Fouls gesperrt wurde. Aber Kadri ist gereift. Er lässt sich nicht mehr provozieren. Nicht von Fouls, nicht von Drohungen. Er antwortet jetzt mit Toren. Und schiebt nach: "Das ist für die, die hassen."