Eishockey | NHL NHL-Profi Moritz Seider und sein Olympia-Traum

Stand: 01.12.2021 11:28 Uhr

Moritz Seider ist jung, aber bereits Deutschlands bester Verteidiger im Eishockey. Und er hat sich mit seinen 20 Jahren in der NHL durchgesetzt. Sein nächstes Ziel: die Winterspiele. Doch es drohen Probleme.

Moritz Seider bekommt Besuch. Aus Deutschland. Eishockey-Bundestrainer Toni Söderholm schaut bei ihm in Detroit vorbei. Er ist auf Nordamerika-Tour und will das Spiel der Red Wings gegen die Seattle Kraken mit Nationaltorwart Philipp Grubauer nutzen, um sich gleich zwei seiner fünf NHL-Profis anzugucken, die für die Olympischen Winterspiele infrage kommen.

In 70 Tagen soll das Turnier am 9. Februar in Peking beginnen. Deutschlands Auftaktgegner ist Kanada. Schwerer geht es kaum. "Hoffentlich haben wir eine supertolle Zeit", sagt Seider gegenüber der Sportschau. "Erstmal natürlich, toi, toi, toi, dass alle gesund bleiben. Das ist ganz wichtig. Und dann hoffen wir einfach, dass wir die Menschen überraschen können."

Sportlehrer bestochen, um Olympia 2018 zu gucken

Als Deutschland 2018 in Pyeongchang die Eishockeywelt nicht nur überraschte, sondern mit Silber regelrecht schockte, war Seider 16 Jahre alt, gehörte zum Team der Jungadler Mannheim und ging auf die Gesamtschule Herzogenried in Mannheim.

Der 4:3-Halbfinalsieg gegen Kanada ist für ihn noch besonders präsent. "Wir hatten Mittagspause und haben unseren Sportlehrer bestochen, uns die Aula aufzuschließen. Und dann haben wir, die ganzen Eishockeyjungs zusammen, vor einer Riesenleinwand geschaut", erinnert sich Seider. "War 'ne unheimlich coole Atmosphäre."

Als er die grandios aufspielende Mannschaft um Kapitän Marcel Goc, Christian Ehrhoff und Dominik Kahun sah, machte sich Seider ganz vorsichtig ganz leichte Hoffnungen, vielleicht bei den nächsten Winterspielen dabei sein zu können. 2022 in Peking. Dann wäre er 20 Jahre alt.

Olympia-Nominierung kein Freifahrtschein

Aus dem Konjunktiv wird nun wohl Realität. Denn aus Moritz Seider, dem Eishockeytalent von 2018, ist Deutschlands bester Verteidiger geworden. Als die zwölf teilnehmenden Nationen im September ihre ersten drei Profis für den jeweiligen Olympiakader nominieren mussten, entschied sich Söderholm für Superstar Leon Draisaitl, den NHL-erfahrenen Grubauer - und für Moritz Seider. Obwohl der zu dem Zeitpunkt noch gar kein Spiel in der besten Eishockeyliga der Welt bestritten hatte.

Seider spricht von "einem Riesentraum", der da in Erfüllung gehe. Natürlich sei die Nominierung "kein Freifahrtschein". Aber er wolle sein Land "unbedingt vertreten." Allerdings entwickelt sich dieses olympische Eishockeyturnier derzeit für die NHL-Profis zu einer Art Geduldsspiel. Die Liga kann bis zum 10. Januar aus dem Vertrag mit dem IOC noch aussteigen. Und zwar für den Fall, dass aufgrund von Corona zu viele Partien verschoben werden müssen. Dann würde die NHL das eingeplante, knapp dreiwöchige Olympia-Fenster im Februar nutzen, um diese Begegnungen nachzuholen.

Drei Auszeichnungen in einem Jahr

Bislang konnten fünf Spiele nicht wie geplant ausgetragen werden. Vergangene Saison waren es 55 Partien gewesen. Noch ist unklar, ab welcher Zahl die NHL ihre Peking-Pläne tatsächlich streicht. Aufgrund der steigenden Corona-Fälle hat sie alle 32 Vereine informiert, unter anderem auf sämtliche Weihnachtsfeiern zu verzichten.

"Man hofft einfach, dass alle gesund bleiben und wir dort hinfliegen dürfen. Aber natürlich muss die NHL auch immer die Gesundheit der Spieler an oberste Stelle stellen", betont Seider.

Der 1,93 Meter große Youngster gilt als eine der Überraschungen im ersten Saisonviertel der NHL. Im Oktober wurde er als "Rookie des Monats" geehrt. Es war bereits seine dritte Auszeichnung des Jahres. Im April war Seider zum "Verteidiger der Saison" in Schweden gekürt worden, wenige Wochen danach in Lettland gar zum "Besten Verteidiger der Weltmeisterschaft".

Trainer lobt "Unmenge an physischen Fähigkeiten"

Wenn Red-Wings-Trainer Jeff Blashill über seinen deutschen Defensivmann redet, ist die Begeisterung leicht herauszuhören. "Er hat eine Unmenge an physischen Fähigkeiten, ist ein großer Kerl, kann skaten, ist athletisch, verfügt, was das Eishockey angeht, über gute Fertigkeiten", lobt der 47-Jährige. Die Online-Plattform "The Athletic" beschrieb Seider als jemanden, der "sofort einer von Detroits wichtigsten Spielern" geworden sei.

Ein Blick auf die Rookie-Statistiken zeigt, dass der Mann mit der Rückennummer 53 von allen NHL-Neulingen mit 14 Zählern aus 23 Spielen die zweitmeisten Punkte ausweist. Seine Eiszeit von durchschnittlich 22:18 Minuten pro Partie ist Ligaspitze. Er habe sich "unheimlich gut" eingelebt, sagt Seider. Ein spezielles Erlebnis aus seinen ersten NHL-Wochen kann er nicht aufzählen - es gab einfach zu viele. Erstes Spiel, erstes Tor. Späße in der Kabine. Die gemeinsame Zeit auf Auswärtsreisen. All das seien "unheimlich tolle Erfahrungen."

Fans in Deutschland "besser" als in der NHL

Der größte Unterschied zur Deutschen Eishockey-Liga? "Alles", sagt Seider, der 2019 mit Mannheim Meister wurde. In Sachen Atmosphäre könnten sich die Fans in der NHL zwar von Deutschland "etwas abschneiden." Aber das Eishockey, nein, das sei einfach nicht zu vergleichen. "Unterschiedliche Welten." Jeden Tag - ob im Training oder Spiel - spiele er gegen die Besten der Welt. Schnelleres Tempo, größere, stärkere Spieler - all das sei in jedem Zweikampf spürbar. Doch in dieser Liga und in diesem Klima hat sich Moritz Seider bereits etabliert und durchgesetzt. Davon wird sich Toni Söderholm persönlich überzeugen können.