Darts | WM Gar nicht so schlecht – deutsche Spieler und die Darts-WM

Stand: 28.12.2021 21:22 Uhr

Same procedure as every year: Die Darts-WM geht in die finale Phase und alle Deutschen sind raus. Wie üblich hagelt es deshalb wieder Kritik. Dabei ist Darts-Deutschland auf einem guten Weg.

Von Kevin Barth

Seit 2005 ging jedes Jahr mindestens ein deutscher Spieler bei der Weltmeisterschaft der Professional Darts Corporation (PDC) an den Start. In diesem Jahr waren es vier, so viele gab es zuvor erst einmal. Den größten Erfolg landete Gabriel Clemens, als er im vergangenen Jahr das Achtelfinale erreichte. Viel mediale Aufmerksamkeit lösten auch mehrere gute Auftritte von Max Hopp aus, der zuletzt aber die Weltmeisterschaft verpasste und um seinen Verbleib auf der Profitour bangen muss. Gerade wenn rund um die Weltmeisterschaft das mediale Interesse am größten ist, heißt es dann immer pauschal: "Die schaffen das nie."

Passable Weltmeisterschaft

Dabei sind die deutschen Ergebnisse der aktuellen WM völlig in Ordnung. Gabriel Clemens wurde in der dritten Runde vom groß aufspielenden Mitfavoriten Jonny Clayton gestoppt. Der "German Giant" hat sich in nur vier Jahren in der erweiterten Weltspitze etabliert und könnte nach der WM erstmals unter den Top 20 stehen.

Unter den letzten 32 unterlag zudem Florian Hempel dem Australier Raymond Smith. Nach seiner ersten Weltmeisterschaft kann der ehemalige Handballprofi vor allem mit dem Erfolg über den Weltklassespieler Dimitri van den Bergh ein positives Fazit ziehen. Zwei Deutsche in der dritten Runde, das hat es auch erst einmal zuvor gegeben.

Der 16-jährige Fabian Schmutzler hat sich bei seinem ersten TV-Turnier überhaupt trotz einer Auftaktniederlage gut verkauft. Zu hohe Erwartungen sollten gerade bei einem so jungen Talent vermieden werden. Zunächst hat bei ihm ohnehin das Abitur und eine abgeschlossene Ausbildung Priorität. Martin Schindler musste sich im deutschen Duell Florian Hempel geschlagen geben und wird mit seiner Leistung wohl eher nicht zufrieden sein. Es ist allerdings beeindruckend zu sehen, wie sich "The Wall" nach mehreren schlechten Jahren wieder zurückgekämpft hat.

Hohe Fluktuation ist ein hausgemachtes Problem

Bei einem Blick auf die deutschen WM-Teilnehmer der vergangenen Jahre fällt auf, dass regelmäßig neue Namen auftauchen und dann wieder genauso schnell von der Bildfläche verschwinden. Beispiele sind Nico Kurz, Kevin Münch oder René Eidams. Sie alle haben davon profitiert, dass Deutschland einen eigenen WM-Startplatz sicher hat, weil die PDC den hiesigen Markt pushen möchte.

Dieser Platz wird über die so genannte Super League ausgespielt, die aber vor allem aus ambitionierten Halbprofis besteht. Das reicht aber laut dem ehemaligen englischen Weltklassespieler Wayne Mardle, der inzwischen als Coach und TV-Experte arbeitet, nicht aus. "Diese Spieler sind es nicht gewohnt, sich regelmäßig auf absolutem Topniveau zu messen. Es reicht nicht aus, wenn sie vor allem gegen Spieler aus dem eigenen Land spielen."

Tourkarte für 128 Spieler

Allerdings kann nicht einfach jeder ambitionierte Spieler Dartsprofi werden. Pro Jahr bekommen nur 128 Spieler eine so genannte Tourkarte, mit der sie an allen Turnieren der PDC teilnehmen können. Die besten 64 der Weltrangliste haben eine solche Spielberechtigung sicher, die anderen werden vor allem in offenen Qualifikationsturnieren am Anfang des Jahres vergeben.

Selbst wenn in Deutschland die Zahl der sehr guten Spieler zunimmt, werden wahrscheinlich nicht alle auf der Profitour landen können. In diesem Jahr gab es mit Gabriel Clemens, Martin Schindler, Florian Hempel und Max Hopp vier Vollzeit-Profis. Nur Großbritannien, die Niederlande und Österreich waren mit mehr Spielern vertreten.

Die Jagd nach dem "Golden Ticket"

Nun heißt es: Neuer Anlauf im Jahr 2022. Neben den genannten Clemens, Schindler und Hempel können sich weitere Spieler Hoffnung auf eine Tourkarte machen. Bei der so genannten Qualifying School, die vom 9. bis 15. Januar im hessischen Niedernhausen stattfindet, werden dutzende Deutsche an den Start gehen und sich mit kleinen und großen Namen vom europäischen Festland messen. Darunter auch ehemalige WM-Teilnehmer wie Kurz oder Eidams.

Parallel zu der Qualifikation in Niedernhausen findet auch eine in Großbritannien statt. Dort werden noch einmal deutlich mehr Teilnehmer erwartet, weil die Basis an Spielern größer ist. Deshalb werden dort auch das Gros der Tourkarten vergeben. Wer es schafft, durch das Nadelöhr der deutschen Qualifikation zu kommen, hat die größten Herausforderungen dann noch vor sich. Ein Jahr auf der Profitour kostet zwischen 30.000 und 40.000 Euro. Wer keine Sponsoren hat, muss also sehr tief ins Sparschwein greifen.

Mardle fordert etwas Geduld

Es leuchtet also ein, dass ein echter deutscher Darts-Star nicht mal eben so gemacht ist. Aber TV-Experte Wayne Mardle ist sich sicher, dass man sich um den deutschen Dartssport keine Sorgen machen muss. "Ich habe vor ein paar Jahren ein Show-Event in Köln vor 15.000 Zuschauern gespielt. Das zeigt, wie viel Potential der Sport hat." Auf Dauer braucht es wohl dennoch einen deutschen Weltmeister, um den Darts-Boom weiter zu steigern. Mardle geht davon aus, dass das in etwa zehn Jahren der Fall sein könnte. Falls Fans und Medien bis dahin noch etwas Geduld aufbringen können und sich an den kleinen stetigen Fortschritten erfreuen.