Darts-WM Peter Wright: Vom ewigen Zweiten zum zweiten Titel

Stand: 04.01.2022 14:17 Uhr

Peter Wright ist zum zweiten Mal Darts-Weltmeister. Die Karriere des Schotten nahm allerdings erst sehr spät Fahrt auf. Heute ist er über die Grenzen seines Sports hinaus als bunter Paradiesvogel mit dem Spitznamen "Snakebite" bekannt. Privat geht es bei ihm deutlich leiser zu.

Von Kevin Barth

Es war vielleicht die Szene des Final-Abends bei der Darts-Weltmeisterschaft im Londoner Alexandra Palace. Peter Wright hatte gerade Michael Smith bezwungen und gab auf der Bühne ein emotionales Siegerinterview. Als er bemerkte, dass Smith in Tränen aufgelöst etwas abseits stand, brach er kurzerhand das Interview ab, deutete auf seinen geschlagenen Kontrahenten und holte ihn dazu. Anschließend redete der Schotte auf Smith ein und versuchte ihn zu trösten.

Eine tolle Geste des neuen Titelträgers, der genau weiß, was der aktuell als ewiger Zweiter geltende Smith momentan durchmachen muss. Wright hat einen ähnlich beschwerlichen Weg hinter sich. Geboren wurde er im schottischen Livingston, aufgewachsen ist er in einem der ärmsten Stadtteile Londons. Mit 13 Jahren bekam er von seiner Mutter Pfeile geschenkt, aber für eine Scheibe reichte das Geld nicht. Stattdessen übte Wright an Baumstämmen, auf die eine Scheibe aufgemalt war.

Talent und Gelegenheitsjobs

Schnell wurde klar, dass Wright durchaus ein Talent für Darts besitzt. Mit 17 Jahren gehörte er zu den besten Spielern Londons, aber es fehlte das Selbstvertrauen, um es als Profi zu versuchen. Lange Zeit hielt er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Etwa als Hilfsarbeiter auf Baustellen, in Fabriken oder als Fahrer einer Spedition. Erst ab 2008, also rund 20 Jahre später,  spielte Wright Turniere der Professional Darts Corporation (PDC), ermutigt von seiner Frau Joanne. Ohne sie wäre er heute nicht der, der er ist. Sie betreut ihn als Managerin und hat auch die Kunstfigur "Snakebite" entworfen. Sie färbt ihm die Haare, hat die aufgemalte Schlange entworfen. Und nicht zuletzt ist sie für die Finanzen zuständig.

Dennoch stellte sich der Erfolg nicht direkt ein. Im ersten Jahr verdiente der heutige Doppelweltmeister gerade einmal 1.250 britische Pfund Preisgeld. In den folgenden Jahren etablierte sich Wright auf der Tour, am Ende jeder Saison klaffte dennoch ein Minus in der Kasse. 2013 stand die Karriere als Dartsprofi aus finanziellen Gründen sogar vor dem Ende, doch dann erreichte Wright bei der folgenden Weltmeisterschaft überraschend das Finale und machte weiter. Das Endspiel verlor er mit 4:7 gegen Michael van Gerwen, ein Ergebnis, das für ihn in den nächsten Jahren zum ungewollten Alltag werden sollte.

Final-Fluch und Erlösung 2020

Zwölf seiner nächsten 13 Finals in großen TV-Turnieren konnte Wright nicht gewinnen, insgesamt neun Mal musste er sich dabei van Gerwen geschlagen geben. Für viele wurde er deshalb immer mehr zum ewigen Zweiten, dem man den ganz großen Wurf nicht zutraute. Der Schotte, der zurückgezogen mit seiner Familie auf einem Bauernhof in Mendham in der englischen Grafschaft Suffolk lebt, blieb jedoch beharrlich und betonte immer wieder, eines Tages die Nummer Eins der Welt werden zu wollen. Die WM 2020 war der Wendepunkt, als er sich mit 49 Jahren erstmals den lange ersehnten Titel holte.

Passenderweise bezwang er im Finale ausgerechnet seinen großen Rivalen van Gerwen mit 7:3. Nie zuvor war ein Spieler beim Gewinn seiner ersten Weltmeisterschaft älter gewesen. "Ich habe große Spiele verloren, deshalb hatte ich schon im Vorfeld das Gefühl, dass ich jetzt einfach dran bin. Das zeigt, dass du deine Träume nie aufgeben solltest", sagte er anschließend unter Freudentränen.

Nummer Eins ist greifbar

Es folgten fünf weitere Siege bei großen Turnieren, jetzt gekrönt durch seinen zweiten WM-Titel. Die aktuelle Weltmeisterschaft hatte er als einer der Favoriten begonnen und sich vor allem in den späteren Runden passend für einen Champion immer weiter gesteigert. Gegen Youngster Callan Rydz musste Wright im Viertelfinale einen 1:3-Rückstand aufholen, im Halbfinale erzielte er gegen Altmeister Gary Anderson 24 Mal die 180, was einen neuen Rekord bedeutete.

Im Finale lief es lange Zeit nicht so reibungslos, beim Stand von 4:5 in Sätzen und 0:2 in Legs schien der Titel für seinen Herausforderer Michael Smith greifbar. Doch dann zeigte Wright seine ganze Klasse, dominierte die nächsten drei Sätze und erzielte dabei einen Durchschnitt von unglaublichen 114 Punkten. Typisch für ihn: Während der Partie wechselte er immer wieder die Pfeile.

Hohe Ziele und noch lange kein Ende

In der Weltrangliste rückt Wright jetzt bis auf 15.000 Pfund an die Nummer 1 Gerwyn Price heran. Auch deshalb denkt der Publikumsliebling noch lange nicht daran, die Darts an den Nagel zu hängen: "So lange ich mit der Klasse mithalten kann, die die Spieler um mich herum haben, werde ich weiterspielen. Wenn das Preisgeld für den Weltmeister auf eine Million Pfund steigt, wird mich das anspornen, noch mehr zu trainieren." Bis zu seinem Karriereende hat sich Wright vorgenommen, fünf Mal Weltmeister zu werden.