Corona-Maßnahmen Kinderärztin warnt: Bloß kein weiterer Sport-Lockdown für Kinder

Stand: 26.11.2021 07:20 Uhr

In Zeiten der vierten Coronawelle schränkt die Politik die Freizeitmöglichkeiten erneut stark ein. Was für große Sorge bei Fachleuten sorgt - sie fordern: "Bloß kein neuer Bewegungs-Lockdown für Kinder!"

Kerstin Holze hat dieser Tage alle Hände voll zu tun. Die Vorsitzende der Deutschen Kinderturnstiftung arbeitet als Fachärztin in einer Kinderklinik - ein stressiger Alltags-Job. Und in Coronazeiten wird sie mit weiteren Herausforderungen konfrontiert.

Die Mutter von drei Kindern sorgt sich angesichs steigender Hospitalisierungsquoten und damit einhergehender Verschärfungen der Corona-Regeln um die Bewegungs-Möglichkeiten der Kids. "Ich kann nur inständig appellieren, den Kinder- und Jugendsport nicht wieder zu beschneiden. Wenn das nun wie im letzten Winter noch einmal passiert, wird es Defizite geben."

Holze weiß: "Es gibt für das Erlenen motorischer Grundfertigkeiten das sogenannte goldene Lernalter. Zwischen sieben und elf ist die kindliche Entwicklung besonders empfänglich dafür, sich gewisse grundmotorische Elemente anzueignen." Holze warnt: "Dieses goldene Lernalter lässt sich nicht pandemiebedingt verschieben."

Unterschiedliche Regeln in den Bundesländern

Viele Bundesländer verschärfen gerade die Corona-Regeln angesichts steigender Infektionszahlen immer weiter: Das reicht von 2G und 2G Plus bis hin zur Ausgangssperre für Ungeimpfte. Und die Freizeitangebote werden stark eingeschränkt - auch die Angebote im Breiten- und Kindersport. In vielen Bundesländern dürfen über Zwölfjährige, die ungeimpft sind, schon jetzt nicht mehr am Hallensport teilnehmen. Verschärfungen der Maßnahmen stehen im Raum.

Der Deutsche Olympische Sportbund hat am Dienstag (23.11.2021) eine "Privilegierung des Kinder- und Jugendsports" gefordert - und angeregt, getestete Kinder und Jugendliche mit Geimpften und Genesenen gleichzustellen. Die beiden bisherigen Vereinssport-Pausen hatten bereits gravierende Folgen, unter anderem, weil sich viele Kinder vom Sport verabschiedeten. Eine dritte Pause würde dies nochmals verschärfen.

"Risiko für ADHS-Erkrankungen steigen"

Kerstin Holze präzisiert die gesundheitlichen Folgen eines erneuten Sportverbots: "Ein Sportverbot unterbricht die natürliche, ganzheitliche, gesunde Entwicklung der Kinder. Es gibt Studien, die nachweisen, dass Kinder, die unter mangelnden Bewegungsanreizen und -möglichkeiten leiden, ein deutlich höheres Risiko für ADHS-Erkrankungen haben."

Neben der Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) fürchtet die Ärztin aber auch erhebliche Fitnessprobleme, die schlicht mit Gewichtszunahme zu tun haben: "Auch für das Auftreten von Adipositas mit all den nachfolgenden schwerwiegenden Beeinträchtigungen von Lebensqualität und Gesundheit besteht ein erhöhtes Risiko."

Umfrage: Amateurfußballer sehen Kinder als größte Pandemie-Verlierer

Alarm schlägt auch der Deutsche Fußballbund (DFB), der in der vergangenen Woche eine Corona-Umfrage in seinen Amateurvereinen gestartet hat. Demnach fürchten 91 Prozent der mehr als 6.200 Befragten, dass Kinder und Jugendliche bei einem erneuten Lockdown die größten Verlierer wären.

Aktuell werden die neuen Corona-Beschränkungen in fast allen Bundesländern unterschiedlich ausgelegt. Während beispielsweise in Bayern im Breitensport nur noch Geimpfte und Genesene zugelassen sind, die zusätzlich einen tagesaktuellen negativen Test vorweisen müssen, gilt in NRW noch eine einfache 2G-Regel. Nur Kinder bis zu 15 Jahren sind von dieser Regel ausgeschlossen. Der Druck auf ungeimpfte ältere Jugendliche ist immens angestiegen.

Forderung: Phantasie statt Ausschluss

Doch statt die jungen Leute vom Sport auszuschließen, fordert die Deutsche Kinderturnstiftung gerade im Schulsport mehr Phantasie bei der Erstellung von schützenden Regeln. "Wenn es aufgrund der Pandemie nicht mehr möglich ist, dass in Klassenstärke Sport betrieben werden kann, dann kann man Kinder auch in kleine Gruppen trennen. Es gibt viele tolle Ideen, von bewegter Pause über bewegten Schulhof bis hin zu Kinderturnen nach draußen zu verlagern, auch in der kalten Jahreszeit", regt Kerstin Holze an.