Christian Siegel im Porträt
interview

Energiekrise im Breitensport DOSB-Ressortleiter Siegel fordert Unterstützungsfonds

Stand: 13.09.2022 08:16 Uhr

Die Folgen der Corona-Pandemie sind noch nicht bewältigt, schon steuert der Breitensport auf die nächste Krise zu. Es drohen neue Kündigungswellen, konkrete Hilfspakete gibt es nicht – und der Energie-Lockdown wird zur reellen Gefahr. Der DOSB-Ressortleiter für Breitensport, Christian Siegel, spricht im Interview über die Situation.

Sportschau: Herr Siegel, für wie gefährlich halten Sie die drohende Energiekrise für den Breitensport? Gehen Sie davon aus, dass Vereine erneut schließen müssen?

Christian Siegel: Für den Vereinssport stellt sich die aktuelle Situation existenzbedrohend dar. Durch die Corona-Pandemie haben Sportvereine an Mitgliedschaften verloren. Nun treffen die Sportvereine die extremen Energiepreissteigerungen entweder bei vereinseigenen Sportstätten direkt oder bei der Nutzung kommunaler Sportstätten unmittelbar über exorbitante Umlagen. Weniger Mitglieder und dadurch geringere Einnahmen sowie gleichzeitig höhere Ausgaben durch Energiepreissteigerungen bedrohen die Sportvereine immens.

Alle müssen in der jetzigen Phase ihren Beitrag zu Energieeinsparungen leisten. Dazu ist selbstverständlich auch der Sport bereit und hat hierzu bereits einen Maßnahmenkatalog sowie einen sportstättenspezifischen Stufenplan zur Energiereduktion erarbeitet. Daher appellieren wir an alle Sportvereine, mindestens 20 Prozent Energie – Gas und Strom – einzusparen. Einen pauschalen und flächendeckenden Sport-Lockdown darf es nicht wieder geben. Sporthallen und die für das Schwimmen lernen geeigneten Bäder bzw. Wasserflächen müssen so lange wie möglich geöffnet bleiben und intensiv genutzt werden.

Sportschau: Erwarten Sie, dass die Vereine die erhöhten Energiepreise an die Mitglieder weitergeben müssen? Wenn ja, wie kann man eine erneute Kündigungswelle verhindern?

Christian Siegel: Beitragserhöhungen sind wahrlich die letzte Option, da die Vereinsmitglieder auch privat massiv von den Preissteigerungen betroffen sind. Sport würde Gefahr laufen, ein "Luxusgut" zu werden und die ohnehin problematische Mitgliederrückgewinnung infolge der Pandemie ins Leere läuft. Privathaushalte sind bereits stark von der Inflation betroffen und werden sich die Beitragserhöhungen dann nicht mehr leisten können.

Um eine Kündigungswelle zu verhindern, bedarf es der Unterstützung der Politik. Das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung nimmt die existenzielle Bedrohung vieler Sportvereine nicht wahr. Die Vereine brauchen eine Perspektive: Sie müssen sicher sein können, dass es auch künftig eine Basis für die Fortführung ihres millionenfachen ehrenamtlichen Engagements gibt.

Sportschau: Höchstes Ziel ihres Maßnahmen-Katalogs "Empfehlungen zur Energiereduktion“ ist die Vermeidung eines Energie-Lockdowns. Dennoch kann eine Gefährdung der Zahlungsfähigkeit der Vereine nicht in Kauf genommen werden. Was empfehlen Sie Vereinen, die trotz der Einhaltung eben jener Sofortmaßnahmen in eine finanzielle Notlage geraten?

Christian Siegel: Die Energiekrise ist eine Herausforderung, die wir als Gesellschaft nur im engen Schulterschluss zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft meistern werden. Sportvereine leisten zweifellos wichtige Beiträge in unserem Lande, sie bilden damit das Rückgrat unserer Gesellschaft. Von daher ist es sinnvoll, dass Bund, Länder und Kommunen Förderprogramme für finanziell in Not geratene Sportvereine entwickeln.

Diese Vereine müssen das so früh wie möglich signalisieren und öffentlich machen: ihren Stadt-, Kreis- und Landessportbünden und Fachverbänden, Kommunen, lokalen Medien, Wahlkreisabgeordneten – sie müssen alle Hebel in Bewegung setzen, um den Druck auf die Entscheidungsträger zu erhöhen. Mit Blick auf genau diese Fälle fordern wir, dass Bund, Länder und Kommunen Förderprogramme für finanziell in Not geratene Sportvereine entwickeln.

Fast täglich erreichen uns derzeit Hilferufe von Vereinen oder Landessportbünden.
Christian Siegel

Sportschau: Bei den bisherigen Hilfspaketen der Regierung zur Abfederung der Energiepreise gingen die Sportvereine leer aus. Welche konkreten Forderungen stellen Sie als Dachverband an die Regierung?

Christian Siegel: Der Sport ist sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst, deshalb appellieren wir an unsere Vereine, einen Beitrag zur Einsparung zu leisten. Aber die Vereine sind bereits durch die Folgen der Pandemie geschwächt. Fast täglich erreichen uns derzeit Hilferufe von Vereinen oder Landessportbünden.

Um die Sportvereine durch die akute Bedrohung der steigenden Energiepreise zu unterstützen, gibt es zwei mögliche Wege: Erstens, die Kommunen, die den Großteil der Sportstätten unterhalten, müssen in die Lage versetzt werden, ihre sogenannten freiwilligen Leistungen aufrechtzuerhalten. Das müssen Bund und Länder leisten.

Und zweitens: Es braucht einen Unterstützungsfonds für den Sport, so wie er auch für die Kultur im dritten Entlastungspaket der Bundesregierung eingerichtet worden ist.

Eine Hand dreht am Heizungsregler

Durch das dritte Entlastungspaket erhalten Bürger eine Energiepreispauschale - Sportvereine sind nicht vorgesehen.

Sportschau: Bekommt der Sport in der erneuten Krise genug Beachtung von der Politik? Ist die politische Lobbyarbeit ausreichend?

Christian Siegel: Bis zum vergangenen Wochenende waren sich Sport und Politik einig, dass sich die Fehler der Corona-Pandemie nicht wiederholen dürfen. Doch genau das zeichnet sich bei der Energiekrise leider immer mehr ab.

Deshalb haben DOSB-Präsident Thomas Weikert und der DOSB-Vorstandsvorsitzende Torsten Burmester das auch sehr deutlich kritisiert. Und sie sind damit ja nicht allein, wir haben die Kritik gemeinsam mit dem DFB und der DFL geäußert und ich habe mich gefreut, dass beispielsweise Felix Neureuther unsere Position ebenfalls unterstützt.