Basketball Giannis Antetokounmpo - der Grieche im Basketball-Olymp

Stand: 21.07.2021 08:00 Uhr

Giannis Antetokounmpo ist durch den Titelgewinn mit den Milwaukee Bucks endgültig in die Riege der besten Basketballspieler aller Zeiten aufgestiegen. Und das im Alter von erst 26 Jahren. Sein Rezept: Demut und Physis.

Nur drei Europäer wurden bisher überhaupt NBA-MVP - also wertvollster Spieler der Saison. Nur einer von ihnen wurde es zweimal. Nämlich Antetokounmpo, der jetzt nach seiner 50-Punkte-Gala im Finale gegen Phoenix auch noch zum Finals-MVP gewählt wurde. Der Grieche befindet sich mit all diesen so prestigeträchtigen Individualauszeichnungen im Basketball in Sphären von Spielern wie Tim Duncan - nur Duncan und Kareem Abdul-Jabbar hatten im Alter von 26 Jahren bereits zwei MVP- und eine Finals-MVP-Trophäe im Schrank.

Nicht so wie Durant

Tatsächlich bekommt man im Mannschaftssport ohne Mannschaftstitel schnell auch das Stigma des Einzelkönners aufgedrückt, der ein Team aber nicht anführen kann. Und genau das drohte Giannis, wie er aufgrund seines etwas komplizierten Nachnamens in den USA meist genannt wird, nach den letzten Saisons, in denen Milwaukee auch zu den Titelaspiranten gehörte, aber in den Playoffs scheiterte.

Fußballer Lionel Messi durfte sich solche Vorwürfe wegen der ja gerade erst geendeten Titellosigkeit mit der argentinischen Nationalmannschaft über seine gesamte Karriere anhören. Basketball-Superstar Kevin Durant wechselte 2016 im Alter von 27 Jahren von den Oklahoma City Thunder zu den ohnehin schon mächtig starken Golden State Warriors, um sich auf der Höhe seiner sportlichen Schaffenskraft auch endlich einen Meisterring an den Finger stecken zu können.

Demut als Maxime

Giannis Antetokounmpo musste und wollte die Vereinsfarben nicht wechseln, um eine Meisterschaft zu holen. Im Alter von 26 Jahren darf sich der 15. Pick des Drafts von 2013 NBA-Champion nennen. Er schenkt nun "seinen" Milwaukee Bucks, die ihn vor acht Jahren in die Bierstadt holten und bei denen er zum Superstar wurde, die erste Championship seit 50 Jahren. "Ich wollte es aber auf die harte Tour und diesen Weg habe ich gewählt. Wir haben es geschafft, wir haben es verdammt noch mal geschafft", erklärte er mit dem Gesicht zwischen den Trophäen nach dem Sieg in Spiel sechs gegen die Suns.

Am Tag vor Spiel fünf sprach der "Greek Freak" ebenfalls auf einer Pressekonferenz über Demut, und warum sie ihm persönlich und für sein Spiel so wichtig sei. Warum vergangene Leistungen und zukünftige Pläne störend und unwichtig seien und die Gegenwart der einzige Moment ist, auf den man sich konzentrieren solle.

Da musste man sich doch einmal kurz daran erinnern, dass dieser große breitschultrige Mann da oben auf dem Podium trotz der gerade in die Presserunde fabulierten Lebensweisheiten erst 26 Jahre alt ist. Doch der in Athen geborene Sohn nigerianischer Einwanderer hat in seiner Jugend, in der er und seine Brüder staatenlos waren und an manchen Tagen erst um 23 Uhr am Abend das erste Mal etwas essen konnten, bereits so einiges über das Leben und Demut gelernt.

Ein "Greek Freak"

Widrigkeiten kennt der 211 Zentimeter lange und 110 Kilogramm schwere Forward also zu Genüge - und die gab es auch in den Playoffs immer wieder - und (natürlich) auch in der Finalserie gegen die Phoenix Suns. Teilweise bekam der Grieche es mit drei Gegenspielern zu tun, die mit allen Mitteln verhindern wollten, dass er zum Korb zieht.

Denn besonders in Korbnähe erkennt man, woher sein Spitzname "Greek Freak" kommt. Mit der Kombination aus Athletik, Kraft und Dynamik und den unvergleichlichen langen Schritten ist er, einmal in der Sprungbewegung, quasi nicht mehr zu stoppen.

Parallelen zu Shaquille O'Neal

Und wenn doch, dann vor allem unfair. 206 Mal musste Antetokounmpo in den Playoffs an die Freiwurflinie. Das sind über 50 Freiwürfe mehr als der Zweitplatzierte in dieser Kategorie. Denn in Sachen Wurfgenauigkeit hat der Grieche noch Verbesserungspotenzial. Aus der Distanz ist das zwar ärgerlich, aber im Team von Mike Budenholzer verschmerzbar.

Doch die Schwäche an der Freiwurflinie wurde dann doch zwischenzeitlich zum Problem, weil die Gegenspieler natürlich gern ein Foul "opfern", um Giannis an die Linie zu schicken. Vor allem, wenn die Alternative ist, gnadenlos übersprungen und, wie man in der NBA sagt, durch den gegnerischen Dunk "aufs Poster" genommen zu werden.

Nur etwas mehr als jeder zweite Freiwurf saß in den Playoffs bei ihm. Um als "ordentlicher" Freiwurfschütze zu gelten, solten es etwa 75 Prozent oder mehr sein. Mit diesen mauen Zahlen in dieser Kategorie bewegt er sich in der Region von NBA-Legende Shaquille O'Neal. Der war um die Jahrtausendwende herum der letzte Spieler, der mit seiner Physis so dominant, aber gleichzeitig so unsicher von der Freiwurflinie war, dass die Gegner ihn reihenweise an die Freiwurflinie schickten.

Gegen den Trend der Liga

So richtig viel brachte das gegnerischen Teams allerdings auf lange Sicht gesehen bei beiden nicht. O'Neal holte vier Meisterschaften, Giannis hat jetzt seine erste und traf in den Playoffs aus dem Feld 56 Prozent seiner Würfe. Ein unglaublicher Wert, wenn man bedenkt, dass er auch insgesamt die meisten Zähler von allen Spielern der diesjährigen Postseason auflegte. Die in dieser Statistik folgenden acht Akteure wie Devin Booker, Kevin Durant oder Trae Young haben allesamt deutlich schlechtere Quoten - werfen aber natürlich auch aus größerer Distanz und ziehen seltener zum Korb.

Mit seiner physisch so unglaublich dominanten Spielweise stellt Giannis eine Ausnahmeerscheinung in der modernen NBA dar, die offensiv vor allem von guten und vielseitigen Distanzschützen bestimmt wird. Dem übrigens auch in Sachen Defensivarbeit fleißigen und hoch veranlagten Griechen wird das herzlich egal sein - er denkt ohnehin nur im Moment. Und im Moment sind die Milwaukee Bucks das beste Basketballteam der Welt. Dank ihm.