Maximlian Klein von Athleten Deutschland

Maximilian Klein im Interview Gründung des Vereins Safe Sport "ein Meilenstein"

Stand: 04.11.2022 11:17 Uhr

Maximilian Klein von Athleten Deutschland spricht im Interview über die Gründung des Vereins Safe Sport e. V.. Dieser soll eine unabhängige Anlaufstelle zum Schutz vor Gewalt im Sport aufbauen.

Sportschau: Maximilian Klein, Sie sind bei Athleten Deutschland unter anderem zuständig für das Thema interpersonelle Gewalt im Sport. Jetzt haben Bundesinnenministerium und die Bundesländer einen Verein gegründet, der soll die Trägerschaft übernehmen für eine unabhängige Anlaufstelle zum Schutz vor Gewalt im Sport. Wie bewerten Sie die Tatsache, dass Athleten Deutschland Gründungsmitglied ist?

Maximlian Klein: Dass Athleten Deutschland Gründungsmitglied sein kann, ebenso übrigens wie eine Vertreterin aus dem Betroffenenrat der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, ist eine extrem tolle Sache. Das ist deshalb ganz wichtig, weil damit Betroffene und ihre Vertreterinnen und Vertreter eingebunden werden, Teil dieses Vereins sein dürfen, dem ja nun auch Bund und Länder angehören und die damit diese unabhängige Anlaufstelle vor allem auch für den Breitensport finanzieren werden.

Sportschau: Welche Aufgaben soll diese unabhängige Stelle denn übernehmen?

Klein: Der Verein wird eine Stelle aufbauen, die psychotherapeutische und oder rechtliche Erstberatung für Betroffene im Breitensport und im Leistungssport anbieten wird. Das können dann Athletinnen und Athleten sein, aber eben auch ehrenamtlich Tätige oder angestellte Personen. Also jeder, der im Sport tätig bzw. aktiv ist, hat bald eine unabhängige Anlaufstelle, ein unabhängiges Beratungsangebot.

Sportschau: Die dann irgendwann im Jahr 2023 die Arbeit aufnehmen soll, denn diese Stelle gibt es ja noch gar nicht.

Klein: Das ist richtig. Jetzt wurde der Trägerverein Safe Sport e.V. gegründet und dieser Verein wird dann die Aufbauarbeiten zu dieser Stelle aufnehmen. Die wird dann voraussichtlich in der kommenden Zeit irgendwann den Betrieb aufnehmen.

Sportschau: Athleten Deutschland hat ja bereits eine Anlaufstelle gegründet, "Anlauf gegen Gewalt" hat im Mai die Arbeit aufgenommen. Ist das jetzt eine Doppelstruktur?

Klein: Das ist keine Doppelstruktur. Es ist immer gut, wenn Betroffene Wahlmöglichkeiten und Wahlfreiheit haben. Und wir hatten ja vor etwa zwei Jahren diesen Impuls für das unabhängige Zentrum für Safe Sport geliefert, wohl wissend, dass der Aufbau eines Zentrums für Safe Sport mit so weitgehenden und weitreichenden Kompetenzen einfach eine Mammutaufgabe ist, die viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Und um dem kurzfristigen Handlungsbedarf zu begegnen, haben wir "Anlauf gegen Gewalt" für Kaderathletinnen und -Athleten aufgebaut und im Mai in Betrieb genommen.

Diese Beratungsstelle wird seitdem rege in Anspruch genommen. Wir haben auch die Möglichkeit einer rechtlichen und psychotherapeutischen Erstberatung, bieten aber darüber hinaus auch eine Betroffenenvernetzung und vor allem eine längerfristige Begleitung der Betroffenen an. Dieses Angebot wird auch weiterhin für die Kaderathletinnen und -Athleten bestehen bleiben. Wir sind da auch optimistisch, dass wir sinnvolle Formen und Schnittstellen der Zusammenarbeit zwischen Anlauf gegen Gewalt und der einzurichtenden Anlaufstelle von Bund und Ländern finden werden.

Sportschau: Wie bewerten Sie denn jetzt die die Gründung dieses Trägervereins auch im Hinblick dessen, was Sie gesagt haben, dass Athleten Deutschland ja im Grunde vor zwei Jahren den Impuls in diese Richtung gegeben hat? Welche Bedeutung hat die Gründung des Vereins für das Thema "Gewaltfreier Sport“?

Klein: Die Gründung dieses Vereins ist ein weiterer Meilenstein, vor allem, wenn wir uns vergegenwärtigen, wo wir vor zwei Jahren noch standen. Da ging ja unser intensives Engagement los. Wir haben die Vorschläge zum Zentrum für Safe Sport unterbreitet. Es fand sich viel Zuspruch. Das Bundesinnenministerium hat eine Machbarkeitsstudie beauftragt. Das Zentrum wurde in den Koalitionsvertrag aufgenommen, da ist ganz, ganz viel in zwei Jahren passiert. Und jetzt wird dieser Verein gegründet, der ja vielleicht auch eine gute Grundlage dafür sein kann, dass später ein Zentrum für Sport daraus entsteht.

Also der Aufbau des Zentrums mit weitergehenden Kompetenzen soll ja schrittweise erfolgen. Von daher können wir den gestrigen Tag als beachtlichen Meilenstein betrachten. Und wir merken ja auch, dass Bund und Länder wirklich mit Tatendrang bei der Sache sind. Sie räumen der Einhaltung der Menschenrechte und dem Schutz vor Gewalt eine extrem hohe Priorität ein und haben jetzt organisatorische Voraussetzungen im Sinne dieser Vereinsgründung dafür geschaffen, haben ja aber auch Finanzierungszusagen gemacht.

Hinzu kommt, dass wir jetzt erste Aufarbeitungsprozesse im Sport beobachten. Wir sehen, dass der organisierte Sport seine eigene Handlungsfähigkeit mit einer Strategie stärken will. Also in der Gesamtschau ist da in zwei Jahren systemisch betrachtet ziemlich viel passiert.

Sportschau: Jetzt heißt dieser Verein Safe Sport e.V. und gleichzeitig ist aber ein Zentrum für Safe Sport in Planung. Wie soll denn dafür gesorgt werden, dass alle verstehen, was genau gemeint ist und dass da nichts durcheinander geworfen wird?

Klein: Das wird eine Herausforderung sein, das wirklich sauber voneinander zu unterscheiden. Eine Anlaufstelle, eine Beratungsstelle bietet parteiische Unterstützungsangebote für Betroffene, kann damit also auch Symptome lindern, aber eben nicht die strukturellen Systemdefizite überwinden.

Das ist ganz wichtig, dass wir das Zentrum für Safe Sport von dieser Anlaufstelle unterscheiden. Das Zentrum für Safe Sport ist eine viel größere, unabhängige Kontrollorganisation, die zum Beispiel Meldungen entgegennehmen soll, intervenieren soll, also Untersuchungen in Auftrag geben soll und daraus eben auch Konsequenzen, Sanktionen ableiten soll. Dieses Zentrum soll Kompetenzen bei der Durchführung von Aufarbeitungsprozessen haben. Es soll sicherstellen, dass hochwertige Präventionsstandards durchgesetzt werden. Also die Aufgabenbereiche und damit auch die Befugnisse sind viel, viel weitergehend als die der Ansprechstellen.

Sportschau: Was sind denn die Voraussetzungen für ein Zentrum für Safe Sport?

Klein: Es wird ein bindendes Regelwerk benötigt, eine Art Integritätscode. Dieser würde die Befugnisse des Zentrums und auch seine Durchgriffsrechte regeln. Verbände und Vereine müssten dann entsprechende Kompetenzen an das Zentrum übertragen. Eine unabhängige Gerichtsbarkeit für sportspezifische Sanktionen muss aufgebaut werden. Untersuchungskapazitäten müssen geschaffen, Expertinnen für Ermittlungen und Aufarbeitung gefunden werden.

Wir brauchen ein datenschutzkonformes, nationales Fallmanagementsystem. Schnittstellen mit bestehenden Stellen und Interventionsverfahren im Sport müssen definiert werden. Ein effektiver Monitoringmechanismus im Präventionsbereich muss umgesetzt werden. Für diese vielfältigen Aufgaben müssen realistische Kostenschätzungen her.

Also: Vor uns liegen vielfache Herausforderungen, auch rechtlicher und finanzieller Natur. Nichtsdestotrotz wurde mit dem gestrigen Tag sicherlich ein weiterer Grundstein für dieses Zentrum gelegt. Das wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, auch noch weitere Stakeholderprozesse brauchen, bis dann auch die Umsetzung gewährleistet wird. Also wir haben jetzt zwei Jahre lang viel überzeugen können, Positionen wurden veröffentlicht, Entscheidungen wurden getroffen. Aber die Umsetzung, die geht jetzt erst los.

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