Ali Khamenei Iranischer Revolutionsführer fordert Sportwelt zum Israel-Boykott auf

Stand: 07.10.2021 07:58 Uhr

Der religiöse Führer des Iran hat erstmals offen die Sportler seines Landes zum Israel-Boykott aufgefordert. Der Iran will künftig auch Athleten anderer Nationen bei nachfolgenden Sanktionen unterstützen. Das Internationale Olympische Komitee reagiert alarmiert.

Von Hajo Seppelt, Jörg Winterfeldt

Das Video, das die Sportwelt in Aufruhr versetzt hat, zeigt den iranischen Revolutionsführer etwas erhöht vor einem royalblauen Vorhang thronend. Zu Seiten Ali Khameneis stehen jeweils drei iranische Flaggen, vor ihm sitzen in grauen Anzügen und mit Masken in den grün-weiß-roten Nationalfarben die Mitglieder der Olympia-Mannschaft von Tokio, zwischen ihren Stühlen ein Corona-Sicherheitsabstand.

Doch der geistliche Führer des Landes beschränkt sich nicht darauf, sein Team für die sieben Medaillen in Japan zu loben. Der Teil der Rede, der die Sportwelt entsetzt, richtet sich gegen Israel und legt in ruhiger Sprache den Hass des Ayatollah offen: "Das brutale, völkermordende, illegitime zionistische Regime versucht, sich durch die Teilnahme an internationalen Turnieren zu legitimieren. Deshalb bitte ich Sie, liebe Sportfunktionäre und die Athleten selbst, weiterhin Wettkämpfe mit dessen Athleten zu vermeiden."

Untersuchung gefordert

Die Rede bringt nicht nur die eigenen Athleten schwer unter Druck, sondern auch das Internationale Olympische Komitee. Menschenrechtsorganisationen wie „United for Navid“ (Vereint für Navid), benannt nach einem früheren Ringer, den der Iran im Frühjahr hinrichten ließ, haben die Rede umgehend dem IOC zur Kenntnis gebracht und Reaktionen eingefordert.

Seit Jahrzehnten gehen viele iranische Athleten Sportwettkämpfen mit israelischen Sportlern aus dem Weg, weil ihr Land den Staat Israel offiziell nicht anerkennt. Sehr oft täuschen sie Verletzungen vor. „Im Iran ist es Athleten nicht erlaubt, gegen israelische Sportler anzutreten. Außerdem sind Frauen von vielen Sportarten ausgeschlossen, einschließlich Turnen und Schwimmen, und sie sind gezwungen, den Hidschab zu tragen. Jüdische, Baha'i- oder christliche Athleten dürfen nicht in die Nationalmannschaften“, sagt Sardar Pashaei, ein früherer Weltklasseringer aus dem Iran, der nun in den USA lebt und sich bei "United for Navid“ engagiert.

"Aufruf zur Sabotage"

Doch so offiziell wie nun von Ali Khamenei hat die Weisung nie vorgelegen. Zumal Khamenei noch weiter ging: “Wir sollten iranische Athleten schützen, die nicht gegen das zionistische Regime antreten. Und auch nicht-iranische Sportler wie den algerischen Athleten, der eine Geldstrafe erhielt, weil er sich weigerte, gegen das zionistische Regime anzutreten.”

In Tokio trat neben dem Sudanesen Mohamed Abdalarasool auch der Algerier Fethi Nourine nicht gegen den israelischen Judoka Tohar Butbul an. Der Judo-Weltverband bemüht sich, entschieden durchzugreifen. Nourine wurde für zehn Jahre gesperrt, der Iran wegen seines Israel-Boykotts für vier Jahre suspendiert.

Die Rede Khameneis sorgt auch bei deutschen Politikern für Entrüstung. "Seit Jahren spielen die iranischen Offiziellen Katz und Maus und tun so, als wenn ihre Athletinnen und Athleten zufällig vor dem Kampf oder vor dem Wettbewerb gegen israelische Athletinnen und Athleten verletzt sind. Jetzt sind alle Hüllen gefallen“, sagte Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen.

"Khameneis Aufforderung, dass quasi alles, was auch andere gegen israelische Athletinnen und Athleten machen, jetzt auch noch gefördert werden soll, ist ein Aufruf zur Sabotage des gesamten Sportwesens. Und das kann das Internationale Olympische Komitee auf sich nicht sitzen lassen. Das muss geahndet werden und zwar zügig.“

Umstrittene IOC-Personalie

Das Internationale Olympische Komitee verhielt sich bislang zurückhaltend gegenüber dem Iran. Statt das Land für die Praxis mit aller Härte zu sanktionieren, setzte das IOC widersprüchliche Zeichen: Es stellte als Direktor seiner Athleten-Abteilung den Iraner Kaveh Mehrabi ein, einen früheren Badmintonspieler, der ebenfalls ein Spiel gegen einen Israeli verweigert hatte. Eine ARD-Anfrage ließ Mehrabi unbeantwortet. Ein Sprecher des IOC teilte dazu mit: "Wir schätzen seine Arbeit für das IOC, die immer in vollem Einklang mit der Olympischen Charta stand.“

Auf ARD-Anfrage zur Rede Khameneis reagiert das IOC ungewohnt forsch. Man habe nach der Rede unverzüglich ein Schreiben an Irans NOK gesandt, "um unsere Besorgnis zum Ausdruck zu bringen und zu betonen, dass eine solche Botschaft an die iranischen Athleten unseren gemeinsamen Bemühungen der letzten Jahre, die vollständige Einhaltung der Olympischen Charta und insbesondere der Grundprinzipien der Autonomie des Sports und der Nichtdiskriminierung von Athleten zu gewährleisten, völlig zuwiderläuft", teilte ein Sprecher mit.

"Vorige Woche forderte das IOC das iranische NOK auf, die Situation zu klären, und bat um die Zusicherung, dass das NOC weiterhin im Einklang mit der Olympischen Charta und seinen Verpflichtungen handeln wird.“